Ein Satz im Beitrag über Interessenkonflikte und das Netz schreibt Robert Basic einen Satz, der mich aufgrund seiner Formulierung beeindruckt:
„Die jetzige Struktur, Menschen in territorialen Gruppen zusammenzufassen und das Identitätsgefühl daran aufzuhängen, wird hoffentlich überkommen sein eines fernen Jahrhunderts. Je dringlicher die Probleme aufgrund Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum werden, desto weniger wird die jetzige Struktur nützlich sein.“
Inhaltlich könnten das sicher viele unterschreiben. Der Druck globaler Probleme zwingt den Nationen den Blick über den Tellerrand geradezu auf. Das Klima macht an den Grenzen nicht halt, alle brauchen die zunehmend knapper werdenden Rohstoffe und Energieträger, Flüchtlingsbewegungen und Katastrophen tangieren alle Nachbarn und die internationale Gemeinschaft – und wir bekommen auch immer mehr mit, wie absurd und störend manch‘ nationale Eigenheiten im Internet wirken. Alles ein Elend, alles bekannt.
Wie aber ist jemand drauf, der davon spricht, „Menschen in territorialen Gruppen zusammen zu fassen“?? Ist das die bereits komplett transnationale Sicht eines herauf dämmernden globalen Bewusstseins, im Blogger-Alltag mal eben beiläufig hingerotzt?
Da spielt nämlich schon keine Rolle mehr, dass sich die Menschen ja zunächst in einem physischen Umraum vorfinden, der u.a. national strukturiert ist und damit auch Identitäten erschafft. Dieser Blick spricht aus einer neuen Wirklichkeit heraus, in der frei schweifende Netizens an fluktierende Communities andocken, den Grad ihrer Identifikation mit einem Thema und den verschiedensten Gruppen selber wählen, und damit auch ihr Engagement und sämtliche Verbindlichkeiten nach Belieben binden und lösen. Die dann auch immer mehr ihren physischen Aufenthaltsort nach Gusto wählen, heute hier, morgen dort, das Netz ist ja überall und wird zunehmend „mobil“.
Seit ich keinen Garten mehr habe, sitze ich länger und kontinuierlicher vor dem PC. Und ich bemerke die Schwierigkeit des Transfers zwischen der Welt hinter dem Monitor und der Sperrigkeit des Physischen. Mein gefühlter Wirkungsgrad ist in der Sphäre der Mausklicks um ein Vielfaches höher als wenn ich daran gehe, mit der italienischen Espressokanne einen Kaffee zuzubereiten oder gar Großvorhaben wie Renovieren in Angriff nehmen will. Auch die Zeit vergeht unterschiedlich schnell, was immer wieder dazu führt, dass ich den Kaffee auf dem (Gas-)Herd vergesse (Espressomaschine ist geplant!); Jetzt gerade tippe ich diesen Artikel ein, bin in Gedanken auf Basic Thinking, an den brisanten Orten des Globus und bei meiner Diary-Leserschafft – also „nicht ganz von dieser Welt“, könnte man sagen.
Abgehoben? Lost in Cyberspace? Oder doch da, wo die Musik spielt? Beides!
Wenn ich mir aber die Welt ansehe, die Ungleichzeitigkeit der Entwicklung, die Ungleichverteilung der Reichtümer, die Unterschiedlichkeit dessen, was die Menschen für wahr und wichtig halten, dann zweifle ich doch daran, dass das frei schweifende Bewusstsein, das sich locker durchs Web klickt, das Modell für alle ist. Zumindest wird es noch sehr lange dauern, bis alle dieses privilegierten Status teilhaftig werden, der es ermöglicht, relativ frei und „bloß beobachtend“ auf alles zu schauen und sich zu fragen, ob es Sinn macht, die Menschen in territorialen Gruppen „zusammen zu fassen“.
Schön wärs, wenn’s ein bisschen schneller ginge als „eines fernen Jahrhunderts“.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
16 Kommentare zu „Globales Bewusstsein?“.