Claudia am 26. Juli 2000 —

Pausenfüller

Gestern ist es spät geworden. Bin auf SAT 3 hängen geblieben, wo der alte, aber immer noch beeindruckende Film Dune – der Wüstenplanet gezeigt wurde. Erstaunlich, was so an Ausstattung und Effekten ganz ohne Computer veranstaltet wurde! Aus dem zeitlichen Abstand sieht man auch Einflüsse: von der eigentümlichen Ästhetik (eher mittelalterlich als futuristisch, viel Mechanik, witzige „Uralt-Technik“) sind die berühmten Spiele ‚Myst‘ und ‚Riven‘ ganz sicher beeinflusst worden. Der größte Unterschied zu heute: Die Langsamkeit, alles hat unendlich Zeit – man könnte den Film ohne Handlungsverluste auf heutige Sehgewohnheiten neu zusammenschneiden und so das Fast-drei-Stunden-Epos auf übliche Länge bringen.

Zum Einschlafen dann noch E. M. Cioran gelesen, die Lehre vom Zerfall: „Über das Weltall diskutiert man nicht, man verleiht ihm Ausdruck“. Der Ausdruck, den Cioran dem All verliehen hat, ist mit nichts und niemand anderem zu vergleichen, eine Orgie des Negativen, aber geistvoll, amüsant, und – sofern man sich gerade in irgendwelchen Problemen aufhält – unglaublich entspannend. Alles ertrinkt im Nichts, in der Sinnlosigkeit – aber mit Stil. „Ich glaube an das Heil der Menschheit, an die Zukunft des Zyankali!“.

Mir scheint, heute will sich kein Thema aufdrängen. Wer dennoch irgend etwas schreiben muß, beginnt dann, von anderen Medien zu erzählen, Geschichten vom Input, um den Output nicht ins Stocken zu bringen. Warum halte ich daran fest, dennoch zu schreiben? Immerhin wartet eine ganze Latte mehr oder weniger sinn- und lustvoller Tätigkeiten auf mich – oder doch nicht? Tja, über den SINN nachzudenken, hab‘ ich eigentlich aufgegeben, zugunsten einer kleinen Ausschlußliste: alles, was nicht gewaltätig, rechts/linksradikal, sexistisch oder rassistisch ist, ist ok, ist machbar. Die Frage nach dem Sinn ist eine falsche Frage, denn sie nimmt Bezug auf etwas Absolutes – unser Leben findet jedoch NICHT im Absoluten statt, egal, was wir uns da zusammendenken mögen. Und was die LUST angeht, so ist sie alles mögliche, aber sicher kein Ersatz für Sinn.

Woher, wohin, wozu? Wer bin ich? Mir scheint, das Diary-Schreiben ist eine pragmatische Abwicklung dieser alten Fragen. Es wäre Wahnsinn, eine der Fragen zu beantworten, man würde aufhören, Mensch zu sein. Jede qualitative Antwort auf „Wer bin ich?“ wäre zum Beispiel eine Einschränkung, ein Gefängnis. Man müßte darauf achten, heute noch das zu sein, was man gestern behauptet hat: Jeder Moment in der Gefahr eines Identitätsverlustes, du lieber Himmel! Also bietet sich eine quantitative Lösung an: Ich bin die, die zuverlässig an 6 Tagen der Woche etwas in dieses Diary schreibt. :-) Und wie ich an den Zugriffen gemerkt habe, ist es genau die Regelmäßigkeit, die auch anderen etwas bringt, nicht so sehr die jeweiligen Inhalte. Mal vormittags während der Arbeit einen Break einlegen und gucken, was Klinger schreibt – kurz genug ist es ja, ein Pausenfüller eben.

Früher hätte ich es empört von mir gewiesen, ein Pausenfüller zu sein, schließlich wollte ich die Welt retten, oder zumindest einen merklichen Beitrag dazu leisten. Welch ein Glück, davon weg zu sein und statt dessen die PAUSE zu zelebrieren: die Lücke, die Leere, den Moment zwischen Diesem & Jenem, in dem die einzige Freiheit ist, die ich kenne.

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