Kleine Meditation über die menschlichen Möglichkeiten, die Welt zum Schöneren zu verändern
Jeden Tag gestalte ich meine Welt und trage damit zum Ganzen der Welt bei. Ob ich nun einen Artikel schreibe, eine Website gestalte, im Garten das „Unkraut“ lieber stehen lasse oder in der Schlange vor der Supermarktkasse meine Stimmung mit den anderen Wartenden teile: Ich bin immer Täterin und Opfer zugleich, empfange Eindrücke, interpretiere sie auf meine Art und reagiere darauf. Dem kann ich mich gar nicht entziehen, denn wie alle lebenden Wesen bin ich dem Stoffwechselprozess mit der „Umwelt“ ausgesetzt. Schon die Pflanzen streben nach „Weltverbesserung“, indem sie sich lieber dem Licht zuwenden als der Dunkelheit und so geht es weiter, quer durch die Lebensformen: Leiden meiden und Freude suchen ist unsere Grundmotivation, von dem aus sämtliche Welt- und Selbstverbesserungsbemühungen nur Varianten darstellen, keine Ausnahme.
Gaba – laut ihrem Profil „Entspannungstherapeutin und begeisterte Ultramind Trainerin“ – fragt in ihrem Blog-Projekt „Die Welt ein Stück besser gestalten“:
- „Wünschst Du Dir manchmal in einer besseren Welt zu leben?“
- In einer Welt, die Dich so nimmt, wie Du bist und nicht versucht Dich zu verbiegen?
- In einer Welt, wo der Starke den Schwächeren stützt und wo das Wort „Not“ eine leere Worthülse ist?
- Einer Welt, wo keiner „gleicher“ ist als der Andere und „anders sein“ zulässig und erwünscht ist?
Nun, wer wünscht sich das nicht? In den Fragen steckt die geballte Utopie der Menschheit, die ewige Sehnsucht nach dem Paradies, nach einem friedlichen Leben in „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“. Und doch weiß man, wohin Versuche geführt haben, solche Ideale in einer großen revolutionären Anstrengungen umzusetzen: ins krasse Gegenteil, nämlich in Unterdrückung, Terror und Hass. Auch die RAF wollte „Welt verbessern“ und heute aktive Terroristen bekämpfen angeblich den „Raubtierkapitalismus“ und/oder die moralisch-ethische Dekadenz der westlichen Welt. Repressive Regime in aller Welt rechtfertigen die Fesseln, die sie ihrer Bevölkerung anlegen, mit moralisch hoch stehenden Motiven, genau wie unser derzeitiger Innenminister mit seinem Gang in den Überwachungsstaat ja nur unser Bestes will.
Warum ist das so? Sind das alles „böse Menschen“, die nur vorgeben, Welt verbessern zu wollen, in Wahrheit aber nur ihr persönliches Bereicherungssüppchen kochen wollen?
Meine eigenen Erfahrungen mit den idealistischen Impulsen zur Umsetzung von Utopien zeigen etwas anderes: nämlich ein grundsätzliches Missverständnis über das menschliche Leben und das Verhältnis zur „Welt“, das immer dann auftritt, wenn man – ausgehend von irgend einem erlebten Leiden oder Misstand – die anzustrebende Veränderung als objektivierbares „Glück“ ansieht und versucht, ihn „für immer“ zu erhalten und zu verallgemeinern. Als gäbe es einen Zustand, in dem wir auf Dauer glücklich und zufrieden sein könnten, ganz entspannt im Hier & Jetzt, unberührt vom Handeln anderer und der Veränderlichkeit der Umwelt („Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“).
Dem ist nicht so. Wir können uns so etwas zwar ausdenken, es aber ganz gewiss nicht dauerhaft erleben und störungsfrei genießen. Anhand der drei „wundervollen Vorstellungen“ von Gaba will ich das genauer betrachten:
Eine Welt, die Dich so nimmt, wie Du bist und nicht versucht Dich zu verbiegen?
Du lieber Himmel! Was wird aus Erziehung, Bildung, Resozialisierung von Straftätern? Ist nicht schon die Sauberkeitserziehung der Babys ein „Verbiegen“? Und: soll ich meinen Nachbarn, der mich mit lauter Musik nervt, einfach so nehmen, wie er nun mal ist?
Solche Einsprüche könnte ich jetzt haufenweise aneinander reihen und es würde dabei heraus kommen, dass es immer irgend jemanden geben muss, der ansagt, „wie man sein darf“, damit alle im Rahmen einer Gesellschaft miteinander leben können: Staat, Gesetze, Regelsysteme, Erlaubnisse und Verbote – und schon ist sie verschwunden, die schöne Utopie, in der jeder jeden „einfach sein lässt“. Wir können und sollen daran arbeiten, die Regelsysteme möglichst demokratisch zu gestalten, mehr ist aus meiner Sicht nicht drin, bzw. schlägt dann zwangsläufig ins Negative um.
Keiner „gleicher“, aber anders?
Um dasselbe Thema kreist auch die andere Frage, nämlich die nach der Welt, „wo keiner „gleicher“ ist als der Andere und „anders sein“ zulässig und erwünscht ist“. Hier steckt der Widerspruch schon im Satz selbst: einerseits will man ungerechte Unterschiede und Bevorteilungen vermeiden, andrerseits Verschiedenheit zulassen, ja sogar begrüßen. Das ist unmöglich, denn die Bevorteilungen und Benachteiligungen ergeben sich aus der Verschiedenheit der Menschen – egal, ob man diese Unterschiede nun sozial oder „genetisch“ erklärt. Man ist also gezwungen, entweder die Freiheit einzuschränken oder die Verschiedenheit zuzulassen – mit entsprechend „ungerechten“ Konsequenzen.
