Wenn das berechnende Denken sich langsam totläuft, der machtgeile Blick auf Ursache und Wirkung, Plan und Ziel, „Nutzen“ und Risiken nurmehr wie ein Radioprogramm erscheint, mal laut, mal leise, doch insgesamt erschreckend uninteressant – was dann?
Ein paar Tage Pause, Tage ohne Diary. Vielleicht ist es ja das Ende des Schreibens? Ein Journalist könnte so denken, auch der Philosoph, der am Ende aller Systeme angekommen die Buchdeckel zuklappt. Nicht aber der zwecklos Schreibende, der – allein dem Schreiben zugewandt – die Tastatur, das weisse Feld als ruhige Landschaft spürt: offen für Gestaltung, Wüste mal, dann Metropole, Eremitenhöhle, Tempel, Ort der Kraft. Mögen die Impulse gelegentlich versanden, das Leiden an der Rationalität auch wachsen, die aller Sprache per Grammatik eingeschrieben – eher entsteht ein Fischgesang aus stummen Zeichen, ein Wortgemisch, das heilig nach Geheimnis klingt und gar nichts meint, als dass der Schreibende verstummt vor seinem letzten Morgen.
Was erscheint, wenn Zukunft schwindet? Sich offen zeigt als das, was sie schon immer war: Vorstellung nur, von Angst und Hoffnung korrumpiertes Denken, illusionär von Anfang an. Als solches dennoch Teil des Jetzt, des Augenblicks, für den wir Geistesfilter brauchen, um aus der Fülle Welt zu bauen – meist eine allzu enge Welt, Gefängnis fast, da hingestellt und nutzlos abgedichtet gegen Abriß – der doch so sicher ist, weit sich’rer als der nächste Frühling jedenfalls.
Was ist jetzt? Mir wird immer klarer, daß ich das eher selten wirklich wissen wollte. Texte, die vom „Hierjetzt“ so vielversprechend handeln, verstand ich fröhlich miss: als Lizenz zum Schludern, zum Sich-gehen-lassen, als Argument, die Lust anstatt der Pflicht zu wählen, auch um „spontane“ Emotionen zu bemänteln, die andere gefälligst auszuhalten hätten, sind sie doch HIERJETZT halt eben einfach da…
An dieser Stelle ist sehr gut zu sehen, was es mit Lesen und Verstehen auf sich hat: Verstehen kann ich nur, wofür ich auch bereit bin. Wenn mich der Augenblick nicht wirklich interessiert, sondern die sogenannte Zukunft und die Schönheit all der Masken, die ich nach außen trage, dann wird kein Text und keine Rede dieser Welt – nicht Bibel, SPIEGEL, Zen-Koan – mir irgend etwas and’res sagen als was ich grade hören will. Dasselbe Buch, fünf Jahre später neu gelesen, spricht zu mir Anderes als damals – so gesehen reichen hundert tiefe Bücher für ein Leben aus.
Ich verstehe, wofür ich bereit bin: nur das, niemals mehr. Und diese Bereitschaft, diese Vor-Einstellung, diese Emanation des Eisbergs unter der Wasseroberfläche, als dessen Spitze nur bewußtes Denken aufragt und sich so blind fürs Ganze hält, liegt jenseits meiner Macht. Durch Lesen, Reden, Diskutieren, mit schwitzendem Gehirn Begriffe klären ist dieser Berg aus faktischem Geschick nicht einmal ankratzbar. Allein das Leben selbst, die Wasser der Gefühle und Stürme des Geistes, das Feuer der Leidenschaft und die verläßliche Umarmung der Erde, die uns immer wieder von den Gipfeln des Wahns herunter holt, schleifen diesen Berg.
Können wir uns also irgend etwas sagen?
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