Seit Freitag in Berlin gewesen, Wohnungssuche. Diesmal hatten wir eine private Bleibe in Friedrichshain, unserem Zielgebiet. (Es ist schön, dort, wo man hinziehen will, schon Leute zu kennen!) Anders als vor 20 Jahren gibt es derzeit viele freie Wohnungen, die man auch tatsächlich mieten kann, ohne Unsummen an Abstand zu bezahlen, wie das früher so üblich war. Bevölkerungsrückgang hat schon auch was Positives!
Friedrichshain, zumindest das Gebiet zwischen Warschauer Straße, Frankfurter Allee und Ostkreuz, ist ein wunderbarer Ort. Sieht aus und fühlt sich an wie Kreuzberg vor 15 Jahren, in den Straßen herrscht diese dörflich-gemütliche Kiez-Atmosphäre, die nur in großen Städten in bestimmten Gegenden entsteht und magnetisch allerlei junges und buntes Volk anzieht. Noch sind viele der typischen Gründerzeitaltbauten nicht saniert, es gibt sogar noch Ofenheizung, gelegentlich Aussentoilette. Klar, dass wir die Suche auf die modernisierten Höäuser beschränken, auch da herrscht kein Mangel, oft genug heisst das Angebot sogar: „Erstbezug nach Mod.“
Wie hab‘ ich es genossen, mal wieder indisch, thailändisch, arabisch und griechisch essen zu gehen! Und beim wiederholten Durchwandern des Gebiets wuchs das Gefühl des Nach-Hause-Kommens, ganz wie nach einem sehr sehr langen Urlaub. Kritisch frag‘ ich mich: Ist es denn nicht zu laut? Zuviel Verkehr? Zu viele Menschen, die sich kaum je ansehen? Zu schlechte Luft? Zu wenig Grün? Ich erinnere mich schließlich gut, mit welchem Überdruß ich die Metropole verlassen hatte. Aber nein, es ist erstaunlich ruhig, wenn man die Durchgangsstraßen mit den Straßenbahnlinien meidet, Baumreihen säumen die Gehwege, deutlich häufiger als im kahlen Chamissokiez, aus dem ich nach 20 Jahren weggezogen bin. In Spaziergangsentfernung liegt die Insel Stralau, wo man sogar weit über die Spree sehen kann, für mich ein Pluspunkt dieser Gegend, denn nach den endlosen Weiten von Mecklenburg fürchte ich den Stadtkoller, wenn der Blick dauerhaft nur die Wand gegenüber trifft.
Und die Anonymität? Da erlebe ich ein richtiges Wunder: ich genieße sie! Niemand kennt mich, niemand erwartet von mir etwas Bestimmtes, niemand interpretiert mein Verhalten, ja, ich werde praktisch gar nicht gesehen – Freiheit! Im Lauf der Tage fällt es mir wie Schuppen von den Augen, warum ich im Chamissokiez nicht mehr leben konnte: Es war einfach unmöglich, ein Niemand zu werden, mich vollständig zu verändern in einer Umgebung, in der ich mich ein Jahrzehnt vielfältig definiert hatte: in sämtlichen denkbaren Initiativen und Vereinen, mit eigenen Unternehmungen bis hin zur Teilnahme am politischen Leben. Natürlich hatte ich mich zurückgezogen, alle Zusammenhänge lange verlassen – doch die Vergangenheit war immer anwesend, allein der Kopfnickzwang gegenüber allzu vielen mir näher oder nur flüchtig bekannten Menschen brachte mich dazu, fast blind durch die Straßen zu laufen, so in mich gekehrt, dass ich nichts mehr von der Umgebung wahrnahm. Ich hätte schon viel früher wegziehen sollen.
Hat jemand Lust, ins Schloß Gottesgabe zu ziehen? Bald wird da die beste Wohnung frei: 144 m² auf zwei Etagen, riesige Wohnküche, zwei Bäder, Ausblicke direkt ins Grüne… Und Schwerin an den sieben Seen ist eine wirklich hübsche Stadt, zumindest für alle, die Orte mit 100.000 Einwohnern den Metropolen vorziehen. ;-)
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