Claudia am 08. Februar 2007 —

Die Suche nach der Leidenschaft

Morgens fange ich nicht gleich mit dem Arbeiten an. Ich schau mal in die Emails, surfe auf diese oder jene Website, besuche ein Forum, gucke auf den letzten Diary-Eintrag – tja, auf was warte ich, was suche ich in diesen militant Sinn-freien Aktivitäten?

Es steht ja schon im Titel: ich suche die Leidenschaft, das Aufblitzen eines heftigen Interesses, das mich ergreifen und zum Einstieg in den Tag begeistern soll. In den ersten Jahren des Webs war dieses Erleben leicht zu haben, denn alles war neu und das Neue ist an sich schon reizvoll, ob man das nun blöd findet oder nicht. Irgendwann wird jedoch alles zur Routine, zum allzu Bekannten, das aus sich heraus keinen großen Reiz mehr ausübt. Wie ich feststellte, gilt das sogar für soziale Prozesse, die ich immer sehr spannend fand. Auch sie haben ihre üblichen Verläufe, Menschen bringen sich ein, setzen sich auseinander und wieder zusammen, einige scheiden aus, andere steigen zu Meinungsführern auf, Gruppen zerfallen und bilden sich neu – nun ja…

Früher fand ich es wichtig, jemandem zu widersprechen, der irgend einen Stuss verzapft. Doch schon bald erkannte ich, dass Aufmerksamkeit das größte Geschenk ist, das man „im virtuellen Leben“ machen kann, und dass es vielen Provokateuren einzig darum geht. Seither ignoriere ich alles, was auf bloße Kontroverse aus ist, und weiß doch gleichzeitig, dass meine Motive gar nicht so viel anders sind. Ich fühl‘ mich manchmal wie ein Roulette-Spieler, der zwar immer noch gewinnen will, aber das Spiel mit den Chips und der rollenden Kugel entsetzlich öde findet.

Was ich bis jetzt beschrieb, ist die eher passive Seite der Suche nach Leidenschaft: Man flaniert ein wenig herum und wartet auf Anreize und Impulse, die von außen kommen. Die aktive Seite ist mir ebenso vertraut: Tief eintauchen in ein Projekt, ins Schreiben eines Textes, ins Gestalten einer Website. Schafft man den Übergang vom täglichen Vielerlei ins konzentrierte Arbeiten an einer Sache, ist der Tag gerettet. Ich frag mich, warum es oft so schwer fällt, diesen Zustand zu erreichen, wenn ich doch genau weiß, dass es toll ist, wenn ich mal drin bin! Die Welt scheint sich verschworen zu haben, mich im Zustand der Zerstreuung zu halten, es braucht eine Kraftanstrengung, mich zu konzentrieren und so lange bei einer Sache zu bleiben, bis der „Flow“ erreicht ist.

Alles in allem empfinde ich eine Situation, in der ich mir solche Gedanken machen kann, als ungeheuer privilegiert. Familienmenschen haben andere Dinge im Kopf und müssen sich um den Nachschub an Erregungszuständen nicht sorgen. Auch alle, die einer abhängigen und wenig selbst bestimmten Arbeit nachgehen, sind solchen Überlegungen weitgehend enthoben: es gibt den Arbeitstag, das Reich der Notwendigkeit, und das Reich der Freiheit: den Feierabend, die Freizeit, den Urlaub. Die allermeisten sind froh, wenn der Arbeitstag vorüber ist und die selbst bestimmte Zeit beginnt. Bei mir dagegen ist das tendenziell alles eins: für die Harmonie zwischen Spannung und Entspannung, Flow und Zerstreuung, Erregung und Ruhe muss ich selber sorgen.

Ich hab‘ es nie anders gewollt und möchte wirklich nicht tauschen. Doch manchmal denke ich, ich mach‘ zuwenig aus dieser Situation, die mir so viele Freiheiten lässt. Es gibt höhere Werte als das eigene Befinden, sagt mir eine innere Stimme. Ich bin gespannt, ob sie mir auch mal ansagen wird, wo es hingehen soll.

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Die Suche nach der Leidenschaft“.

  1. Fehlende Motivation, die verhindert, Arbeiten mit höherer Priorität sofort zu beginnen, obwohl diese erfahrungsgemäß den „Flow“ erleben lassen, kenne ich auch. Am besten überwinde ich solche Momente, indem ich mich hinsetze und gegen den inneren Widerstand anfange (den „Schweinehund“ überwinde). Nach einiger Zeit stellt sich dann der Flow ein.

    Den Satz (leicht umgestellt) „Aufmerksamkeit ist das größte Geschenk, das man “im virtuellen Leben” machen kann, vielen Provokateuren geht es einzig darum.“ finde ich zitatwürdig.

  2. Heut hab‘ ich das so gemacht – und bin am Stuhl festgeklebt wie lange nicht mehr! Keine Pause, bis abends nix gegessen, absolut keine Lust gehabt, aufzuhören… ich finde immer eine Art, die Dinge übertrieben unvernüftig zu tun! :-))

  3. Ja, Claudia, mach Dir nix draus, das ist typisch Deutsch!

  4. Wie schön, dass du das sagst! Das ist nämlich meiner Schere im Kopf zum Opfer gefallen.

  5. ich weiß ja nicht wirklich.
    zuviel computer macht glaube ich die seele zimlich tot und tötet jede leidenschaft!

    bei mir ist das zimlich ähnlich.
    morgens aufstehen und erst mal alles durch checken.
    wo stehen meine seiten?
    wiviel visits hatte ich gestern?
    dann die mails checken und über den spam ärgern?
    zweiter kaffe und hier und da ein blog besuchen auf der suche nach dem besonderen artikel.
    dann ist es 12:00, der halbe tag ist um und ich frage mich was der ganze mist denn nun soll, schwöhre das ich doch lieber spazoehren gehe oder sonst was wichtiges mache aber dann ist auch schon bald mittagszeit und …

  6. Das eigene Befinden, denke ich, ist doch auch ein guter Weg, um zu höheren Werten zu gelangen – wenn nicht sogar DER Weg. Wenn ich genau lausche, was in meinem Innern passiert, wie ich auf bestimmte Dinge reagiere, dann kann ich daraus ableiten, in welche Richtung ich gehen muß, um zu meinen Werten zu kommen. Es sei denn, „höhere Werte“ sind etwas, das andere festlegen. Glaube ich persönlich aber nicht, sonder, daß ich, wenn wir nur wirklich auf mein Innerstes hören würden, ganz natürlich zu Höherem gelange. Dort angekommen, sehen ich wiederum Neues, das mich inspiriert. Die Suche nach innen verlegen, würde ich sagen.

  7. […] nichts. Warum lässt du es nicht einfach bleiben? Ohne Leidenschaft geht gar […]