Ich wurde zu einem Treffen meiner alten Schreibgruppe eingeladen, die ich in den letzten zehn Jahren nur noch sehr sporadisch traf. Eine Art Gedenkveranstaltung für eine Mitschreiberin, die neulich an Krebs gestorben ist, sollte es sein. Ich habe abgesagt, obwohl ich die Frau wirklich mochte.
Zur Zeit ödet mich das Thema „Tod und Sterben“ einfach nur an. Vielleicht, weil meine Mutter nun schon so lange stirbt, doch ist es nicht nur das. Noch vor zwei drei Jahren tauchte ich – ausgelöst durch die Todesangst beim Fliegen – innerlich tief ein in die ganz persönliche Erkenntnis der Tatsache, dass das Leben endlich ist und dieses hoch geschätzte „Ich“ eines Tages einfach so verschwinden wird – wie furchtbar! In Spekulationen auf ein „danach“ bzw. ein Jenseits kann ich mich nicht retten, zum Glauben jedweder Art bin ich einfach nicht im Stande. Was also dann?
Ich frage mich, ob es nicht ein „Sterben ohne Jammern“ geben könnte. Ohne all dieses so „pietätvolle“ und tief traurige Getue und Gemache, ohne gesenkte Blicke, bedeutungsschwangere Reden, hilflose Gesten, ohne Warten auf ein Wunder und auch ohne Beschwörungen von Geistern, Engeln, Göttern oder was auch immer. Sterben als ein Fest: Hey, endlich ist Schluss mit dem ganzen Elend, macht’s gut, Ihr Lieben – bye bye!
Ein Elend geht dem Sterben ja meist voraus und mich wundert, dass das Klammern am Leben in dieser Zeit selten abnimmt, eher im Gegenteil. Ein befreundeter Arzt erzählt, dass quasi alle seine Patienten in der finalen Phase ihre Verfügungen gegen lebensverlängernde Maßnahmen widerrufen – erschreckend!
Ich gehe nicht davon aus, dass es mir anders ergehen wird, bloß weil ich jetzt so denke. Doch nehme ich mir heraus, diese Tradition des „elenden Sterbens“ in Verzweiflung, Traurigkeit und Angst zu hinterfragen: geht es nicht auch anders? Muss das so sein? Können wir als Menschen denn nie und nimmer unseren Lebenserhaltungstrieb transzendieren?
Die Römer fallen mir da ein, die Griechen, die Stoa. Dazu ein Zitat aus Wikipedia:
„Chrysippos von Soli, der nach Zenon wegen seiner überragenden dialektischen Fähigkeiten als zweiter Begründer der Stoa galt, hat die Verantwortlichkeit des Menschen für sein Tun am Beispiel von Triebregung und Verhaltenskonsequenz dargelegt. Die Vernunftanlage des Menschen gibt ihm die Möglichkeit und stellt ihn vor die Aufgabe, die mit der Triebregung verbundene Vorstellung zu prüfen und darüber zu befinden, ob ihr zu folgen oder ob sie zurückzuweisen ist“.
Genau. Und ich wünsche mir mehr Zurückweisung des finalen Elends, das ja nur teilweise aus physischen Schmerzen besteht und in weit höherem Maße psychisch bedingt ist: Nicht gehen wollen – ja was würde denn aus der Welt, wenn nicht gestorben würde? Es wär ihr Ende!
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24 Kommentare zu „Sterben ohne Jammern?“.