Das Energie-Tief scheint überwunden – ach, was sag ich, es ist einfach durch. Immer diese Arbeitssprache, als bestünde alles aus Mühe und Leistung! In den letzten Tagen hab‘ ich NICHTS getan und es war gut so: kein bloggen, kein Blick auf die ToDo-Liste, nicht mal die „verteilten Aufräumarbeiten“, die ich ins Auge gefasst hatte – nur rumlungern, lesen, surfen, durch die TV-Märchen-Welt zappen, ein Saunabesuch und ein paar kurze Kontrollgänge in den Garten. Das weihnachtliche Still-Stehen der Geschäftswelt vermittelt deutlich größere Ruhe als wenn ich mir ganz individuell eine Auszeit nehme. Der Herdentier-Aspekt im menschlichen Leben verschwindet offenbar niemals ganz: Was alle machen bzw. nicht machen, fällt leichter als jede eigene Bewegung.
Abschied vom wilden Garten
Grade ist der Jahresrückblick das kollektive Thema – soll ich also auch? Immerhin fällt mir sofort ein „wesentliches Ereignis“ ein, nämlich die Kündigung des Gartens im August. Die Grüne Idylle, die mir im Sommer 2006 zugefallen war, wurde vom Nachbarn gekauft, der dort alles platt machen und das Grundstück als Auto-Abstellplatz nutzen wird. Es war dann doch ein Schock fürs Gemüt, obwohl ich die ganze Zeit wusste, dass das jederzeit passieren kann, denn es war nur eine „Überlassung zur kostenlosen Nutzung“ mit 14-tägiger Kündigungsfrist.
Bis gestern war unklar, wann der neue Eigentümer das Grundstück benötigen würde, nun ist es soweit: Bis Mitte Februar ist noch Zeit zum ausräumen, dann ist Schluss. In den fünf Monaten seit der Kündigung machte ich die lehrreiche Erfahrung, dass der Ausblick auf eine Zukunft doch wesentlich das JETZT mitbestimmt – zumindest, wenn es sich um einen Garten handelt, in dem ein Großteil des gärtnerischen Tuns zwangsläufig auf Wachsen und Werden ausgerichtet ist: Warum noch Bäume beschneiden, wenn sie doch bald gefällt werden? Ich setzte keine Pflanzen mehr und ließ die, die schon da waren, wachsen wie sie wollten, bzw. verdorren, ohne noch irgend etwas abzuräumen. Kompost sieben? Wozu denn? Immerhin war der Garten noch Erholungsort, die Mittagspausen in der grünen Wildnis werde ich vermissen.
Mein eigenes Gerede vom Leben im Augenblick erschien auf einmal als spiritueller Hochmut und bloßes Geschwätz: Solange die Zukunft OFFEN ist, der Raum der Hoffnungen und Planungen also zur (potenziellen) Nutzung bereit steht, lässt sich locker im „Hier und Jetzt“ sinnvoll agieren – wenn ich aber weiß, dass es keine Zukunft gibt, sieht das anders aus. Wenn ich also mal erfahren sollte, dass ich noch sechs Monate zu leben habe, werde ich mir nicht noch den zusätzlichen Stress machen, weiter „Apfelbäumchen zu pflanzen“!
Ullas Abschied
Ulla ist in diesem Jahr gestorben: eine liebe Freundin, die ich schon viele Netzjahre kannte, eine kreative, fröhliche Frau, die wunderbar fotografierte, viel schrieb, an verschiedenen Schreibimpulse-Kursen teilnahm, und mich immer mit ihrer „schnoddrigen Schreibe“ beeindruckte. Sie war die erste aus meinem weiteren Umfeld, die auf ihrer Homepage von ihrer Krankheit berichtete, von ihren Diagnosen und ihrem Entschluss, keine Chemotherapie zu machen. Ihre letzten Einträge schrieb sie aus dem Hospiz heraus, in dem sie die letzten Tage verbrachte. Ich werde Ulla nicht vergessen, eine lebenslustige, liebevolle und sehr mutige Frau!
