Als Jahresendzeit-Muffel meide ich die festlichen Verstrickungen rund ums Fest der Feste seit Jahrzehnten. In der wilden Jugendzeit empörte ich mich noch über die Geschenke-Orgie, das „lieb sein auf Kommando“ und das ganze kommerzielle Geschwurbel, das in den Supermärkten schon im September beginnt. Später wurde ich dann milder, gönnte den Leuten ihren Spaß, hielt mich gleichwohl raus und genoss die stillen Tage als verdiente Auszeit, in der ich endlich Dinge tun kann, die sonst im Tagesgeschäft wenig Platz finden, z.B. viel im Diary schreiben, aufräumen, ausmisten, Klarheit und Überblick auf allen Ebenen schaffen – wie angenehm!
Da ich zur Zeit die im Netz schwer „gehypten“ Communities erforsche, bekomme ich mit, wie massiv das Thema Weihnachten die Gemüter bewegt. Vor allem fällt mir auf, dass Weihnachten offensichtlich viele dazu motiviert, sich als „Einsame“ zu outen und ihre ganze Bedürftigkeit in die Online-Welt zu schreiben – ein Verhalten, das sie nicht unbedingt attraktiver macht, aber immerhin allerlei Ermunterungen und Mitleidsreaktionen von Seiten der Leser auslöst. Andere werden nicht müde, ihren extrem hohen Grad des „eingebunden seins“ zu verkünden: überquellende Mail-Accounts, hektische Festvorbereitungen, aufwändige Festivitäten mit Famile und Hinz und Kunz – es wird vorgetragen wie ein Status-Symbol: seht her, ich bin NICHT einsam!
Was ist nur los mit den Leuten? Warum haben so viele Probleme damit, sich als Alleinstehende sinnvoll zu beschäftigen? Sie scheinen sich als Mängelwesen und Vollversager zu empfinden, wenn sie am heiligen Abend nicht irgendwo unterm Weihnachtsbaum sitzen und am 1.Weihnachtsfeiertag niemand eine Gans in den Ofen schiebt. Ist das die dunkle Rückseite des „Fests der Liebe“ – die Hölle der Einsamkeit?
Wenn ich dann genauer hinsehe und zum Beispiel die Profile derjenigen lese, die so jammervoll ihre Sehnsucht nach Liebe in Gedichten und Prosa verlautbaren, ist der Grund ihrer Einsamkeit leicht erkennbar: Sie schauen nur auf sich, auf ihre Bedürfnisse und Mangelgefühle, zudem haben sie sehr konkrete Vorstellungen, wie die- oder derjenige sein soll, der sie aus ihrer Verlassenheit endlich erlösen möge. Sie interessieren sich im Grunde für nichts außer sich selbst und pflegen einen komplett egozentrischen Blick auf die Welt – ist es da ein Wunder, dass sie einsam sind?
Einsamkeit ist ein selbst gemachtes Mangelgefühl. Anstatt sich zu fragen, was fehlt und was sie gerne hätten, könnten diese Menschen (wenigstens zu Weihnachten!) sich zur Abwechslung fragen, was gebraucht wird und was sie geben könnten. Und dann einen Schritt nach draußen tun und einfach damit anfangen: es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu engagieren, zwischen den Jahren und an den Festtagen irgendwo mitzuhelfen, wo helfende Hände dringend gebraucht werden. Auch gibt’s vielleicht Menschen im Bekanntenkreis, die ebenfalls alleine sind: anstatt auf Einladungen zu warten könnte man doch selbst auf andere zugehen und etwas veranstalten. Aber nein, sie sitzen ja so viel lieber vor dem Monitor und hämmern ihr Elend in die Tastatur!
Aufmerksamkeit und Zuwendung ist nicht nur etwas, das wir alle gerne haben wollen, sondern vor allem etwas, das wir GEBEN können. Ein Geben, das seinen Lohn in sich trägt, denn als Gebender bekommt man automatisch das zurück, wonach das Herz verlangt – und ganz ohne suchen und bemühtes „Pfauenrad-schlagen“ nach dem Motto: schaut, wie toll ich bin, will mich denn keiner?
Es braucht nur eine Änderung der Blickrichtung um 180 Grad: nach außen, zu den Anderen schauen – und nicht auf die eigene „Verlassenheit“. Dann ist Einsamkeit nie wieder ein Thema, nicht mal zur Weihnachtszeit.
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15 Kommentare zu „Fest der Liebe: Einsamkeit an Weihnachten?“.