Nie hätte ich geglaubt, eines Tages ein Sauna-Fan zu sein! Bis mich meine Schwester vor gut zwei Jahren in die Wiesbadener Thermen führte, war das ganz undenkbar: Nackt unter völlig fremden Menschen? Sich womöglich anstarren lassen, mit dem herrschenden Schönheitsideal aus den Werbespots verglichen werden? Nicht mit mir! Dazu diese Hitze: Wie soll ein Mensch bei 90 Grad überhaupt überleben?
Solche und noch viel mehr verrückte Vorstellungen hinderten mich viele Jahrzehnte, eine der angenehmsten Formen, seine Zeit zu verbringen, kennen zu lernen und zu genießen! Bin meiner Schwester unendlich dankbar, dass sie es geschafft hat, mich locker-flockig ins Sauna-Geschehen zu initiieren. Ihr trockener Humor hat meine seltsamen Ängste schlicht unwirklich erscheinen lassen. Und außerdem: als „ältere Schwester“ kann man ja schlecht völlig versagen und trotzig-zitternd beim „Ich mag nicht, ich trau‘ mich aber nicht!“ stehen bleiben. Also nahm ich meinen letzten Mut zusammen und folgte ihr einfach nach, tat alles, was sie tat, hüllte mich in nichts als ein weißes Handtuch und betrat die wunderbare Kaiser-Friedrich-Therme. In Wiesbaden haben schon die Römer in den heißen Quellen gebadet, warum verdammt nochmal also nicht auch ich?
Wir begannen mit einem warmen Fußbad, hey wie prosaisch, gesundheitsversessen, Kneipp-mäßig – ich wähnte mich in einer Art Birkenstocksandalenwelt, und auch die Menschen um mich her waren ganz anders, als ich gefürchtet hatte: Alte, Faltige, Übergewichtige schritten ungeniert zwischen den Becken und Duschen umher und auch die wenigen Jüngeren, die in dieser Morgenstunde den Weg ins Bad gefunden hatten, wirkten nicht gerade wie aus der Langnese-Werbung gefallen! Und niemand guckte, alle schienen irgendwie in sich versunken, es war erstaunlich still, dazu das beruhigende Plätschern und Rauschen der Wassserspeiher und Duschen – ich entspannte mich. Wir badeten dann in der heißen Quelle, die auf erträgliche Temperaturen heruntergekühlt ist, wechselten ins Kalte, dann wieder ins Warme, schließlich die Sauna! Wow, was für ein Empfinden das ist, in diesen trocken-heißen, gemütlich mit Holz vertäfelten Räumen mit anderen zusammen die Elemente zu genießen! Und danach ins eiskalte Tauchbecken, jetzt war ich mutig geworden und traute mich alles, was so dazu gehört.
Und weil ich damals gerade gut verdiente, lud ich Schwesterherz gleich noch zu einem „Rasulbad“ ein: Jeder bekommt auf einem Tellerchen drei Sorten farbigen Schlamm: hellbraun fürs Gesicht, schwarz und rot zum beliebigen Verteilen. Damit begibt man sich in ein kleines rundes orientalisch wirkendes Keramik-Dampfbad, in das maximal vier Leute passen. Man schlammt sich mit der Heilerde ein, während aus dem Ofen zu leiser Musik der Dampf entweicht, am „Himmel“ blinken Sterne. Etwa eine halbe Stunde träumte ich weg, vergaß das Denken, rieb mir den Schlamm über die Haut, was ein tolles Peeling ergibt – und zuletzt „regnet“ es so stark von der Decke, dass der Schlamm abgewaschen wird. Den Rest besorgt man mit dem Schlauch, danach gibt es Öl zum Eincremen. Nie zuvor seit den Baby-Tagen hatte ich eine solche Haut!
Seit damals ist Sauna für mich ein Stück Paradies, das ich nicht mehr missen will. Kaum zu glauben, daß ich mich mal schwer davor gefürchtet habe! Heute denk‘ ich so bei mir, man könnte viel viel mehr daraus machen, als die derzeitige Sauna-Kultur hergibt. Sich nackt begegnen heißt, die soziale Maske hinter sich lassen, nicht mehr auf Klamotten und Status setzen, einfach „nur Mensch“ sein. Das hat was Befreiendes – wäre es nicht toll, dieses Erleben mit Menschen zu teilen, mit denen man auch sonst etwas zu tun hat? Und nicht nur in dieser Anonymität zu saunieren, jeder in sich versunken? Dass Helmut Kohl mit dem Jelzin ins Dampfbad gegangen ist, find‘ ich geradezu vorbildhaft!
In Mecklenburg – bei den Ossis! – hab‘ ich es dann auch anders erlebt, lockerer, gemeinschaftlicher… Aber davon erzähl ich ein andermal mehr. Jetzt, bzw. morgen früh, fahr ich für vier Tage nach Wiesbaden. Und geh‘ natürlich mal wieder in die Therme….
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