Neue Web-Werke
Und sonst? Was meine eigene Web-Arbeit angeht, war es das Jahr des Bloggens: neben das Digital Diary trat das wilde Gartenblog, in dem ich häufig schrieb und vor allem viele Bilder zeigte: mit der neuen DigiCam hab‘ ich 2007 soviel fotografiert wie zuvor im ganzen Leben nicht! Im Sommer kam das neue Webwriting-Magazin dazu, jetzt ebenfalls ein Blog, nachdem es mehrere Jahre bloß als „Webleiche“ herum stand, Memorial meiner früheren Zusammenarbeit mit Michael Charlier, der sich anderen Arbeitsfeldern zugewendet hatte. Bisher ist es ein „Gelegenheits-Blog“, doch werde ich dort in Zukunft über alles schreiben, was mir in Sachen Internet erwähnenswert erscheint.
Ende des Blogger-Hypes – Themen-Recycling
Das Update und die Bekanntmachung des WWMAG hat meine Aufmerksamkeit einige Zeit auf die „Blogosphäre“ gerichtet, wobei ich amüsiert feststellte, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, außer ein paar neuen technischen Features. Ich kam mir stellenweise vor wie auf einer Zeitreise in die Jahre 1996 bis 1998, als die „Homepage-Szene“ boomte und alle glaubten, ungeheuer wichtig zu sein und gerade eine wesentliche Weltveränderung zu vollziehen – nämlich die, dass nun „jeder ins Netz schreiben“ und seine Meinung äußern kann. Dieselben Themen wie damals bewegten in der Bloggerszene die Gemüter der nächsten Generation: Werbung oder nicht, Sinn und Unsinn persönlicher Publikationen („Katzencontent“), Konkurrenz zu traditionellen Medien, Klagen über fehlende Inhalte jenseits des „Bloggens“, gegenseitiges ans Bein Pinkeln der „A-Blogger“, Beschwörungen und Abgesänge auf ein „Wir-Gefühl“, das mit wachsender Verbreitung der Blogs naturgemäß abnimmt.
2007 war bereits das Jahr des Niedergangs des Blogger-Hypes, die Webwelt treibt eine neue Kuh durchs Dorf: Communities, die zeitgemäße Fortentwicklung der alten Foren und noch älteren Mailinglisten. Und wieder weiß man nicht so genau, wie damit richtig Geld verdient werden soll, springt aber schon mal auf den fahrenden Zug auf, um nichts zu verpassen. „Richtig Geld“ scheint es jedoch immer nur zu geben, wenn man rechtzeitig Hoffnungen darauf verkaufen kann: Etwas aufbauen und dann von einem „Großen“ kaufen lassen, der dann ernüchtert feststellt, dass das alles nur läuft, wenn viel menschliche Arbeit investiert wird. Und gerade das will man ja immer wieder gerne vermeiden – so ein Ärger!
Über den Tellerrand
Und der große Rest der Welt? Entgegen dem Eindruck, den die Medien vermitteln, war es ein friedlicheres Jahr, sogar im Irak scheint sich die Lage gebessert zu haben (zum Ärger von Bin Laden, der deshalb gerade eine neue „Warnung“ per Video zum besten gab). Hierzulande ließ der Aufschwung die Kassen klingeln und die Arbeitslosenzahlen drastisch zurück gehen – doch nicht alle hatten etwas davon, was zu einem Linksruck in der politischen Landschaft führte. Wie man liest, schwingt auch an der Theorie-Front das Pendel wieder in die andere Richtung: Kritiker des neoliberalen Turbo-Kapitalismus, der nur den Shareholder-Value kennt, bekommen mehr Aufmerksamkeit und in den Unternehmen entdeckt man die Wichtigkeit der „Work-Life-Balance“, wer hätte das gedacht!
Dass die Klimafrage zum Top-Thema wurde, kann ich nur begrüßen – zwei Jahre meines Arbeitslebens (1994/95) war ich als Projektleiterin in Sachen Klimakatastrophe aktiv und erinnere mich noch gut an den Frust, den es bedeutete, im Rahmen der erarbeiteten Kampagnen für Mieter, Behörden und Unternehmen immer wieder zu bemerken, wie sehr die Sache den Leuten am Arsch vorbei geht. Nun ist das Klima Transmissionsriemen für eine ganze Reihe anstehender Veränderungen – ich war halt nur der Zeit zu weit voraus.
Zum Rückblick gehört ja eigentlich auch ein Ausblick: mal sehen, ob mich die Muse da in den nächsten Tagen noch mal küsst.
Falls nicht, habt alle einen guten Rutsch!
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