Morgens gleich die SPAM-Lawine: bei mir sind es immer so ca. 10 bis 20 Mails, glücklicherweise am Titel erkennbar, nacheinander lösche ich sie weg: Register to your dream vacation! New product mp3 clock! Low Cost Merchant Account! Fatnews.de Newsletter – ach, was deutschsprachiges, was ist denn wohl fatnews?? Tonnen von Nachrichten oder Nachrichten für Tonnenschwere? Ich klicke mal hin, aha, ersteres. Naja, Nachrichten ist vielleicht nicht das passende Wort: Mann beim Sex mit Ziege erwischt, Wurde Pornostar Lolo Ferrari ermordet? Essen für den Hund – In Singapur gibts das! Ein Schwammwesen siedelt sich im Hafenbecken an und zerstört alle Tiere und Pflanzen … Und das soll man also auch noch Freunden empfehlen, gleich beim ansurfen springt ein zweites Fenster auf, das um Mailadressen von Bekannten bettelt….
Ein einziger Blick auf so ein „News-Portal“ ist so schädlich wie in Brennnesseln fassen: zwar schmerzt es nicht spürbar, aber unvermeidlich werden einige Synapsen auf irgend etwas anspringen: Was ist das wohl für ein „Schlammwesen“? Ist dieses „Essen für den Hund“ nicht eigentlich eine gute Geschäftsidee für Kneipenwirte, warum gibt’s das bei uns nicht? „Neuer Klingelton verstärkt Vibrationsalarm“ – wozu das wohl gebraucht wird?
Ohne an solchen Fragen auch nur minimalstes Interesse zu haben, liegt es doch nicht in meiner Macht, diese Denk-Reaktionen zu vermeiden, wenn ich erstmal so leichtsinnig war, eine solche „Quelle“ auch nur kurz ins Auge zu fassen.. Denken ist ein Automatismus, ja, ich muss erkennen, dass ich teilweise ein Automat bin, ein Programm, das WENN dieser und jener Anreiz gesetzt wird, DANN eben einfach so abläuft, algorithmisch, gnadenlos, schwer zu unterbrechen, ich muss es praktisch „abwürgen“ – und man mache sich nichts vor, das kostet immer ein klein wenig Energie! Der Schlächter brauchte Froschblut? Ja wofür denn? Es bleibt nicht beim reinen Gedanken, sondern die Frage ergreift die Psyche und damit den Körper, Neugier ist ein physisches Verlangen, ein Erregungszustand, der nach Erlösung verlangt, es kostet Kraft, NEIN zu sagen, wegzusehen, NICHT auf irgend etwas zu klicken. Junk-News sind nur ein extremes Beispiel, aber auch bei vermeintlich „wichtigeren“ Inputs von überall her ist es nichts anderes.
Deutschland in der Talsohle
Gestern Mittag in der Kaffee-Pause: Berliner Zeitung. Ein Bericht über die berlin-brandenburger Wohnungsunternehmen, die ja so viel über leerstehende Wohnungen klagen. Im Rahmen einer Studie (Kienbaum) hat jemand sie alle als vorgeblicher „Wohnungsinteressent“ angeschrieben und nach freien Wohnungen gefragt. Ergebnis: Jede zweite schriftliche Anfrage wurde nicht beantwortet, telefonische Kontaktversuche in 48% der Fälle schlicht „abgewürgt“ – oder der Interessent wurde x-mal weiter verbunden, nur um dann zu erfahren, dass er sich persönlich im Kundencenter einfinden und dort einen „Bewerbungsbogen“ ausfüllen muss. Zwar bietet die Hälfte der Gesellschaften ihre Wohnungen über Internet-Portale an, aber nur in 13 Prozent der Fälle wurde der potenzielle Mieter darauf hingewiesen – was ist da eigentlich los?
