Beim Spaziergang in der Hasenheide treffe ich meinen alten Freund Hans. Er sitzt mit zwei seiner drei Kinder an einem Tisch vor dem Imbiß im Stil der 50ger, den es seltsamerweise in der Hasenheide unverändert gibt. Eine lustige nierentischförmige Überdachung auf Säulen, darunter und davor Klapptische, so viele, wie gerade gebraucht werden, alles ein bißchen schmuddlig. Kein Investor hat hier je versucht, ein RICHTIGES Café aufzumachen, und das ist gut so, denn so, wie es jetzt ist, ist der „Point“ für alle gesellschaftlichen Schichten besuchbar. Penner und Studienräte fühlen sich hier gleichermaßen wohl und stören sich nicht mal aneinander.
Mit Hans bin ich ’79 nach Berlin gekommen, doch schon nach einem dreiviertel Jahr zogen wir auseinander. Wir sind beide schon öfter umgezogen, er sogar mal in eine andere Stadt. Doch jetzt wohnt er mit Familie im Haus neben mir, große Wohnung, immerhin Balkon. Aber trotzdem: angesichts seines Spitzenjobs, Manager in einem mittelständischen Betrieb, frag ich ihn mal wieder, ob er eine Datscha hat oder wenigstens plant, sich eine anzuschaffen. Da ich nun doch nicht aufs Land ziehe, frag‘ ich mich nämlich, wie ich mit meiner Sehnsucht nach Erde und Pflanzen umgehen soll, ohne in die Pampa zu müssen.
„Keine Zeit“, sagt er. Und: „Ich dachte lange, ich brauch ein Landhaus – aber WANN soll ich denn dahin?“ Ganz umziehen käme nicht in Frage, alle Bekannten und Freunde, die ES GEWAGT hätten, seien mittlerweile reuig zurückgekehrt. Oder sie säßen auf völlig unverkäuflichen Häusern und wären todunglücklich. „Tja, der Mitmensch ist halt das Problem auf dem Land“, sag ich und er nickt. „Die Kittelschürze von nebenan“, grinst er, dann muß er sich wieder den Kids widmen.
Es ist wahr: alle Landmenschen, die ich kenne, sind damit beschäftigt, Konflikte mit ihren Nachbarn auszutragen. Man kann dem offenbar nicht entgehen, denn selbst wer „garnichts tut“, ist in einem Dorf schon gleich angeeckt. Und wer etwas tut, z.B. Hühner halten, einen Gartenzaun aufrichten oder was auch immer, hat mit denen zu kämpfen, denen er damit ins Gehege kommt – und sei es nur das Gehege ihrer festgefügten Vorstellungen.
In der Anonymität der Stadt leiden zwar viele unter Einsamkeit und Isolation – aber ich vermute, vier Wochen in einem kleinen Dorf (als Anwohner, nicht als Tourist!) würden genügen, um die heftige Sehsucht zu wecken, endlich wieder übersehen, ignoriert, von niemandem auf der Straße gekannt zu werden.
Diesem Blog per E-Mail folgen…