Es ist zehn vor sieben, doch bin ich schon seit fünf Uhr früh wach und fit. Wie unglaublich ruhig es hier ist! In Phnom Penh lebte ich vergleichsweise in einem niemals endenden Sound-Orkan aus Verkehrslärm, Baustellen-Sounds, Gehupe, buddhistischen Ritual-Klängen ab morgens um vier und Muezzin-Rufen alle paar Stunden. Hunderttausende Mopeds knattern zu allen Tageszeiten durch die Straßen, was schon mal eine „Grunddröhnung“ ergibt, die an Lautstärke jeden mir bekannten Berliner Straßenlärm um viele Dezibel übertrifft.
Und jetzt diese Stille!
Der Erstkontakt mit der winterlichen Kälte war ebenfalls beeindruckend und erstaunlich angenehm. Ein anheimelndes Gefühl freudigen Wiedererlebens für den Körper, der lange lange in der tropischen Hitze lebte, aus der es kein Entkommen gibt: weder nachts, noch unter der Dusche, noch in einem Hotel-Swimming-Pool. Einzig die Klima-Anlage schafft Kühle, die jedoch andere Leiden mit sich bringt, so dass man gerne darauf verzichtet und sich lieber an die Temperaturen gewöhnt. Was ja auch klappt: Sobald ich die Suche nach Abkühlung aufgegeben hatte und nur noch die verschiedenen Stadien des Schwitzens und Nichtschwitzens beobachtete, war da kein Leiden mehr, meistens jedenfalls nicht.
Als ich dann aber über die Treppe des Fliegers in die vier Grad kalte Berliner Luft trat, war es doch eine tiefe Erleichterung: die Zärtlichkeit der Kälte umfing mich und gab mir ein erstes Gefühl des Heimkommens, des Ankommens in MEINER Normalität europäischer Kühle.
Und Ordnung…
Mein Kühlschrank ist komplett verschimmelt. Zwar hatte ich ihn abgetaut, doch muss zwischenzeitlich die Tür zugefallen sein, was dem Schimmel optimale Lebensbedingungen bot. Damit hab‘ ich also angefangen: Böden und Schuber rausnehmen, alles spülen und putzen – und wenn ich mich so umsehe, könnte ich damit gleich weiter machen – tage- und wochenlang! Ich war noch nie eine gute Hausfrau oder gar „Putzfee“ und wollte es auch nie werden, doch nach sechs Wochen Aufenthalt in täglich von der Maid nass gewischten Räumen erscheint mir meine mittlerweile sowieso renovierungsbedürftige Wohnung als ein wahrer Saustall!
Hinzu kommt, dass mich nach drei Wochen Phnom Penh endlich der allergische Schnupfen verließ, der mich seit letzten Herbst quälte. Vermutlich eine über die Jahre entwickelte Hausstaub-Allergie, vor der mich regelmäßiges Staubsaugen bei weitem nicht bewahren konnte. Nicht in meinem gemütlichen Zimmer mit dickem Berber-Teppich, vielen Kissen und Decken, dem riesigen Polster-Sofa und offenen Bücher-Regalen, allesamt Staubfänger par excellence. Dazu das seit drei Jahren wieder auf den Boden bzw. nur einen Lattenrost verlegte Bett, optimale Heimstatt für die Hausstaubmilbe, deren Lebenszyklus durch Wäsche wechseln kaum tangiert wird, wie ich mittlerweile weiß.
Mein nun wieder aufzunehmendes „normales Leben“ erscheint mir im Moment als eine riesige Baustelle, auf der ich nicht recht weiß, wo anfangen. Auf dem Tisch türmt sich die Post und wo ich hinschaue oder auch nur hindenke, fällt mir jede Menge ein, was dringlich zu tun und zu ändern ist. Gleichzeitig fühl‘ ich mich völlig außerhalb – es ist (noch) der Zustand bei getretener Kupplung, bevor man den neuen Gang einlegt. Ein irritierender, aber wunderbar abenteuerlicher Zustand, den ich jetzt nicht mit blindem Aktionismus überschreiben will.
„Der höchste Weg ist ohne Wahl“, heißt es in der Meiselschrift vom Glauben an den Geist. „Ohne Wahl“ war das Putzen des verschimmelten Kühlschranks – ich bin gespannt, was sich als nächstes aufdrängt.
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8 Kommentare zu „Kälte, Ruhe, Ordnung: wieder daheim“.