Nichts besonderes. Dasselbe, was mir täglich (na ja, zweimal die Woche…) geschieht, wenn ich den Platz vor dem Monitor verlasse, um draußen etwas einzukaufen. Ja, manchmal will der Mensch ja noch etwas KAUFEN, sogar mitten in der wirtschaftlichen „Talsohle“! Das aber ist gar nicht so leicht, wenn es etwas ganz bestimmtes sein soll und man nicht nur einfach herumschlendert, um ein „Shopping-Erlebnis“ zu genießen – also Dinge zu kaufen, die schon bald wieder zum Entsorgungsproblem werden. Ich suche zum Beispiel Balkonkästen – und endlich stehe ich vor dem großen Regal im Baumarkt, vor mir zehn verschiedene Kastenformen aufgestapelt – leider keine Preise, obwohl Schildchen dafür vorgesehen sind. Ich greif‘ mir einen Kasten und suche fünf Minuten in der weitläufigen Halle nach einem Verkäufer. Der zückt auch bereitwillig seinen mobilen Scanner, berührt damit den Strichcode auf dem Kasten und sagt: Neun Euro. Nö, das ist mir zu teuer – soll ich jetzt wegen jedem einzelnen Modell denselben Weg machen? Mach‘ ich nicht, so wichtig ist es mir nun doch nicht. Und wieder ist ein mögliches Geschäft nicht zustande gekommen, nur weil es diesen Leuten zu beschwerlich ist, die Preise in der Nähe der Ware anzubringen. Es lebt sich ja auch noch lange nicht schlecht in der „Talsohle“, warum soll man es all diesen Möchte-Gern-Kunden einfach machen?
Ich steuere die Heimat an, finde einen Parkplatz, komme am Metzger vorbei – mal wieder ein Rumsteak wär‘ vielleicht was, ewig nicht mehr so was gegessen! Sie haben sogar Rumpsteak, aber leider ist der Fettrand – etwas, das zu einem guten Rumpsteak gehört wie das Euter zur Kuh, sonst würde man ja Filet nehmen! – bereits entfernt. Ich frage vorsichtig nach, ob ich nicht ein Steak MIT Fettrand haben könnte? „Unsere Kunden mögen das nicht, deshalb entfernen wir das Fett immer gleich“ wird mir beschieden. Aha – und was bin ich? Na, macht nix, dieses raubtiermäßige Fleischlappen-Essen ist sowieso ungesund und ethisch verwerflich – eigentlich bin ich ganz froh, dass mein Anfall folgenlos vorübergeht…
Deutschland in der Flaute, die „Stimmung“ ist schlecht, heißt es, an jeder Ecke wird „Reformstau“ diagnostiziert, alle stehen auf der Bremse und verteidigen, was sie noch haben – und weil bald WAHL ist, rührt sich schon gar nichts mehr.
„Vielleicht kommen die einfach zu nix“, sagt mein Lebensgefährte, „vielleicht müssen sie einfach zuviel E-Mail aussortieren.“ Er meint die Mitarbeiter der Wohnungsunternehmen, so als ein Beispiel für viele. Ja, vielleicht ist es das: Sich konzentrieren, um wirklich selber etwas zu tun, zu verändern, zu kreieren – wie soll das gehen bei dem immer größeren Info-Input, der von allen Seiten auf uns einhagelt? Wie sollte sich denn eine Information von außen oder gar ein Impuls von innen zum ernst gemeinten Wunsch, gar einem Vorhaben verdichten, wenn gleich schon die nächsten hundert Anreize und Anforderungen an der Schwelle zur Aufmerksamkeit ungeduldig mit den Füßen scharren?
Es braucht keine Akte-X-artige Verschwörungstheorie, um zu bemerken, wie „fremde Kräfte“ laufend von mir Besitz ergreifen wollen. „Lieber bol.de-Kunde“, schreibt mir Bertelsmann Online in vorwurfsvollem Ton, „wir haben Ihnen vor kurzem einen Einkaufsgutschein im Wert von EUR 5 zugeschickt und haben leider festgestellt, dass Sie diesen noch nicht eingelöst haben.“ Verdammt! Schon den von Amazon hab‘ ich nicht „eingelöst“ – aber bei Bertelsmann muß die Kaufsumme ja nur 15 Euro betragen, 5 Euro weniger als bei Amazon! Ob ich nicht doch was brauche? Hat mir nicht Michael gerade ein Buch über CSS ans Herz gelegt? Wo war doch noch gleich die Mail mit dem Titel…
Diesem Blog per E-Mail folgen…