Einen ganzen Tag dem PC ferngeblieben. Nicht, um hinauszugehen, dazu war das Wetter zu regnerisch, nein, mit Freude bin ich versunken in einen Krimi von Elizabeth George , die ich kürzlich entdeckte. Sie ist zwar Amerikanerin, doch gilt ihre Liebe England, wo die meisten ihrer Geschichten spielen. Ich mag ihre Art, in die Seelen der Menschen zu blicken, wo niemals alles nur schwarz oder weiss ist. Dazu ist es wie Urlaub, mich von einer solchen Geschichte für Stunden, manchmal einen ganzen Tag oder eine Nacht, gänzlich verschlucken zu lassen.
Abends dann auch noch Fernsehen! Samstags ist es besonders idiotisch, den Einschaltknopt zu benutzen. Doch spät kam ein Film mit Yves Monteau (Aktion Ikarus), der das zusehen lohnte. Nicht so sehr wegen der Story (engagierter Staatsanwalt kämpft gegen den Geheimdienst, letztlich wird er erschossen), sondern wegen der Filmtechnik, die in diesem vielleicht 15 Jahre alten Film so ganz anders ist als das, was wir heute vom TV gewohnt sind. Alles was geschieht, wird hier auch gezeigt. Z.B. das wiederholte (!) Zurückspulen und Abspielen eines Tonbandgeräts, das aufwendige Knacken eines Safes und die Wege von hier nach dort, die von den Personen zurückgelegt werden. Aufzüge, die vom 1. in den 14. Stock fahren, muß der Zuschauer geduldig anhand der Leuchtanzeige verfolgen – alles ist in einer Weise ausführlich zu sehen, daß man ständig leichte Ungeduld empfindet: ich weiß doch jetzt, was kommt, warum zeigen sie das noch?
Ein heutiger Fernseh- oder Kinofilm ist verglichen damit eine schnelle Abfolge von Highlights. Ereignisse, Abläufe, alles, was Zeit kostet, wird lediglich mittels eines Minimums an schnellen Schnitten angedeutet – sobald wir erkannt haben, was Sache ist, folgt schon der nächste, möglichst überraschende oder sonstwie spektakuläre Eindruck. Der Film versucht, mit der Geschwindigkeit von Gedanken mitzuhalten – während die alten Filme noch an die Zeit der sinnlichen Wahrnehmung gebunden waren.
Die Beschleunigung wirkt erst einmal angenehm: keine „Längen“ mehr, die Ereignisse kommen Schlag auf Schlag, so daß wir gerade noch folgen können (Ältere können das immer weniger…). Es gibt keine Zeiten mehr, in denen der Blick länger auf etwas verweilt – diese Zeit, die früher zwangsläufig dazu genutzt wurde, um einem ‚Vertiefungsgedanken‘, einer persönlichen Assoziation Raum zu geben, ist verschwunden. Sie bot immer auch die Möglichkeit – aus der Sicht der Filmemacher die ‚Gefahr‘ – , aus der aktuellen Traumwelt der Bilder zu erwachen und sich für ein anderes Tun zu entscheiden.
Die Filme von heute halten das Band der Aufmerksamkeit so straff gespannt wie möglich: keinen Augenblick sollen wir zur Besinnung kommen, kein Moment soll für die Selbstwahrnehmung übrig bleiben – und wir genießen das auch, es ist Unterhaltung, eine Art Kurzurlaub vom mehr oder weniger sinnvoll-im-Leben-stehen-müssen. Allerdings: wer sich viel in der TV- und Filmwelt aufhält, bemerkt die Abstumpfung, die das Hochgeschwindigkeits-Video mit sich bringt. Steigerungen sind nicht endlos möglich: wenn einmal alles in schnellsten Bildern von schreienden Menschen, supervertonten Zweikämpfen, rasenden Autos, Schießereien, schleimigen Monstern und Explosionen ohne Ende zusammenfällt, beginnt irgendwann das große Gähnen. Eine Langeweile, gegen die im Film kein Kraut mehr gewachsen ist. Man kann sich nur noch abwenden und – sofern das „Real Life“ noch immer nicht verlockt – ein anderes Medium benutzen: das Buch, das mir die Lesegeschwindigkeit überläßt, oder das Web, wo ich sowohl die Geschwindigkeit als auch die Inhalte in jedem Moment selber wähle. Webseiten, deren Macher versuchen, durch bewegte Filmsequenzen (Flash, DHTML etc.) eine TV-Anmutung zu erzeugen, gehen so gesehen einen Weg in die Medien-Vergangenheit. Ich vermute, es ist ein falscher Weg.
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