Zwanzig Zentimeter Neuschnee liegen auf der Schloßwiese, der Himmel ist blau, die Sonne lacht – und meine deprimierte Stimmung hat sich glücklicherweise verabschiedet! Endlich schmerzen auch die Füße nicht mehr, die ich auf der Berlinreise für zwei Tage in meine Lieblingsstiefel gezwängt hatte: eigentlich bequeme Treter, doch mit kleinem Absatz. Und tagelang leicht „erhöht“ herumlaufen, wenn man es nicht gewohnt ist, macht das Gehen nach und nach unmöglich. Wie schaffen das eigentlich die Frauen, die sich das lebenslänglich antun? Statt „fit for fun“ sick for beauty?
Unzählige Menschen sind andauernd damit beschäftigt, sich für andere schön, schlank, kompetent, stark, kreativ, flexibel und wasweissichnochalles zu machen. Und nur, weil ich das hier hinschreiben kann, steh‘ ich noch lange nicht drüber. Irgendwie schmerzt es, wenn mir jemand mailt: Du hast mich enttäuscht, weil du das Rauchen wieder angefangen hast. Oder wenn ein Freund sagt: Heute schreibst du SO, und übermorgen ganz das Gegenteil, da muß man ja irre werden, wo bleibt das historische Bewußtsein? Ist Schreiben denn genau dasselbe, wie wenn die Katze sich kratzt, weil sie halt jetzt diesen Impuls verspürt?
Ich weiß es nicht. Was Schreiben ist – für mich und für Andere – finde ich heraus, indem ich es tue. Ein Ende, ein Schluß, eine letzte Erkenntnis ist nicht in Sicht, denn auch die Einsichten wandeln sich: heute schreibe ich, um meine innere Distanz wieder zu finden, ein andermal, weil ich mich über etwas aufrege und gerne hätte, dass meine Leser diese Gefühle teilen – und anderwann bewegt mich vielleicht eine Frage, auf die ich Antwort suche, vor allem aber gerne wüßte, ob ich mich das eigentlich alleine frage… Manchmal will ich auch einfach nur unterhalten, das gibt ein gewisses Sinngefühl, wenn ich schon sonst nichts „Ordentliches“ zustande bringe an diesem Tag.
Es ist sowieso unmöglich, es allen recht zu machen, oder auch nur denen, die man besonders schätzt! Wenn ich meinetwegen gerade besonders stark & kompentent wirke, kritisiert gleich jemand, dass ich mich SELBST, das Wesentliche, das DAO vergesse. Umgekehrt kann ich tagelang herumhängen und philosophieren, handle mir dann aber den Vorwurf ein, dem „richtigen Leben“ auszuweichen. Das Schreiben ist da eine Art Geländer, an dem ich mich festhalte, ohne gleich definieren zu müssen, WORAN ich mich da festhalte.
Sich anstrengen, um „akzeptabel“ zu sein, hat nur dann einen Sinn, wenn man etwas Bestimmtes durchsetzen will. Renate Kühnast zum Beispiel mußte klar machen, daß es in ihrem Fall kein Fehler ist, aus der Stadt zu kommen und noch keinen Stall von innen gesehen zu haben. Hat sie gut gepackt, finde ich! Aber BEVOR sie Ministerin geworden ist, wäre es doch idiotisch gewesen, sich um Akzeptanz bei Bauernverbänden zu bemühen, oder nicht?
Der subtile Stress, sich ständig allem und jedem gegenüber potenziell olympiareif zeigen zu sollen, ist nicht nur eine schreckliche Geißel unserer Zeit, sondern auch kontraproduktiv. Wenn man gerade nichts tun MUSS, bzw. mit irgend etwas fertig ist, hätte man ja Zeit, sich auf sich zu besinnen: Mal gucken, was ICH eigentlich will, was ICH von mir aus schön, angenehm, sinnvoll und lebenswert finde. Statt dessen ist man gehalten, in jeder Lücke, die sich im täglichen Geschäft zeigt, seine „Kompetenzen“ zu erweitern, lebenslang zu lernen, und vor allem einmal erreichte Macht- und Einflußsphären zu halten und zu erweitern. Sind die Afrikaner nicht beneidenswert, die auf sowas scheissen und statt dessen gern zu jeder Gelegenheit singen, tanzen und trommeln?
Putzen macht glücklich, hat jetzt die Wissenschaft festgestellt, so schreibt die Schweriner Zeitung. Wer seine Bude aufräumt, ordnet gleichzeitig sein eigenes inneres Chaos. Das weiß ich schon lang, mach‘ es aber zu selten, immer wieder lasse ich die Dünen voller Papiere und Briefe anwachsen, die Magazinstapel und Bücherreihen elend auswuchern. Was soll’s: Ohne Chaos hätte man ja nichts zum Aufräumen, wie sollte man da glücklich werden?
Im Denken fällt halt immer etwas ein… :-)
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