Auf den ersten Seiten der Berliner Boulevard-Blätter wird seit Tagen alles dafür getan, um auch noch den hinterletzten „gewaltbereiten Chaoten“ zum traditionellen Mai-Zoff hervorzulocken. Der Innensenator hat die „revolutionäre 1-Mai-Demo“ diesmal schlicht verboten, für viele ein Grund, das entpolitisierte Ritual wieder mitzumachen, man hat ja nun wieder einen richtigen Gegner! Verschärfend kommt hinzu, dass ein Gericht das gleichfalls wegen vermutlicher gewalttägtiger Auseinandersetzungen verhängte Verbot einer NPD-Demo wieder aufgehoben hat: Rechte dürfen marschieren, geschützt von der Polizei, die im übrigen 9000 Mann-stark Berlin etwas grüner macht als sonst.
Es mutet seltsam an, wie alle gebannt auf den Termin starren, oberflächlich ganz einig in der Verurteilung der Gewalt – und doch ist der Eindruck sicher nicht falsch, dass Berlin in gewisser Weise danach giert. In den entrüsteten Gesichtern, den aufhetzenden Schlagzeilen, im Tagesgespräch vor jedem Markthallenstand spürte ich während meines Besuchs den Willen zum Zuschlagen, die Angstlust aufs Chaos, die Agressivität, die endlich eine Gelegenheit braucht, sich – auf dieser oder jener Seite, tätig oder rein verbal – kollektiv zu entladen.
Kann es sein, dass eine Stadt, die sich jährlich eine Love-Parade leistet, auch unverlangt eine Hate-Parade bekommt? Die beiden „Veranstaltungen“ sind ja ungefähr gleich alt. Und was ist es wohl, das die Menschen derart agressiv macht?
Na, heut‘ grübel ich mal nicht weiter, es ist wunderbares Wetter und ich werde zum Plauer See fahren, ein bißchen laufen. Seit ein paar Tagen (seit Berlin!) praktiziere ich täglich eineinhalb Stunden „zügiges Gehen“. Ich möchte es mir zur Gewohnheit machen, bevor ich in die Metropole zurückziehe. Damit ich nicht wieder einschlafe und die Folgen der eigenen Trägheit in das bekannte „Leiden an der Stadt“ übergehen. Na, und wenn ich schon beweglicher und fitter werde, nehme ich vermutlich auch ab und verliere meine zehn Prozent Übergewicht, toi toi toi.
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