Immer wieder stolpere ich über die Erfolgs- und Karriereblogs, die ihrer Leserschaft nahe bringen wollen, wie man es anstellt, beruflich erfolgreich zu sein. Dazu sei es unverzichtbar, sich selber „hohe Ziele“ zu setzen und dann alle Tätigkeiten daraufhin anzusehen, ob sie einen dem Ziel näher bringen oder nicht. Es gibt da jede Menge Schaumschläger, die mit ein paar reißerischen Versprechungen ihre Bücher, E-Book oder Kurse unters Volk bringen wollen, aber auch seriöse „Persönlichkeitsentwickler“, die engagiert ihre Lehre verbreiten – im spürbar ehrlichen Bemühen, den Menschen weiter zu helfen.
Und so geht’s: Ziele finden, Ziele sehr konkret formulieren und einen Zeitraum festlegen, bis wann man sie erreichen will. Zielerreichung imaginieren (wie wird mein Leben sein, wenn das Ziel erreicht ist?); den Weg zum Ziel in Schritte aufteilen und loslegen, immer wieder schauen, ob man dem Ziel näher gekommen ist. Ist doch einfach!
Zieltechnisches Versagen und trotzdem Erfolg
Würde ich mir diese Lehre zu eigen machen, müsste ich mich trotz beruflicher Erfolge als Versagerin fühlen. Denn noch nie ist es mir gelungen, ein längerfristiges „hohes Ziel“ zu formulieren, das in irgend einer Art meine Leidenschaft entzündet. Kleine, eher operationale Zielvorstellungen wie „mit dieser Einkommenssäule sollte ich 30% mehr verdienen können“ haben (auch erst in den letzten zwei Jahren) durchaus ihren Beitrag geleistet: schließlich weiß ich nur dann, dass ich Erfolg habe, wenn ich irgendwann mal konkret sage, was das im Einzelfall bedeutet. Das aber ist doch eine eher banale „Weisheit“, die es kaum verdient, so ein Bohei drumrum zu machen.
Macht dir Freude, was du tust?
Mein Arbeitsleben hat sich immer schon rund um Lust und Freude entwickelt. Und zwar Freude im Hier und Jetzt, nicht irgendwann später: ich war komplett unwillig und damit auch unfähig, längere Zeit einer Beschäftigung nachzugehen, die mich als solche gar nicht interessiert, mit der ich aber Geld verdiene. Das Leben für die Freizeit, das Wochenende und den Urlaub konnte mich noch nie locken: man arbeitet einfach viel zu lange, um sich derart auf ein „später“ vertrösten zu lassen. Zudem strengt Arbeit auch an und wenn ich dann endlich „Zeit fürs Eigentliche“ hätte, bin ich doch schon viel zu ausgepowert, um in der „Frei-Zeit“ noch wirklich kreativ und freudig ganz andere Dinge zu unternehmen. Ein paar Studentenjobs in großen Firmen und Behörden hatten mir das klar gemacht: Selbst eine „ruhige Kugel“ (das gab’s damals noch!) machte mich schier wahnsinnig vor Langeweile. Ich stellte schnell fest: So geht das nicht, ein solches Berufsleben wäre für mich die Hölle.
Heraus gekommen ist dann ein „prekärer Patchwork-Lebenslauf“ mit wechselnden Engagements voller Leidenschaft, darunter Zeiten offizieller Arbeitslosigkeit, in denen ich z.B. Politik machte bzw. mich „ehrenamtlich“ (im Grunde „hauptamtlich“) sinnvoll beschäftigte. Immer wieder auch Selbständigkeit: Mal eine Zeitung, mal eine Kneipe, und seit 1996 dann das Internet, in das ich mich begeistert entlang an eigenen Projekten einarbeitete – bis dann Leute kamen und sagten: Mach das doch auch mal für uns!
In der Arbeit aufgehen
Ziele? Hatte ich nicht, definitiv nie. Mein „Ziel“ war, in der Arbeit aufzugehen, mich selbst zu vergessen im kreativen Tun, mit anderen oder alleine spannende Projekte anzuschieben – und darauf musste ich nicht mühsam hinarbeiten, das war sofortiges Ergebnis der täglichen Wahl: was tu‘ ich JETZT?
Ok, heute ist wieder der Tag, an dem ich die Umsatzsteuervoranmeldung (ah, allein schon das Wort!) machen muss. Das ist nicht gerade eine spaßige Tätigkeit, wenn es auch mittlerweile ganz interessant ist, sich alle drei Monate mal einen Überblick zu verschaffen, was so gelaufen ist an der Finanzfront. Aber es ist nur EIN HALBER TAG in drei Monaten – durchaus verkraftbar!
Ein Leben, das sich an der Freude am Machen orientiert, braucht kein Anhäufen materieller Werte oder Statussysmbole. Erfolge im Sinne der Erfolgstrainer hatte ich ja durchaus auch: mal 160.000 Mark vom Bezirksamt zur freien Verwendung in der Stadtteilarbeit, mal überdimensional gut bezahlte Web-Aufträge von Institutionen, die nicht gewöhnt waren, dass es auch preiswerter geht (das musst ich nicht etwa verlangen bzw. verhandeln, es war um die Jahrtausendwende „das Übliche“). Doch ich fühlte nichts dabei, so etwas „erreicht zu haben“, Ansätze von Siegertreppchen-Gefühlen dauerten grade mal 5 Minuten, dann war nurmehr wichtig, was mir IMMER wichtig ist: Macht es Freude, was ich da tue??
Und so geht die Lehre von den „hohen Zielen“ nach wie vor an mir vorbei, denn ich bin immer schon angekommen, wo ich sein will. Von da aus geht es weiter, indem ich meinen Impulsen folge und zu allem, was so auf mich zukommt und sich als Möglichkeit eröffnet, ja oder nein sage: quasi „aus dem Bauch heraus“, der zu Belohnungen in der Zukunft kein Verhältnis hat, aber sehr genau weiß, was Spass macht. Ebenso kann das Herz mein „Arbeitgeber“ sein, dann freue ich mich am guten Sinn, den eine Sache hat. Alleine aus dem rechnenden Verstand heraus ein Berufsleben zu bestehen, kann ich mir gar nicht vorstellen – und für mich ist das sehr gut so!
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8 Kommentare zu „Braucht Erfolg das Streben nach Zielen?“.