home | über diesen Text Claudia Klinger Sollen wir auf Englisch webben? In Sorge um die Psyche der Amerikaner Einige von uns haben schon einmal den Schritt ins GLOBALE versucht, ihre Seiten ins Englische übersetzt oder gleich in Englisch verfaßt. Sich dann über die Resonanz aus den USA und dem "Rest der Welt" gefreut. Endlich ist man weltweit verstehbar - zumindest potentiell! Die Vorstellung, meine Webwerke und Teilstücke gemeinsamer Hypertexte nicht mehr in deutsch zu verfassen, bzw. zumindest einige Energie in die Übersetzung zu stecken, hat für mich etwas Bremsendes. Zwar ist es schön, Resonanz von weither zu bekommen - aber ich will ja nicht hautsächlich gelesen werden, sondern mit Euch sprechen, spielen, webben. Mit Menschen, die meine Witze verstehen, die Anspielungen auf aktuelle Ereignisse, die Besonderheiten unserer verschiedenen deutschsprachigen und europäischen Gruppen-Identitäten. Sobald ich GLOBAL werde, verengen sich die möglichen Themen und Spielfelder auf das allgemein Menschliche und den ganzen Planeten betreffende Gegenstände. Die Amerikaner: vom Hype zum Blues
Wirklich global, das wissen wir, ist das Netz jedoch noch lange nicht und so geht es bei Übersetzungsüberlegungen allermeist darum, mit den Amerikanern ins Gespräch zu kommen. Schließlich sind sie uns, was das Leben mit dem Netz angeht, um einige Jahre voraus. Viele brilliante Geister haben interessante Gedankengebäude, Kunstwerke, lebendige Szenen und Subkulturen hervorgebracht. Sie sind die Schöpfer so mancher schillernden Cybertheorie, die unsere Medien bereitwillig immer wieder abschreiben. Sie haben eine Netzkultur geschaffen, von der wir noch weit entfernt sind - was läge also näher, als sich einfach anzuschließen, anstatt mühselig im Lokalen das Gespräch immer wieder in technischen How-To-Fragen versacken zu sehen? Und doch: genau das sollten wir weiterhin tun! Auch die Amerikaner mußten zuerst Medienkompetenz gewinnen, ihre eigenen Seiten und lokalen Netze ausbauen, bevor sie zu weltweit bemerkenswerter Hochform auflaufen konnten. Wichtiger noch: indem wir miteinander experimentieren, unsere eigenen Gespräche führen, unsere kommuniAktiven Hypertexte wachsen lassen, kommen wir evtl. dahin, den Amerikanern auch etwas SAGEN (besser: zeigen) zu können: die schieben nämlich seit einiger Zeit den Blues, was das Netz angeht, kreisen um ihre Abgesänge auf die Utopie vom Cyberspace, dem "neuen Land der Freiheit", dem von Amerikanern immer so heftig begehrten "BEYOND" irgendwelcher NEW TERRITORIES. Plötzlich sehen sie das Netz zur gemeinen Weltmetropole herangewachsen und fühlen sich umzingelt. Es ist doch tatsächlich ein Jedermensch-Medium geworden, anstatt Freistaat einer Kritiker-Avangarde und diverser Maschinen-Verherrlicher aus Kunst und Wissenschaft zu bleiben, die uns wortreich vordenkt, was virtual future sein werde (Stellarc, Moravetz, Nanotechnos, Transhumanisten, Uploader/Kyroniker - GÄÄÄÄÄÄÄHHHN!).
Hyperminds für Hypertexte
Auf meiner allerersten Webpage vom Frühjar 1996 stand ein Text, der ganz
im Bann des damaligen Net-Hypes und der Cyberspace = Neuland-Sicht verfaßt
ist. Ich war blendender Laune, von all diesem Neuen begeistert, und noch viel
mehr von den Möglichkeiten, die diskutiert wurden. Dennoch ist Vom Wandern
- ein Koan
Mittlerweile jedoch zelebrieren Meister-Denker nur noch Variationen ihres Kreisens im Ende. Ihre fraktalen Wiederholungen der jahrhundertealten Gesten mittels neuer Techniken an vermeintlich neuen Themen zeitigen manche Perle, doch lange kann das nicht mehr fesseln. Immer mehr zappen weg, surfen weiter, verwirklichen eigene Ideen und machen ganz individuell (!) neue Erfahrungen. Das Netz mit all seinen Medien ist schließlich nicht da, um nur besprochen, beforscht und besungen, sondern auch, um genutzt zu werden. Packen wir's also an, anstatt nur herumzumaulen, weil das Wort "nützlich" erst einmal sehr schlicht verstanden worden ist. Neue Werkzeuge werden zunächst für alte Zwecke genutzt, doch dann kommen die spannenderen Fragen nach den neuen Zwecken (Rolf Todesco). Diese aber wird man in der Praxis finden müssen - wobei schon die Unterscheidung Theorie/Praxis in Netzzeiten zumindest problematisch ist.
Claudia Klinger, 25.Jan. '99 info@claudia-klinger.de, www.snafu.de/~klinger/ Dieser Text ist inspiriert vom Symposium DIGITALER-DISKURS Der Text läßt sich zusammenschieben, damit er in eigene und fremde Frame-Konstruktionen paßt. Die Verwendung in kommerzieller Umgebung ist damit allerdings nicht gestattet, sondern bedarf im Einzelfall meiner Zustimmung. Claudia Klinger. |