Fernsehen macht träge und dumm. Gestern geisterte so eine „wissenschaftliche“ Untersuchung durch die Medien, in der mit aller Banalität festgestellt wurde, dass längeres Sitzen vor der Glotze aufgrund des Bewegungsmangels zu Trägheit und Fettleibigkeit führt – wie das „dumm“ begründet wurde, daran erinnere ich mich nicht, bzw. nur ganz dunkel: TV-Gucker lesen weniger – oder so…
Im Selbstversuch während eines langen Fernsehabends, der mir gottlob nur selten zustößt, stelle ich weit Schlimmeres fest: Fernsehen erzeugt Menschenverachtung. Aus der Art der Darstellung, aus diesem ganzen skandalisierenden und emotionalisierenden Getöse, das aus jedem Furz eine Katastrophe, aus jedem Nebensatz einen Streit macht, bildet man sich nämlich so nebenher seine Meinung über die „Zielgruppe“. Wenn all dieser Mist so und nicht anders produziert wird, damit die Quote stimmt, dann müssen ja die Menschen, die das alles SO sehen wollen, richtige Idioten sein. Nicht nur dumm und träge, sondern unsensible Debile, die mittels heftigster Reize (Angst, Ehrgeiz, Sex) und schlichtester Herz-Schmerz-Margarine-Harmonie auf ihre Couch genagelt werden müssen, damit sie nicht nach draussen gehen und irgendwelchen Unsinn anstellen. Wie ein schleichendes Gift breitet sich dieser Eindruck aus, verstärkt sich von Werbeblock zu Werbeblock, bekommt weitere Nahrung durch die Moderatoren-Grinsmasken, denen sichtlich der Schweiß ausbricht, wenn mal jemand etwas sagt, was nicht LUSTIG oder INTERESSANT, sondern kritisch, traurig oder nachdenklich ist.
So z.B. gestern im Spiegel-Themenabend: Kann das Mammut geklont werden? Über fast drei Stunden zieht sich die durch 4 bis 5 lange Werbeblöcke unterbrochene Dokumentation vom Herausmeiseln des Mammuts aus dem sibirischen Permafrost. Danach die Diskussion mit Wissenschaftlern, in der – immerhin – auch die Frage gestellt wird: SOLLTE das Mammut geklont werden? Doch als die Forscher und Ausgräber die Frage mit einem klaren NEIN beantworten, weil das Mammut heute keinen Lebensraum mehr hätte und sogar hinzufügen, daß man sich besser darum kümmern sollte, heutige Arten zu erhalten, die täglich vom Menschen ausgerottet werden – da lenkt sie eiligst ab, die arme Infotainment-Verantwortliche und beginnt, von etwas anderem zu faseln: Nur nicht dem Publikum etwas zumuten, was die STIMMUNG verderben könnte!
Das Publikum ist nun nicht etwa GEGEN das Schreckliche, oh nein! Es muß nur im richtigen FORMAT dargeboten werden, Schnitt, Vorankündigung, O-Ton: „Erdbeben, Vulkane, Überschwemmungen, Feuersbrünste – VOX am Freitag = 100% Katastrophe!“
Der Blick ins TV vermittelt den Eindruck eines monströsen Kindergartens, in dem körperlich Erwachsene in bunten Kleidern Süßigkeiten mampfen und eine Riege Animateure alle Register zieht, damit keiner quengelt, sondern alle gebannt dem glitzernden Schauspiel der Zauberer zusehen. Die springen auf und nieder und werfen leuchtende Bälle in die Luft bis sie mit Rummmms-Krach-Wummmmmmmmmmm explodieren, AHHHHHHH! Und dann wallern wir uns noch einen, heulen, jammern, schluchzen, soviel Tote, Ertrunkene, im Hochwasser watende Obdachlose, im Berg Verschüttete, ach je, was für ein elendiges Elend, das fühlt sich so warm und wohlig an im Bauch auf der Couch. Und dann die Werbepause, nicht die Schokolade, die Cracker und das Bier vergessen, schnell noch ein Blick auf die dicken Autos, wie sie auf leerer Straße durch unberührte Landschaft brausen, so schööön! Und MACHT haben wir auch, keine Frage, wir ordern Aktien ONLINE, Allianz passt auf uns auf, wir haben die Zukunft fest gebucht. Es liegt in unserer Natur, ein Haus zu bauen, Miete zahlen nicht.
Niemand hat mich gezwungen, mir das anzutun. Und ich sage mir: Die anderen sind auch nicht schlimmer als ich, das wirkt alles nur so, wenn man vom Programm auf die Leute schließt, die es ansehen. Schließlich gucke ich auch gelegentlich einen Katastrophenfilm und habe mich für das Mammut interessiert. Bin ich deshalb so, wie ich mir „die Zielgruppe“ vorstelle?
Vielleicht, ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich jetzt: Ich werde mir KEINE eigene Glotze hinstellen.
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