Oft wundere ich mich, wenn ich sehe, wie manche Menschen sich mit den Inhalten ihrer Website viel Mühe geben, aber offensichtlich kein Gefühl für Optik und Lese-Ergonomie aufbringen. Ich weiss einfach nicht, was dahinter steht: Spüren sie es nicht, wenn die Augen schmerzen, weil eine Hintergrundgrafik das Lesen fast verunmöglicht? Merken sie nicht, das z.B. Knallgrün auf Schwarz ganz fetzig aussieht, aber keiner auf diese Art ein paar Seiten Text lesen will? Fühlen sie nicht die Enge, wenn zwischen Bildern und Texten keinerlei Abstand bleibt? Oder die Belästigung und Anstrengung, wenn der Text einfach endlos lange so herunterläuft, womöglich in GANZER Bildschirmbreite, noch dazu ohne Absätze oder sonstige Stützen (Zwischenüberschriften, Eye-Catcher etc.) für’s Auge??
Auch lange Ladezeiten scheinen viele nicht zu schrecken: für ein hübsch animiertes Gif wird dem Besucher eine Wartezeit zugemutet, die nach allem, was wir über Surf-Verhalten wissen, in 95% der Fälle zum Weiterklicken verführt – weg ist er, der ursprünglich mal geneigte Leser, und er kommt nicht wieder! Von weiteren Überlegungen, wie zum Beispiel einer sinnvollen und jederzeit erreichbaren Navigation will ich garnicht erst anfangen, auch nicht von der Site-Map, oder dem Index aller vorhandenen Inhalte – geschenkt, das ist „Fortgeschrittenen-Wissen“, das von Anfängern nicht automatisch erwartet werden kann. Aber dass sie beim Blick auf ihr fertiges Werk offensichtlich nicht wahrnehmen, was sie dem Leser zumuten, wundert mich schon!
Wie kommt das? Naheliegend wäre der Gedanke: Sie können es einfach nicht, das KnowHow fehlt. Doch nein, ich glaub‘ das nicht! Um eine oder mehrere Webseiten ansprechend zu gestalten, bedarf es nur eines Minimums an HTML-Kenntnissen: Tabellen, um die Textbreiten zu begrenzen, Absatz- und Umbruchzeichen für den nötigen Leerraum, das Image-TAG für das Setzen von Bildern (einschliesslich der Angaben für horizontale und vertikale Abstände um das Bild), schließlich Fett-Setzungen und Überschriften – das war’s schon! Wer es ganz gut mit dem Leser meint, vergrößert mittels eines Style-Sheets (wie auf dieser Seite zum Beispiel) noch den Zeilenabstand und lernt das FONT-Tag kennen, mit dem sich Schriften wählen, Größen und Farben einstellen lassen.
Ist das wirklich zu viel verlangt? Noch heute kann man mit geringstem Zeit- und Lernaufwand das nötige Wissen aus dem übersichtlichen Dokument Selfhtml – HTML-Dateien selbst erstellen von Stefan Münz herausziehen, man braucht keinen Kurs machen, kein teures Buch kaufen und auch keine Dinge lernen, die man gerade nicht benötigt. Für erste einfache Seiten braucht es noch nicht mal einen speziellen Web-Editor, die Dateien lassen sich in jedem x-beliebigen Text-Editor erstellen (für den Anfang ist das sogar empfehlenswert, da bekommt man nämlich mit, was eigentlich passiert). Woran also hängt’s?
Vermutlich gibt es äußere und innere Ursachen. Ich neige dazu, die inneren Ursachen an die erste Stelle zu setzen: Eine gewisse Egozentrik läßt viele Anfänger glauben, dass ihr Thema SO INTERESSANT ist, dass man als Leser selbst schrecklichste Gestaltungen in Kauf zu nehmen bereit sein wird, um in den Genuß der Inhalte zu kommen. Nach dem Motto: Nur innere Werte zählen, wer sich für Optik interessiert, soll doch wegbleiben und Klickibunti-Seiten aufsuchen!
Ja, da bleibe ich dann halt weg – auch WENN mich die Inhalte durchaus interessieren. Ich würde mir auch kein Buch kaufen, das gegen alle Regeln des Schriftsatzes verstösst und keine Fernsehsendung ansehen, wenn die Bilder unscharf sind oder der Ton kaum zu verstehen ist. Im Web kommt noch etwas dazu: ‚Hinter‘ den Seiten steht ein ansprechbarer Mensch, der sowohl die Inhalte als auch die Präsentationsform SELBER verantwortet. Wenn der Autor mir von vorne herein Unannehmlichkeiten zumutet, begreife ich das als unfreundlichen Akt (genau wie eine Knoblauchfahne abschreckend wirkt, wenn ich mich z.B. mit jemandem treffe, den ich noch nicht kenne). Zumindest denke ich: Hat der Site-Verfasser denn überhaupt kein Gefühl für Form und Gestalt, kein FEELING für das, was er mir hier einbrockt?
Na gut, bzw. schlecht. Nun seien der Vollständigkeit halber die äußeren Bedingungen erwähnt, die vielleicht manchen ein bißchen entschuldigen können: In den Medien wird Webdesign heute als hohe Kunst von Fachleuten vermittelt, viele Sites sind derart komplex und nutzen so vielfältige Technologien, dass Einsteiger gar nicht auf die Idee kommen, sie könnten da „einfach so“ mithalten. Das stimmt, gilt aber nicht für eher schlichte Seiten: die meisten privaten Homepages brauchen keine fortgeschrittenen Code-Künste, ein paar Basics (s.o.) reichen für den Anfang. Trotzdem muss man da ja erst mal drauf kommen, und das war 1996/97 sehr viel leichter, als praktisch ALLE Webseiten recht einfach waren und aus ihrem Quellcode alles nötige (und NICHT noch dies und jenes andere!) zu entnehmen, bzw. zu lernen war.
Die Rede vom „Webseiten programmieren“ schreckt auch viele ab und erweckt den Eindruck, Webseiten bauen funktioniere für „Unbedarfte“ nur mit den mittlerweile massenhaft angebotenen WYSIWYG-Editoren und Homepage-Baukästen. Mit so einem Tool hat man zwar „schnellen Erfolg“, doch ist es mühevoll bis unmöglich, ohne Grundkenntnisse die Seite zu optimieren: Wenn das Programm z.B. nicht von sich aus Abstände um die Bilder setzt (=das Image-Tag entsprechend nutzt), dann ist der User aufgeschmissen und muss mit der Scheiss-Optik leben oder es lassen. Fortgeschrittene empfinden es dagegen als Zumutung, vom Programm solche Details „automatisch“ erledigt zu bekommen, sie suchen den „Ausschaltknopf“ derartiger Eigendynamiken, bzw. nutzen solche Programme gar nicht erst.
Fazit: auch im Jahr 2000 sind Basic-Kenntnisse in HTML für alle unverzichtbar, die es mit dem Web ernst meinen, auch und gerade für Anfänger!
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