Claudia am 09. Mai 2008 —

Braucht Erfolg das Streben nach Zielen?

Immer wieder stolpere ich über die Erfolgs- und Karriereblogs, die ihrer Leserschaft nahe bringen wollen, wie man es anstellt, beruflich erfolgreich zu sein. Dazu sei es unverzichtbar, sich selber „hohe Ziele“ zu setzen und dann alle Tätigkeiten daraufhin anzusehen, ob sie einen dem Ziel näher bringen oder nicht. Es gibt da jede Menge Schaumschläger, die mit ein paar reißerischen Versprechungen ihre Bücher, E-Book oder Kurse unters Volk bringen wollen, aber auch seriöse „Persönlichkeitsentwickler“, die engagiert ihre Lehre verbreiten – im spürbar ehrlichen Bemühen, den Menschen weiter zu helfen.

Und so geht’s: Ziele finden, Ziele sehr konkret formulieren und einen Zeitraum festlegen, bis wann man sie erreichen will. Zielerreichung imaginieren (wie wird mein Leben sein, wenn das Ziel erreicht ist?); den Weg zum Ziel in Schritte aufteilen und loslegen, immer wieder schauen, ob man dem Ziel näher gekommen ist. Ist doch einfach!

Zieltechnisches Versagen und trotzdem Erfolg

Würde ich mir diese Lehre zu eigen machen, müsste ich mich trotz beruflicher Erfolge als Versagerin fühlen. Denn noch nie ist es mir gelungen, ein längerfristiges „hohes Ziel“ zu formulieren, das in irgend einer Art meine Leidenschaft entzündet. Kleine, eher operationale Zielvorstellungen wie „mit dieser Einkommenssäule sollte ich 30% mehr verdienen können“ haben (auch erst in den letzten zwei Jahren) durchaus ihren Beitrag geleistet: schließlich weiß ich nur dann, dass ich Erfolg habe, wenn ich irgendwann mal konkret sage, was das im Einzelfall bedeutet. Das aber ist doch eine eher banale „Weisheit“, die es kaum verdient, so ein Bohei drumrum zu machen.

Macht dir Freude, was du tust?

Mein Arbeitsleben hat sich immer schon rund um Lust und Freude entwickelt. Und zwar Freude im Hier und Jetzt, nicht irgendwann später: ich war komplett unwillig und damit auch unfähig, längere Zeit einer Beschäftigung nachzugehen, die mich als solche gar nicht interessiert, mit der ich aber Geld verdiene. Das Leben für die Freizeit, das Wochenende und den Urlaub konnte mich noch nie locken: man arbeitet einfach viel zu lange, um sich derart auf ein „später“ vertrösten zu lassen. Zudem strengt Arbeit auch an und wenn ich dann endlich „Zeit fürs Eigentliche“ hätte, bin ich doch schon viel zu ausgepowert, um in der „Frei-Zeit“ noch wirklich kreativ und freudig ganz andere Dinge zu unternehmen. Ein paar Studentenjobs in großen Firmen und Behörden hatten mir das klar gemacht: Selbst eine „ruhige Kugel“ (das gab’s damals noch!) machte mich schier wahnsinnig vor Langeweile. Ich stellte schnell fest: So geht das nicht, ein solches Berufsleben wäre für mich die Hölle.

Heraus gekommen ist dann ein „prekärer Patchwork-Lebenslauf“ mit wechselnden Engagements voller Leidenschaft, darunter Zeiten offizieller Arbeitslosigkeit, in denen ich z.B. Politik machte bzw. mich „ehrenamtlich“ (im Grunde „hauptamtlich“) sinnvoll beschäftigte. Immer wieder auch Selbständigkeit: Mal eine Zeitung, mal eine Kneipe, und seit 1996 dann das Internet, in das ich mich begeistert entlang an eigenen Projekten einarbeitete – bis dann Leute kamen und sagten: Mach das doch auch mal für uns!

In der Arbeit aufgehen

Ziele? Hatte ich nicht, definitiv nie. Mein „Ziel“ war, in der Arbeit aufzugehen, mich selbst zu vergessen im kreativen Tun, mit anderen oder alleine spannende Projekte anzuschieben – und darauf musste ich nicht mühsam hinarbeiten, das war sofortiges Ergebnis der täglichen Wahl: was tu‘ ich JETZT?

