Claudia am 24. Juni 2001 —

Amputiertes NetLife

So langsam nervt es, nicht ins Netz gehen zu können, wann immer es mir in den Sinn kommt. Die Internet-Cafés sind nur ein schwacher Ersatz, gerade mal gut, um E-Mails zu beantworten und das Diary zu aktualisieren. Die rechte Lust zum Surfen kommt da einfach nicht auf und ans Arbeiten ist schon gar nicht zu denken. Ich fühle mich wie amputiert, ein riesiger Raum, in dem ich mich normalerweise ständig bewege, ist auf einmal verschlossen.

Genau wie mir in Gottesgabe das Herumschlendern in belebten Straßen gefehlt hat, so vermisse ich jetzt mein gewohntes Netzleben. Die 13 Mailinglisten, die ich zwar nicht ständig lese, aber doch gelegentlich: Mal gucken, was die I-Worker machen, ob die Netzliteraten wieder ein Thema gefunden haben, welche Veranstaltungen über Rohrpost gemeldet werden und ob in der „Denkpause“ noch immer geschwiegen wird (= eine Nebenliste der I-Worker, da Denken in der Hauptliste offtopic ist ;-)

Auch die Webboards, sehr viel öffentlichere „Orte“ im Netz als Mailinglisten, gehen mir ab. Zwar bin ich jetzt nicht mehr übergewichtig, doch die Community auf www.tinto.de/xxl/ vermisse ich trotzdem. Genau wie die gemütliche Selfhtml-LOUGE, wo es ausgesprochen angesagt ist, „die Seele baumeln“ zu lassen. Dann die Diarys und Weblogs, die E-Zines und Mags, die Themenportale und Info-Sites, sogar die unbekannten Ziele, zu denen E-Mails gelegentlich verlocken – alles weg! Als wären vier von fünf Erdteilen auf einmal untergegangen. Klar, ich könnte das alles auch im Café aufsuchen, aber das ist nicht vergleichbar mit spontanem Surfen am eigenen PC. Ich brauche den Inhalt meiner Festplatte, all die Daten, Texte, Bilder und die zugehörigen Programme, um über’s Netz zu kommunizieren, wie ich es gewohnt bin.

Im Internet-Café wird mir erst richtig bewußt, wie wenig passiv meine Netzwanderungen üblicherweise sind. Auf einer Website mit grauenhaft kleiner Schrift landen, einen Screenshot machen, in der Bildbearbeitung einen passenden Ausschnitt wählen, abspeichern und als Mailanhang an den Webmaster schicken, damit der sieht, wie das bei mir aussieht – solche Aktionen fallen mir kaum mehr auf, doch wenn das plötzlich nicht mehr geht, fühl‘ ich mich wie gefesselt. Es fehlt auch die Möglichkeit, gleichzeitig mit Freunden und Kollegen zu telefonieren: Schau doch mal eben auf DIESE Website… und wenn es ein gemeinsames Werk ist, sie gleich updaten, etwas Neues ausprobieren, sich SOFORT Probeversionen als Attachement zusenden, gemeinsam Quelltexte studieren und vieles mehr. Nun nicht mal mehr per copy&paste aus dem Datenfundus zitieren können, nur mehr mühsam und vergleichsweise unspontan über Webmail korrespondieren – insgesamt ist das alles recht sperrig und bei weitem nicht die Art Kommunikation, die mir zur zweiten Natur geworden ist: Das Netz nicht nur NUTZEN, sondern auch KNÜPFEN.

Na, noch vier Tage, dann bin ich wieder richtig online. Am 28. will die Telekom tatsächlich den Anschluß schalten, ich hab‘ es sogar schriftlich. Montag und Dienstag bin ich sowieso ganz offline, die alte Wohnung in Gottesgabe muß noch renoviert werden. Das ist dann vorerst die letzte Reise nach Mecklenburg, bin mal gespannt, ob mir das Land fehlen wird!

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