„…Widerstand ist zwecklos!“ Am Samstagabend lief auf SAT 1 mal wieder das opulente Sci-Fi-Movie „First Contact“, angereichert mit sage und schreibe 5 Werbeblöcken. Der Film hatte mich schon 1996 im Kino begeistert: Wie immer bei Star Treck bietet sich neben der spannenden Geschichte und beeindruckender Optik auch ein bisschen Philosophie, Geist, Ethik – man merkt, dass Hollywood doch nicht gänzlich aus hirnlosen Idioten besteht, die nur immer neue Glibbermonster, blutige Gewalt-Orgien und noch größere Explosionen perfekt in Szene setzen können. In den Rezensionen werden diese Aspekte oft ausgelassen – man könnte ja das Publikum verschrecken, oder aber der Schreiber selbst findet die Special Effects und die „In-Jokes“ ungleich wichtiger.
Gegner der Menschen sind in „First Contact“ die Borg; durchaus menschenähnliche Kombinationen aus biologischen und sythentischen Elementen (=Cyborgs voller technischer Implantate), die wie ein Ameisenstaat organisiert sind und von einer Borg-Queen gelenkt werden. Ein Kollektivbewußtsein, das sich allein in dieser ‚Führungsfigur‘ vordergründig als Individuum zeigt, und das alles, was ihm in den Weg tritt, „assimiliert“, also zu bewusstlosen eigenen Zellen macht, wobei die Eigenschaften und Fähigkeiten des Fremden dem Pool des Kollektivs zuwachsen.
Data, der Androide, der nichts sehnlicher wünscht als immer menschlicher zu werden, gerät in die Fänge der Borg-Lady, die allerdings Gefallen an ihm findet und ihn nicht nur einfach „assimilieren“, sondern VERFÜHREN will. Data scheint zu allen Schandtaten bereit („Ich bin voll funktionsfähig, programmiert auf multiple Techniken.“), denn die fortgeschrittenen Technologien der Borg erlauben es, ihn mit menschlichem Fleisch und empfindungsfähiger Haut zu versehen. Das Ziel seiner Wünsche gerät in Sicht.
WERBEPAUSE – ein Mann sitzt bei den Tauben auf dem Markusplatz in Venedig. Das Headset verdeckt ein Auge, vor dem Mund schwebt das Mikro. Der Mann lacht verzückt, macht einen kleinen Luftsprung und schreit „kaufen, kaufen!“. Die Tauben flattern erschreckt in die Höhe, doch unser Mann hat keinen Blick für sie, denn der weilt (einerseits) glasig in der Ferne, andrerseits per Cyberbrille auf irgend einem Börsenparkett der Welt, bzw. in den Seiten eines Online-Brokers. Immer wieder ruft er begeistert „KAUFEN! KAUFEN!“, tobt herum, die Tauben flattern – aus dem Off spricht ein männlicher Bariton begeistert von Möglichkeiten, von Zukunft, und dass wir bald alle so sein werden wie der da auf der Bank.
Will ich das?
„Widerstand ist zwecklos“, sagen die Borg zu allen noch nicht cyborgisierten Existenzen, diesen armen zurückgebliebenen Kreaturen, die noch hoffnungslos im Fleisch leben, allenfalls auf sehr äußerliche Weise von der Technik Gebrauch machend. Vielleicht haben sie recht und kollektiv und historisch gibt es tatsächlich kein Entrinnen. Schließlich ist es diesseits der Filmwelten kein außerirdischer Anderer, der uns vergewaltigt, sondern wir selbst sind es, deren eigener Drang nach Macht und Bequemlichkeit, nach schneller, höher, weiter, MEHR, in ein Cyborg-Dasein führt, das kein HIER mehr kennt, weil man immer gleichzeitig dort, in einem technisch vermittelten Überall weilt.
An diesem Wochenende war ich zwei ganze Tage offline: Kein Blick ins Web, kein Surfen und kein mailen, ja, ich hab‘ das Gerät völlig AUSGESCHALTET gelassen (normalerweise ist mein erster Griff nach dem Aufstehen nicht der nach der Zahnbürste, sondern der nach dem Einschaltknopf – schliesslich dauert das Hochfahren seine Zeit…). Ich komme mir vor wie nach einem Kurzurlaub. Fast die ganze Zeit draußen gewesen, immer ruhiger und wacher geworden, immer vielfältiger den Körper gespürt – und immer verrückter kam mir die real existierende Cyborg-Welt vor, dieses allgemeine „den Medien zugewendet-vor-sich-hinschlafen“, das die Dörfer völlig tot und die Städte zu Event-Kulissen macht. Events, bei denen wieder gemeinsam Medien konsumiert werden, was denn sonst? Alle wollen „dort“ und nicht hier sein, in den Welten des (am besten multimedial) Symbolisierten. Und so wird das HIER immer unwichtiger, unlebendiger, leerer – arme Unbedarfte, die da noch gefangen sind und drin ‚rumrobben müssen, weil sie keinen ANSCHLUSS haben!
Wenn ich so weiter mache, werd‘ ich noch zur Dissidentin. Was mich wirklich wundern würde, denn ich bin ja im Prinzip jeden Tag zu allem bereit, immer wieder versucht, das „Angebot der Borg“ anzunehmen. Was in meinem – im menschlichen – Falle bedeutet, immer maschinenhafter, synthetischer, zeit- und raumloser, logischer und abstrakter zu werden. Auch Data, der Androide, war versucht, das Angebot anzunehmen: ganze 0,68 Sekunden lang. Dass er es dann ausschlug, machte ihn menschlicher als Haut und Fleisch es je vermocht hätten.
Ich kann nicht von mir behaupten, etwas mit dieser Klarheit auszuschlagen. Schon so viele Jahre bin ich „drin“, nicht erst seit den Zeiten des Netzes. Ich kenne keine Alternative, die man wirklich leben könnte und meistens wollte ich das auch gar nicht.
Mal sehen, wie es weiter geht, wenn ich abschalte – nicht immer, aber immer öfter.
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