Und was ist mit einer Welt, in der „der Starke den Schwächeren stützt und das Wort „Not“ eine leere Worthülse ist?“
Da sind wir ganz bestimmt alle dafür, solange wir von den „Positionen der Stärke“ getragen werden, z.B. von einer erfolgreichen Exportwirtschaft, die sich „da draußen in der Welt“ nicht weiter um die Lebensbedingungen der Betroffenen schert. Und auch zuhause sehe ich nur ganz wenige Menschen, die Jesus oder Buddha nachfolgen, ihren Besitz weitgehend an die Bedürftigen verteilen und ein Leben in schadensarmer Askese leben wollen.
Als es vor vielen Jahren in der öffentlichen Diskussion darum ging, wie viele Asylbewerber aufgenommen werden können, sagte eine in Berlin Kreuzberg bekannte, sozial engagierte Aktivistin: „Die sollen nur alle kommen! Da müssen eben die WGs wieder enger zusammen rücken!“ Tja, das war ein kleines Stück zuviel des Guten, selbst für all diejenigen, die sonst immer für alles unterschreiben, was an sozialen Wohltaten gefordert werden kann – solange man nicht selbst etwas abgeben muss, was einem WIRKLICH WICHTIG ist.
Je mehr Wohlstand in einer Gesellschaft herrscht, desto leichter ist es, zu teilen und die Not der zu kurz Gekommenen zu lindern. Werden die Ressourcen aber knapper, denkt man an sich selbst zuerst, dann an die Verwandten und Freunde, danach an die, die einem weitgehend ähnlich sind, bzw. kulturell nahe stehen. Ich glaube nicht daran, dass dieses eigennützige Verhalten gänzlich abgelegt werden kann – es folgt aus der allen Lebewesen eigenen Homöostase, aus dem Bemühen, unter allen Umständen zu überleben, und zwar in einem Zustand möglichst großen Wohlbefindens. Dass in Ausnahmesituationen einzelne Individuen aufs Überleben pfeifen können, ändert nichts an der grundsätzlichen Motivation: Leiden meiden, Freude suchen, das sogar in die amerikanische Verfassung Eingang gefunden hat.
Leider ist damit auch der Konkurrenzkampf, das Raffen und Horten, das häufige Ignorieren der Leiden des Mitmenschen „mit eingebaut“ ins menschliche Grundgerüst. Klar arbeiten wir auch zusammen, fördern auch mal bewusst das allgemeine Wohl, wünschen die Erhaltung sozialer Netze – doch ist das alles ja ebenfalls Auswuchs desselben Strebens nach Wohlbefinden, das auf seiner dunklen Seite dann eben auch Schnitte macht: bis hierher und nicht weiter, denn hier geht’s „ans Eingemachte“.
Wie bei allen utopischen Formulierungen steht neben dieser „realistischen Korrektur“ auch die Frage im Raum: Was ist NOT?? Wer bewertet das? Wie wäre „Not“ vom Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, nach Wachsen und Werden, nach Veränderung und Blühen zu trennen? Ist nicht sogar die Langeweile eine „Not“ ?
Was tun?
Das ist die eigentliche Frage, die Gaba in Sachen „Welt schöner gestalten“ gestellt hat. Was kann ich – angesichts des bisher gesagten – überhaupt tun?
Wie man sieht, versuche ich, utopische Vorstellungen zu demontieren, die vom „bloß GUTEN Menschen“ ausgehen und damit die Hälfte der Wirklichkeit verdrängen. Rezepte, die auf einer solchen Reduktion basieren, bringen nur noch mehr Leid in die Welt als „von selber“ schon da ist. Wir sind janusgesichtige Wesen und werden nicht zu Heiligen werden, was auch nicht anzustreben ist, da wahre Heilige, innerlich losgelöst von der Condition Humaine, sich in der Regel nicht mehr fortpflanzen.
Für mich gibt es keinen „optimalen Zustand“, den man anstreben könnte – es geht darum, im JETZIGEN ZUSTAND ganz da zu sein und sich dem, was kommen will, hinzugeben. Also tun, was nötig ist, ohne erst das beschränkte „rechnende Denken“ Kosten und Nutzen kalkulieren zu lassen (als gäbe es da jemanden, eine frei schwebende „Monade“, die ganz isoliert tatsächlich „gewinnen“ könnte). Wir sind ein dynamischer Prozess in ständiger Wechselwirkung mit der ebenfalls veränderlichen Welt – und wo man die Grenze zwischen „ich“ und „Welt“ setzt, kann sich ebenfalls ändern.
Je besser ich das erkenne, je „ganzheitlicher“ mein Blick wird, desto förderlicher kann ich mich am Geschehen beteiligen – und zwar ohne das „aus dem Kopf heraus“ anzustreben. Dazu gehört, mich selbst nicht zu belügen und – soweit mir das gelingt – auch anderen nicht ständig „die Perfekte“ vorzuspielen, was üblicherweise in Neid, Missgunst und Streit ums „richtige Leben“ ausartet. Ich lasse so oft wie möglich die auf Gewinn in der Zukunft spekulierende Sicht der Dinge links liegen und erlebe mich als Wahrnehmung verschiedenster Eindrücke, die alsbald den Impuls zur Resonanz spüren lassen: Eindruck wird Ausdruck, Welt wird „ich selbst“ – ob die Welt durch meine Beiträge schöner wird, müssen andere beurteilen.
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15 Kommentare zu „Wie verbessere ich die Welt?“.