Druck auf dem Kopf, 27 Grad Raumtemperatur trotz Nordseite. Ich schwitze nicht, leide nicht, wünsch mich nirgendwo anders hin, kann aber nicht arbeiten. Jeder Gedanke springt ein wenig im Hirn hin und her, und gerade dann, wenn ich zu einem Tun ansetze, ist er wieder verschwunden. Naja, nicht eigentlich weg, nur das Gefühl, dass er eine Folge haben sollte, hält sich nicht. Schlimm?
Ich werde auf die Kühle warten, abends oder nachts, vielleicht auch morgen früh ab sechs. Es hat noch immer geklappt mit den Terminen. Nie krank gemeldet in zehn Jahren Internet, wie käme ich dazu? Vom im Bett liegen wird man nicht gesünder und wer aufstehen kann, kann auch eine Maus bedienen.
Ich schweife ab, beginne zwei Absätze hintereinander mit „ich“, was ich normalerweise korrigiere, wenn es mir widerfährt. Sätze umstellen ist eine leichte Übung, weniger ICH mitschleppen fällt schwerer, passiert von selber oder gar nicht.
„Denken Sie jetzt an sich! Denn dies ist der Anfang vom letzten Abschnitt Ihres Lebens!“ lese ich auf einer Infoseite über die Wechseljahre. Wer diesen Text verfasst hat, ist bestimmt steinalt, Mitglied einer verschwindenden Generation, der noch von klein auf eingebläut wurde, dass man sich das kleinere Stück vom Kuchen nehmen soll. Kein Wunder, dass die glauben, das „an sich denken“ fange erst um die 50 an und man müsse dazu ermuntert werden. Oder liegt es daran, dass hier zu Frauen gesprochen wird?
Da ich die weiblichen Mehrfachlasten vermieden, weder Kinder aufgezogen noch Verwandte gepflegt, noch einen „ordentlichen Beruf“ ergriffen habe, fühle ich mich nicht gemeint. Aber egal, ich gönn’s mir trotzdem, denke an mich, bzw. lass mich laufen, auch wenn dann nicht das übliche Sinnpaket zusammen kommt (gar Vorbildliches, wie es manche allen Ernstes erwarten!), Alles verändert sich, das weiß jeder, mein Widerstand dagegen erschöpft sich im Design, das du hier siehst, liebe Leser/in: seit 1999 ein verlässlicher Anblick, das ist doch was.
Wirklich schade, dass Gerd-Lothar Reschke nicht mehr im Web schreibt! Ich vermisse den Strom seiner Gedanken, seine spezifische Art, von sich zu sprechen, die sich in den tagebuchartigen Einträgen seiner Log-Bücher über die Jahre entfaltete. Jetzt gibt es sie als Bücher, sehr empfehlenswerte Bücher, aber wo ist das Aktuelle?? Wenn man eine Person über so lange Zeit alle paar Tage liest, ist es schon ein herber Verlust, das „Jetzt“ nicht mehr mitzubekommen. Obwohl, wenn ich an die letzten Texte denke, erinnere ich mich dunkel, dass sich der Blick des Autors, der mir Wegweiser Richtung „innen“ gewesen war, auf einmal insistierend nach außen richtete: darauf, was alles grundfalsch ist, verkorkst, krank, verrückt, bewusstlos in die falsche Richtung strebend. Das mag stimmen, doch ist die schlechte Kunde auf Dauer ermüdend, Kräfte zehrend. Mich hätte interessiert, wie er ganz persönlich inmitten all dieses Falschen besteht, wie er sich rettet, wie er es schafft, etwas Eigenes zu leben, das nicht bloße Reaktion auf all das ist, sondern individuelle Blüte. Aber vielleicht sind das ja gerade diese Bücher und ich denk‘ bloß wieder zuviel an mich.
Schön, das Dirk Schröder noch da ist, auch so ein Urgestein. Er wollte schon oft verschwinden, hat immer wieder abgebaut, gelöscht, aufgegeben – doch aus kleinen, zurück gelassenen Resten einst großer (und großartiger!) Weblandschaften entsteht doch immer wieder Neues. Ich verstehe nicht alles, denn dafür müsste ich eine Menge Webseiten aufschlagen, lese es aber trotzdem. Ohne Surfen konsumierbar ist der Eintrag über den Bachmannpreis (update: leider mittlerweile verschwunden!), der mir aus der Seele spricht. Diese Veranstaltung ist mein einziger sporadischer Kontakt zum Literaturbetrieb, wohl deshalb, weil sie sich vom üblichen Wettbewerbs- und Preisverleihungsgeschehen gewaltig abhebt. „Alles geschieht vor den Augen des Publikums, nichts wird in Hinterzimmern ausgeklüngelt“ – genau! Die Autoren lesen life vor den versammelten Kritikern und einem Fernsehpublikum, das bereit ist, sich zeitgenössischer Literatur auszusetzen, um zu erleben, wie das Vorgetragene dann wortreich zerrissen und verteidigt wird. Die folgende Diskussion über den Text im Angesicht desjenigen, der ihn zu verantworten hat, ist spannend genug, dass man bei der Stange bleibt – und so ganz beiläufig über die Entwicklung der literarischen Moden der letzten Jahre und der Art, sie zu kritisieren, auf den neuesten Stand gebracht wird. Der Sieger-Text von Katrin Passig schwebt über diesen Moden und zeigt etwas auf, das wir alle als innere Haltung kennen: „so sind wir“, sagte einer der Kritiker und in mir regte sich kein Widerspruch, obwohl ER mir nicht besonders gefiel. Faszinierend, wenn dieses „So-Sein“ dann nicht als gut oder schlecht, falsch oder richtig ins Töpfchen sortiert werden kann – aber lest selbst! (Noch schöner, das Ganze auf Video anzusehen! Pro Autor gibt’s die Lesung, die Diskussion und das Autorenportrait).
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21.54 Es ist kühler jetzt, nur noch 24,5 Grad. Alle Fenster stehen offen, ich werde noch arbeiten.
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6 Kommentare zu „Warten auf die Abkühlung“.