Derzeit kann ich es kaum mehr ertragen, das Radio anzuschalten. Erst wochenlang „Leitkultur“, eine lächerlich aufgeregte Debatte um ein Wort und seinen möglichen oder vielleicht doch nicht möglichen, seinen so oder vielleicht doch anders gemeinten Inhalt. Grauslig!
Gegenseitige Unterstellungen, geheuchelte Empörungen, staatsmännisches Getue, Bitten um Besonnenheit – das ganze Arsenal widerlichen Politikerverhaltens, das mir eigentlich nur noch eine Chance läßt: den Ausschaltknopf. Und dann nicht etwa eine Rückkehr zu richtigen Themen, nein, sondern gleich anschliessend das Klimt-Drama, das die Sache noch um ein Vielfaches an Ekligkeit übertrifft! Nicht, dass mir Klimt besonders symphatisch oder haltenswert erschienen wäre, nein, ich lehne ihn ab, weil er das Land mit immer mehr Auto-Straßen zubetonieren wollte und Alternativen vernachlässigt. Aber die Art und Weise, wie er jetzt zum Rücktritt bewegt wurde, ist genau der Stoff, aus dem meine Politikverdrossenheit entsteht, und wächst und wächst und wächst…
Kein Mensch kann mir nämlich weiss machen, dass auch nur einer der Beteiligten und Kommentatoren, der Gegner und Verteidiger im „Klimt-Skandal“, das inkriminierte Verhalten in der Klimtschen Fußballverein-Vergangenheit als echten Fehltritt bewertet. Da hat einer mitunterschrieben, was Juristen vorbereitet hatten, wer tut das nicht? In jedem Fall ist die Sache einige Zeit her, hat nichts mit Klimts aktuellem Ministeramt zu tun und ist juristisch nicht entschieden. Unschuldsvermutung, wo bist du? Einen Dreck wert in dieser Medienwelt, in der alle von morgens bis abends in die Mikrophone schwätzen und sich dann anschließend vor der Wortwolke fürchten, die sie selber angerichtet haben („Der Druck war unaushaltbar“). Wie peinlich, dieser ganze Verlauf! Dann stehen sie da, gucken besorgt in die Kamera und verbreiten sich darüber, dass „sonst vielleicht der Kanzler beschädigt“ worden wäre – ja wodurch denn? Wie denn? Was hätte er denn verbrochen?
Ich wünsche mir Politiker, die echte Themen bearbeiten, die sich allem skandalisierungswilligen „Druck“ der Medien schlicht widersetzen. Wie? Ganz einfach: zum Beispiel morgens um halb sechs mal KEINE Interviews in dritten und vierten Programmen geben, schließlich brauchen Politiker einen gesunden Schlaf bei dem schweren Amt, oder etwa nicht? Schön wären auch Leute, die sich Personaldebatten völlig entziehen und jede Gelegenheit wahrnehmen, ihre Sachthemen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, die Widerstände zu benennen, die z.B. verschiedenen Reformvorhaben entgegen stehen – DAS will ich hören und nicht ständig so einen Scheiss!
Vor allem wünsche ich mir Volksvertreter, die eisern bei dem bleiben, was sie mal als wahr erkannt haben, selbst wenn sie an die Regierung kommen. Zum Beispiel, dass die Renten deutlich sinken müssen, es also angesagt ist, damit sofort anzufangen und nicht wieder in Angst vor den Greisen der Republik zu erstarren und die Sache auf „nach den Wahlen“ zu vertagen. Ich wünsche mir Figuren in diesem Theater, die soviel Charakter aufbringen, nicht dem heutigen Gegner Dinge vorzuwerfen, die man selber gestern noch gefordert hat. Und Leute, die sich nicht scheuen, dem Volk die Wahrheit zu sagen, anstatt mit der Gier und Bequemlichkeit der Regierten zu paktieren – es ist doch z.B. offenkundig, dass es mit der Medizin so nicht weiter geht, dass das „solidarisch“ über Kasse bezahlte nur noch eine Grundversorgung, also RATIONIERTE LEISTUNGEN gewährleisten kann. Warum also dauernd dieses Leugnen und Drumrumreden? Wird es dadurch besser? Nein, sondern die Patienten erleben die Realität dann eben in der Praxis der Ärzte, sind dort „allein gelassen“, und nur die Informierten und Schlagkräftigen setzen innerhalb der Mauern der Heuchelei ganz gut ihre konkreten Interessen durch.
Ich komme vom Hundertsten zum Tausendsten… genug, warum regt mich das alles eigentlich auf? Über den Zustand der Welt zu lamentieren, den man doch nicht ändern kann, ist eine idiotische Beschäftigung.
Jetzt sofort höre ich damit auf und bedauere den Fehltritt!
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