Spätes Frühstück, Kaffee trinkend und Zeitung lesend sitzen wir in der Küche. Auf dem dritten Korbsessel liegt die Katze und blinzelt uns kritisch an. Der SPIEGEL bringt einen Bericht über das Reich der sagenhaften Königin Saba. Wow, das muß ich laut vorlesen:
„Für jeden Schwips hatte der vorislamische Jemenit eine spezielle Bezeichnung. Den Morgeschicker nannte er Sabuh, den Mittagsrausch Oayl. Kippte er sich früh abends einen hinter die Binde, sprach er von Fahma. Und wer noch in der Morgendämmerung an der Flasche hing, durchlebte Jashiriyya. Fast scheint es, als hätte Mohammend mit seinem Alkoholverbot die Notbremse gezogen, um den Absturz der Südaraber ins Dauer-Delirium zu verhindern“.
„Wie findest du das?“, frag ich meinen Lebensgefährten. „Je mehr Begriffe für diesselbe Sache existieren, desto größer ihre Bedeutung, hm? Ist ja wie bei den Eskimos, die dreissig Worte für Schnee kennen sollen. Das Alkoholverbot war also gar nicht religiös begründet!“
„Das war Mohammeds Gefühl für Schnee“, meint Manfred. Ich bin hell entzückt: Warum zum Teufel schreibt er nicht? Sowas würde mir NIE einfallen!
Hier in Mecklenburg wird gewaltig gesoffen, die Lebenserwartung ist kürzer, zwar gibt es in den Dörfern keine Läden mehr, aber ein „Getränkestützpunkt“ findet sich immer. Und wenn es auch dafür zu spät ist, sorgen die Tank-Stellen für Nachschub rund um die Uhr. Ob es mit dem Klima zu tun hat? Die langen, öden, ereignislosen Winter?
Jenseits von Umweltaspekten ist jede Droge ein Mittel, um aus der gewöhnlichen Rationalität auszusteigen. In der verwalteten, verregelten, technisierten und ökonomisierten Welt finden sich immer weniger Nischen und Auszeiten für das blosse Abhängen, für Herumblödeln und Fröhlichkeit, für Rausch und Trance. Ständig ist Vernunft und Kalkül gefragt, „Fit for Fun“ ist der reine Hohn, stellt diese Forderung doch auch noch den reinen Spaß unter die Knute des Leistungsprinzips! Es gibt kein Recht auf Faulheit, sagt der Kanzler. Und es wundert nicht, dass zu bestimmten Zeiten die Leute vor den Toren der Irrenanstalten in den Metropolen geradezu Schlange stehen, um aufgenommen zu werden.
Oder sich eben zuschütten. Und heute rettet kein Alkoholverbot. Es wäre undenkbar, denn anders als zu Mohammeds Zeiten ist es nicht mehr angesagt, Gott zu suchen (oder ihn einen guten Mann sein zu lassen). Wir müssen uns um den DAX und den Euro kümmern, BSE und MKS in den Griff kriegen, und vor allem wachsen, wachsen, wachsen….
Diesem Blog per E-Mail folgen…