Vielleicht sollte ich aufhören, Zeitungen zu lesen. Nicht Internet-World, da kann man was Nützliches lernen, aber zum Beispiel DIE ZEIT und alles, was die Anmutung verbreitet, von einem großen WIR zu erzählen. Das große WIR existiert natürlich nicht, es wird durch das „Reden über“ Unvereinbarkeiten, unterschiedliche Meinungen, Interessen, Tabus und deren Verletzungen konstruiert. Hoeullebec fordert, die Alten zu töten, um den Tod unsichtbar zu machen, und sagt gleich dazu, dass er ja alles sagen darf, weil er in Mode ist. Madonna kann sich als letzte „modellbildende“ Pop-Ikone erlauben, eine CD einfach „Music“ zu nennen, Glückwunsch. Das neueste Retortenbaby soll dem kranken Bruder Knochenmark spenden – darf es das? Ein Bürgerrecht auf billiges Bezin gibt es – natürlich! – nicht und Shakespeare ist immer noch ein Thema, trotz Zlatko. Allerlei Leute müssen hier oder dort abtreten, andere erscheinen im Rampenlicht und erklimmen die Schleudersitze. Alles geht seinen Gang, von Woche zu Woche, und irgendwie werde ich von alledem nicht mehr angeregt, sondern müde. Unendlich müde.
Einen Fernseher hab‘ ich nun doch nicht gekauft. Manchmal hat mein Lebensgefährte keine Lust auf TV, ich aber schon – so alle paar Wochen mal, deshalb die Idee, mir selber eine Kiste hinzustellen, schließlich strebt der Mensch nach Unabhängigkeit und Freiheit! Doch der Blick auf’s Programm eines einzigen Abends reicht völlig aus, um von dem Medium verschont bleiben zu wollen. Und wieder ist eine Konsum-Idee am Überdruss gescheitert – wo soll das noch enden?
GUTE Bücher? Literatur? Vor ein paar Monaten hab‘ ich mal die Lesungen und Diskussionen zur Vergabe des Ingeborg-Bachmann-Preises verfolgt und fand das ganz nett, geistvoll, anregend! Also nicht gezögert, mir zwei ECHT LITERARISCHE Bücher von Georg Klein und Susanne Riedel gekauft – angelesen, die hohe Kunst bewundert, weggelegt und nie mehr wieder geöffnet.
Musik? Trotz verschiedener Versuche, allerlei zeitgenössische Musikstile kennen zu lernen, kommt mir praktisch nie der Gedanke, die Stille mit Tönen füllen zu wollen. Was immer ich mir anhöre, empfinde ich als emotionale Vergewaltigung. Gerade der Aspekt, den man normalerweise an Musik schätzt, die Beeinflussung und Veränderung der Gefühle, wie sie gerade sind, geht mir auf die Nerven.
Um das ganze Ausmaß meiner Medienverdrossenheit klar zu machen, sei der Vollständigkeit halber erwähnt, daß ich auch Mailinglisten kaum mehr mitlese: die üblichen Hahnenkämpfe, das Off-Topic-Gequatsche und Herumwitzeln, die immer wiederkehrenden Themen (richtig zitieren! Falscher Footer! Keine Attachements!) werfen die Frage auf, ob es die richtige Entscheidung ist, echte Lebenszeit dafür zu opfern – und immer öfter entscheide ich mich dagegen. Angesichts einer webdesignerischen Streitfrage riet mir neulich ein Freund, die Diskussion dazu in der I-Worker-Liste nachzulesen. Ich wollte gerade schon einfrig in die Mailbox gucken, da ist mir noch rechtzeitig aufgefallen, dass er praktisch deshalb so DAGEGEN war, weil er DORT bestimmte Streitigkeiten mitverfolgt hat: Man gerät dann „automatisch“ in Positionen, die garnicht von der Sache oder vom Erleben her, sondern von den Leuten und den eigenen Symphatien und Antipathien bestimmt sind. Also lieber nicht…
Was ist nur mit mir los? Ich werde inkompatibel und fühl‘ mich auch noch WOHL dabei! Soll ich mir eine Einsiedelei in irgendeiner Abgeschiedenheit suchen? Aber wie dann die Zeit ‚rumbringen und meine Brötchen verdienen? Die Arbeit macht mir immerhin noch Spaß, deshalb hör‘ ich jetzt auch besser auf. Das ist allemal besser, als zu theoretisieren, immer alles in ein SYSTEM einzupassen, zu grübeln, stets nach der RICHTIGKEIT in dem zu suchen, was einem gerade SO und nicht anders begegnet – morgen kann es wieder anders aussehen, dann war das alles umsonst. :-)
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