Gut, das neue Mailprog funktioniert jetzt. Es ist sogar ausgesprochen toll, doch nach Lobgesängen steht mir derzeit nicht der Sinn (kommt, liebe Bat-Community, versprochen!). Eher drängt es mich, die gesamte technische Welt in die Tonne zu treten, einschließlich sämtlicher Behörden, Verwaltungsapparate, Schweinemast-Fabriken, Server-Architekturen und Shopping-Malls.
Den ganzen Tag über bin ich an Fehlfunktionen von irgend etwas gescheitert, bei fast jeder einzelnen Aktivität. Zeitfressende Fehlerbehebung, natürlich mit Wartepausen, die ich wieder mit anderem lästigem Kleinkram fülle, bis es auch dort wieder heisst „Online-Banking derzeit nicht möglich“, oder „Mail delivery failed: returning message to sender“. Dazu mischen sich auch noch Behörden ein und chaotisieren mein Leben, so gut sie können. Schreibt mir doch das Finanzamt, sie hätten mal eben zuviel gezahlte Mehrwertsteuer hilfreich auf nicht punktgenau bezahlte KfZ-Steuer umgebucht. Mittlerweile hatte ich sie aber bezahlt, jetzt also schon zweimal. Ich schreibe einen Widerspruch, doch der läßt sich nicht faxen, zwar geben Behörden schon mal Fax-Nummern an, doch funktionieren die in der Regel nicht. Also: ausdrucken, Umschlag suchen, frankieren, ab zur Schneckenpost! Entnervt komme ich vom Briefkasten zurück und finde einen Brief der Künstlersozialkasse, die meinen Beitrag erhöht hat, obwohl sie ihn hätte senken müssen. Neuer Brief, wieder geht das Fax nicht… ich krieg die Krise!
Genug der Einzelheiten, ich könnte seitenlang so weiter schreiben, doch der Unterhaltungswert wäre gering, vom Erkenntnisgewinn ganz zu schweigen. Normalerweise rege ich mich über all das nicht auf, blocke – so richtig brav im Hier & Jetzt – den Ärger gleich beim ersten Aufkommen ab und richte den Blick nach INNEN, wie es so schön heisst: eine Laune halt, oder der äußere Ausdruck eines nagenden Problems, dessen ich mir nicht bewußt werden will. Zur Not das Wetter, ein Tiefdruckgebiet, der Winter, die Dunkelheit, warum nicht auch mal prämenstruelles Syndrom? Zu sagen, dass es einfach ein kaputtes lebensfeindliches SCHWEINESYSTEM ist, kommt mir schon gar nicht mehr in den Sinn. Die Welt ein großer Apparat, in dem alles mit allem ständig neu verschaltet wird und wir immer nur die Stelle zum bequemen Mitfunktionieren suchen. Dass Langeweile z.B. nicht nur eine Chance zur spirituellen Erkenntnis der Nichtigkeit aller Dinge ist, sondern die Folge der Tatsache, dass immer schon alles getan ist; zumindest all das, was man wirklich zum Leben braucht: Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung, Mobilität. Sogar das Singen, Malen, Tanzen und Geschichten erzählen haben wir zugunsten der Unterhaltungsindustrie aufgegeben, unsere Gebäude sind ohne Farbe, genau wie die Geräte und die Büro-Einrichtungen (Kleidung? Anthrazit.).
Immer mehr Menschen verbringen ihre Tage solo vor dem PC, doch nicht, wie es Psychologen und Soziologen gerne sehen wollen, in einem Gefühl der Einsamkeit, keine Rede. Im Gegenteil, man ist schnell erschöpft, wenn man mehr als ein paar Stunden mit Leuten zusammen ist, seien sie auch noch so liebe Freunde. Der niemals endende Kampf mit dem Gerät, mit den unendlichen Möglichkeiten, die per Mausklick zur Verfügung stehen, vermittelt ja bei aller Beschwerlichkeit so ein schönes Gefühl der Autonomie: Ich kann hin- und herschalten, sogar ausschalten, solange ich es noch wage. Mit dem Mitmenschen geht das nicht, das ist das Wunderbare, aber auch das Schreckliche an ihm.
Ein Freund hat mir von der Liebe zum eigenen Kind erzählt, die so ganz anders sei, tiefer und weiter gehe als alle andere Liebe. Ich habe kein Kind, aber ich glaube zu verstehen, was meint. Es ist das, was die Philosophen etwas sperrig „Unverfügbarkeit“ genannt haben: Etwas, über das man keine Macht hat, dem man ausgeliefert ist und dessen absoluter Forderung man – koste es was es wolle – nachkommen will, nachkommen muss, wollen und müssen sind da eins. Und genau deshalb haben immer weniger Menschen Kinder. Weise vorausschauend vermeiden wir zunehmend diesen „Druck“. Schon Hühner (und Hunde) überfordern ja das heutige geschäftige und beschäftigte Individuum: wollen sie doch zum Beispiel bei Morgengrauen raus und zur Abenddämmerung rein in den Stall. Leider verschiebt sich übers Jahr gesehen das Morgengrauen und die Dämmerung ganz gewaltig, mal halb fünf in der Frühe, mal erst um halb neun. Wie sich dem anpassen? Wir leben nicht nach der Tageszeit, sondern im Takt der Maschine: Schulbeginn, Job, Termine, Stau-Zeiten…
Verrückt, mich über all das und noch viel mehr aufzuregen und gleichzeitig zu sehen und zu fühlen, dass ich es selber mit veranstalte. Wer – irgendwo in Afrika zum Beispiel – sich richtig krumm legen muß, um was zu essen auf dem Tisch zu haben, hat an irgend einem Körnerbrei weit mehr Freude und Genuß als ich am Krabbensalat, den ich mir gelegentlich im Supermarkt kaufe. Ja, ich kann den nicht mal ungebrochen genießen, sondern denke beim essen an die viele Mayo, das ganze Fett in gefährlicher Konzentration, die Bundesministerin sollte eigentlich warnen, genau wie auf den Zigarettenschachteln. Trotzdem würde ich keinen Tag auf irgendwelchen Feldern im Wasser stehen wollen und mich von früh bis spät bücken, um Reis zu ernten. Und so ist es mit allem. Ich sehne mich nach einem anderen Dasein, das ich ernsthaft keine paar Stunden wirklich erleben möchte. Ist das nicht verrückt?
Das Kapitel „Selbstveränderungsversuche“ spar ich mir für demnächst.
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