Fast ein Jahr nach meinem Umzug nach Gottesgabe ist es mir heute endlich gelungen, mein Auto umzumelden. Dauernd hatte ich es vor mir hergeschoben, die Zulassungsstelle war mittlerweile in eine entferntere Stadt gezogen, bei der alten Behörde hatte ich mal einen Blick ins Wartezimmer getan und mich mit Grausen abgewendet – wie ich doch diesen ganzen Behörden- und Papierkram hasse!
Heute ist es dann ganz easy abgelaufen, eine spitzenmäßig durchrationalisierte Behörde in einem locker-luftigen Neubau: Kaum Wartezeit, nach einer Viertelstunde war ich dran – Papiere abgeben, Schilder drucken lassen, zahlen, fertig, Wunsch-Kennzeichen inklusive. Nun wartet nur noch die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung, mit der ich schon einige Tage in Verzug bin, trotz „Dauerfristverlängerung“, ein paar Rechnungen liegen hier herum, und dann droht noch der ganz große Aufriß: die Steuer ’99!
Wenn meine Abo-Zeitungen und Magazine kommen, fasse ich sie immer erst am Rücken an und schüttle sie über dem Mülleimer, um die eingelegte Werbung loszuwerden. Die fürsorglichen Schreiben der Banken und anderer Dienstleister, die mich daran erinnern, was ich noch alles brauchen und dabei sparen könnte, landen sofort im Müll. Den Fehler, ab und an bei einem Öko-Versand Klamotten bestellt zu haben, bedauere ich mittlerweile sehr: Ständig bekomme ich nun Kataloge und jahreszeitliche Angebote von mindestens zehn Versendern, der Horror. Die sinnlose Verschleuderung von Ressourcen, das Hochglanzpapier, die tollen Farben, die ganze Personalisierung („Ein Geschenk für Sie, Frau Klinger!“), dieses ganze widerwärtige Belästigtwerden mit aufgedrängten Kauf- oder Nichtkauf-Entscheidungen widert mich an. Nicht weil ich ‚was gegen die Wirtschaft hätte, sondern weil es meine Zeit und Aufmerksamkeit auffrißt, selbst wenn ich alles ignoriere, vernichte, ungelesen entsorge und mit der Löschtaste ins Nirvana schicke, raubt mir dieser ganze Krempel doch ein Stück Lebenszeit – und ich seh‘ es nicht ein!!!
Vielleicht sollte ich nur noch per Fax bestellen, alle Eingabe-Masken konsequent ignorieren und dazu schreiben: „Diese Bestellung gilt nur unter der Bedingung, dass Sie mich nicht in Ihre Datenbank aufnehmen, bzw. mit der Zusendung jeglicher weiterer Angebote verschonen! Sollten Sie sich nicht daran halten, gilt ein Stundensatz von 150 Euro für die Aussortierung und Entsorgung Ihrer Materialien als vereinbart.“
Angenommen, ich kaufe mir doch mal ein paar Aktien: ich würde ab sofort Aktionärsbriefe, Gewinnwarnungen, Adhoc-Meldungen und wer weiß noch was alles bekommen – und wieder ist ein Stück Lebenszeit weg, gefressen vom „Organisatorischen“, das doch eigentlich dafür da ist, das „angenehme Leben“ zu ermöglichen und nicht zu ersetzen.
Wenn ich mit Leuten rede oder beiläufig ihren Gesprächen zuhöre, geht es meist um solche Dinge: Geldmanagement, Behördenkram, Nicht-Funktionieren von Geräten und der Kampf um ihr Wieder-Funktionieren – noch nackt in der Sauna, bei 75 Grad schweigen einige nicht (was dort Etikette ist!), sondern berichten von den neuesten Problemen mit der 60- oder 65%igen Anerkennung als Schwerbehinderter oder vom Ärger mit den fehlenden Treibern für Windows2000.
Mein liebster Freund schaut manchmal erwartungsvoll aus dem Fenster, wenn das Wetter mal wieder ganz ungewöhnliche Kapriolen schlägt: er hofft auf den finalen Orkan, der die technische Zivilisation in Trümmer legt – naja, nicht ganz so ernsthaft, aber es ist definitiv ein vorhandenes Gefühl. Ich kann das gut verstehen, aber ich wünsche es mir nicht. Und zwar nicht nur wegen all dem Elend, das dann hereinbrechen würde, sondern weil ich mir denke, daß sich gar nichts ändern würde: So schnell wie möglich würde die ganze Megamaschine wieder aufgebaut, perfekter als je zuvor.
Wir wissen halt nichts mit uns anzufangen auf dieser schönen Welt.
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