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Beim Bäcker - Die Fäden in der Hand

von Susann Zauberfee

Erschöpft versinke ich in den schweren Knautschkissen des knallroten Sofas. Wie sehne ich mich nach der luftigweichen Zartheit meiner gewohnten Schlafstätte. Leider wird es noch eine Weile dauern, bis ich zurück kann... Der Auftrag ist noch nicht erfüllt. Seufzend ziehe ich den Notizblock vom Tisch zu mir herüber und prüfe die Checkliste.

Aktion "Neue Mutter für Carola und Claudia" - noch nicht erledigt. Nur angeleiert. Ich muß unbedingt herausfinden, wann das nächste Treffen von Amnesty's Gleichberechtigungs-Kurs ist, und Herbie und die Adrette dorthin lotsen. Ich male einen dicken Kringel hinter die Zeile und notiere noch "Babysitter für C & C?".

Nächster Punkt: Sokrates. Endlich ist er untergebracht und hat wie erwartet Gregor aus Katjas Leben verscheucht, und damit Dirk die Chance auf die Frau seines Lebens ermöglicht. Haken dran. Das mit den Dreien wird funktionieren. Die Bäckerei? Ich grinse vor mich hin. Nein, die ist nicht in Gefahr. Sie werden sie gemeinsam weiterführen. Katja wird die Backstube in Ehren halten...haha.

Der Arzt. Immerhin hat er eine Verabredung fürs Wochenende. Erneut male ich einen dicken Kringel. Ich will dabei sein, damit nichts schief geht. Marc und Daniel. Ja, das habe ich prima hinbekommen. Haken dran! Für Melanie gab es eine böse Überraschung, als sie aus Hamburg zurückkehrte. Tut mir leid für sie, aber Alex wird sie nicht glücklich machen. Was sie natürlich nicht weiß. Solange sie Katja weiter hilft, kann nichts schief gehen. Sie wird Gregor kennenlernen. Und für Alex habe ich Frl. "Late at night" reserviert. Muß noch ein bißchen beobachtet werden, nur ein halber Haken.

Punkt Yolanda. Den Unfall ihrer Eltern kann noch nicht einmal ich verhindern. Und der Alte meinte auf meine Bitten nur lapidar "Das ist eben Menschenschicksal". Blödsinn. Yolanda tut mir jetzt schon so leid. Deshalb auch die Idee, die Nachbarin ins Spiel zu bringen, in der Hoffnung, daß die beiden sich mögen werden. Reiner konnte ich gerade noch rechtzeitig in die Bäckerei schicken, damit er seine unvergessene Ex wieder trifft. Er liebt sie immer noch. Ich hoffe, daß sie sich Yolandas annehmen werden, wenn es so weit ist und male einen sehr dicken Kringel hinter ihren Namen...

Eric und Carol und der Van. Meine Güte, das war mir etwas aus den Händen geglitten. Der Absturz des Zementkübels hätte böse ausgehen können. Ich bin fast sicher, daß Dev mir wieder mal dazwischenpfuschen wollte. Der Mistkerl. Nur über den Unfall von Yolandas Großmutter konnte ich den Notarzt einschleusen, um ihn den Van rechtzeitig entdecken zu lassen. Dev hat sich wohlweislich nicht blicken lassen, aber der kann was erleben! Carol hat sich definitiv in Eric verliebt, schade für den Notarzt. Vielleicht kann ich für ihn etwas tun? Mal sehen... Kringel.

Volker...irgendwie habe ich ein kribbeliges Gefühl, wenn ich an ihn denke. Dabei habe ich mich schon kundig gemacht, wo ich Nina auftreibe. Vielleicht wäre Nina die Lösung für den Notarzt? Ich mache mir ein paar Notizen hinter den letzten Kringel weiter oben. Meine Hand zittert ja! Komisch. Will ich mir Volker frei halten?? Ist er es vielleicht? Ich ertappe mich, wie ich an meinem Bleistift kaue. Eigentlich war es eine ziemlich spontane und ungeplante Aktion, mich in dieser Gestalt neben ihn auf die Bank zu setzen. Ganz schön untypisch für mich. Aber ein schönes Gefühl war das. Ich muß lachen. Ich habe ihn mit einer wirklich netten Vision zurückgelassen...

Wieder dieses Kribbeln in meinem Bauch, bei dem Gedanken, es nicht bei einer Vision zu belassen... Der Alte hat gesagt, ich würde schon merken, wenn es soweit ist. Aber eigentlich dachte ich, es würde erst passieren, wenn ich den Auftrag erledigt habe. Das war die Bedingung. Will er mir etwa den Mund wässrig machen? Oder mir die Aufgabe erschweren? Ich lege den Stift aus der Hand. Ich brauche Bewegung und frische Luft. Ich muß nachdenken. In dieser stickigen Bude kann ich das nicht. Ich gehe zum Fenster, öffne es und atme tief die klare Nachtluft ein. Schön. Ein prüfender Blick über die Straßen sagt mir, daß mich keiner sehen wird. Und wenn doch, dann werden sie morgen früh denken, sie hätten geträumt. Egal. Ich lege meine Kleidung ab, entfalte die Beiden und dehne und strecke sie nach allen Seiten. Ah - das tut gut. Mit leichtem Schwung hüpfe ich aufs Fensterbrett. Dann breite ich meine Flügel aus und fliege hinaus.

Copyright "Zauberfee" Susann Ulshöfer
1. März 1997
Webprojekt CYBERZAUBER_

 

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