Ilona Duerkop schreibt in ihrem Kriegstagebuch davon, wie es sie erschüttert, die Menschen zu erleben, die in den Internet-Cafes sitzen und ihre Urlaubsberichte nach Hause mailen – als wäre nichts, als gehe alles seinen normalen Gang.
So ist Krieg. Jede Lebensäußerung wird zum Statement, ganz egal, ob derjenige davon weiß oder es so meint. Wenn die Zugriffszahlen in Kriegszeiten steigen, dann weiß ich: jetzt wollen einige wissen, was Claudia DAZU sagt. Und schon ist sie da, die Schreibblockade: Muss ich jetzt? Soll ich? Und was? Was ganz besonders „Ausgewogenes“, das in dieser emotional aufgeladenen Situation gewiss nicht aneckt?
Solange es so ist, schreib ich dann lieber gar nicht. Bis es von selber kommt, bis ich nach etlichen Tagen der inneren Verarbeitung einen Beitrag zum Krieg schreiben kann, weil er jetzt eben da ist und überall wahrnehmbar. Eindrücke, die zum Ausdruck drängen, einschließlich der durch sie angestoßenen Gedanken – mehr nicht.
Und dann? Ich surfe zur Tagesschau: Wieder 50 Menschen auf einem Marktplatz zerbombt – kann ich da noch davon schreiben, wie ich 7 Kilo abgenommen habe? Über Konsum-Hemmungen, Allein-Leben oder Rauchen? Absurd! Alle Themen, die keinen Kriegsbezug haben, sind tot.
So greift das Verstummen um sich. In einigen Mailinglisten ist die Frequenz der Beiträge schon gegen Null gesunken. Dafür wächst die Zahl der Webseiten zum Krieg: Infos, Links, sorgfältig ausformulierte politische Stellungnahmen. Und Gedichte, Kriegsprosa. Die Personen verschwinden hinter dem Krieg, haben Rüstungen angelegt und zeigen metallisch-glänzende Oberflächen – oder tragen Trauergewänder, durch die kein Licht mehr dringt.
Ich kann das nicht. Will es auch nicht und halte deshalb möglichst Abstand zu den Medien. Die Menschen, die ich in meinem Alltag treffe – hier im „Real Life“ – sind zum Glück ganz ähnlich verfasst: der Krieg ist durchaus Thema, aber nicht das einzige. Auf meine Frage, was es Neues gebe von der Front, berichtete mir ein alter Freund gestern von seinen Problemen mit gewissen Auftraggebern. Ich war ein wenig irritiert – es zeigte mir aber beispielhaft, welch anderes Bild von „den Anderen“ die geschriebene Netzkommunikation vermittelt, verglichen zu den Alltagsbegegnungen offline.
Heute Abend treff‘ ich ein paar Leute aus der seit 1996 bestehenden Netzliteratur-Szene. In einem wunderschönen Thai-Restaurant in Berlin Mitte, wo sich „essbare Skulpturen“ auf den Tellern finden sollen, werden wir vermutlich über den Krieg und seine Wahrnehmung über das Netz sprechen – aber auch von neuen Projekten, von den Technologien, die wir dafür brauchen und von den Schwierigkeiten, im Mainstream der 0815-Portale und Shops nicht unterzugehen. Ich freu mich drauf!
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