Ok, heute ist wieder der Tag, an dem ich die Umsatzsteuervoranmeldung (ah, allein schon das Wort!) machen muss. Das ist nicht gerade eine spaßige Tätigkeit, wenn es auch mittlerweile ganz interessant ist, sich alle drei Monate mal einen Überblick zu verschaffen, was so gelaufen ist an der Finanzfront. Aber es ist nur EIN HALBER TAG in drei Monaten – durchaus verkraftbar!

Ein Leben, das sich an der Freude am Machen orientiert, braucht kein Anhäufen materieller Werte oder Statussysmbole. Erfolge im Sinne der Erfolgstrainer hatte ich ja durchaus auch: mal 160.000 Mark vom Bezirksamt zur freien Verwendung in der Stadtteilarbeit, mal überdimensional gut bezahlte Web-Aufträge von Institutionen, die nicht gewöhnt waren, dass es auch preiswerter geht (das musst ich nicht etwa verlangen bzw. verhandeln, es war um die Jahrtausendwende „das Übliche“). Doch ich fühlte nichts dabei, so etwas „erreicht zu haben“, Ansätze von Siegertreppchen-Gefühlen dauerten grade mal 5 Minuten, dann war nurmehr wichtig, was mir IMMER wichtig ist: Macht es Freude, was ich da tue??

Und so geht die Lehre von den „hohen Zielen“ nach wie vor an mir vorbei, denn ich bin immer schon angekommen, wo ich sein will. Von da aus geht es weiter, indem ich meinen Impulsen folge und zu allem, was so auf mich zukommt und sich als Möglichkeit eröffnet, ja oder nein sage: quasi „aus dem Bauch heraus“, der zu Belohnungen in der Zukunft kein Verhältnis hat, aber sehr genau weiß, was Spass macht. Ebenso kann das Herz mein „Arbeitgeber“ sein, dann freue ich mich am guten Sinn, den eine Sache hat. Alleine aus dem rechnenden Verstand heraus ein Berufsleben zu bestehen, kann ich mir gar nicht vorstellen – und für mich ist das sehr gut so!

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Diskussion

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8 Kommentare zu „Braucht Erfolg das Streben nach Zielen?“.

  1. Für mich ist Erfolg die wertneutrale Folge von Umständen und Taten. Will ich ein Ziel erreichen, frage ich jene, die es erreicht haben. Wollte ich Malen lernen, würde ich Bilder anschauen und die Maler befragen, deren Bilder mir gefielen, wie ich vorgehen soll und würde sie bei ihrer Arbeit beobachten. Bücher über Erfolg zu lesen halte ich für Zeitverschwendung und ich wäre nicht überrascht, täten die meisten Autoren nichts anderes als zu schreiben, Geld verdienen mit dem Produzieren möglichst vieler Worte.
    Für mich ist die Freude an der Arbeit (ebenfalls) wichtiger als Status, viel Geld, Macht. Ich finde, am schwierigsten ist, herauszufinden, was man will und danach zu leben. Hätte ich früher erkannt, wie ich zu anderen Menschen stehe und was ich will, hätte ich weniger leiden müssen. Inhalte im Web können helfen bei der Suche.

  2. Dieser Text von Dirk (hor.de) bringt auf den Punkt, was ich so scheußlich finde:

    Es schaffen

    Ein Freund ist wieder da. Ein Freund des Freundes erzählte es. Vier Jahre hat er Asien und Afrika bereist. Sein großer Traum. Er habe es aber, erzählt der Freund des Freundes, nicht geschafft. Was? Er sei nun mittellos, brauche Unterstützung, sei eben draußen und werde es schwer haben.

    Es. Wie manche von Sex reden, dass sie es getan, getrieben hätten, spricht man vom Erfolg. Man habe es geschafft. Wer es im Allgemeinen geschafft hat, hat Status, Zahlungseingang, Aussicht auf mehr. Wer andere Ziele hat, muss sie darlegen. Aber was immer man erreicht, kommt nicht Geld dazu, hat man es nicht geschafft.

    Wer anderer Menschen Chancen mehrt, es zu schaffen, tut das Gute. Auf dem Siegertreppchen sei Platz für alle. Make money. Make more money. Make other people produce so as to make more money. Ausgerechnet der ganz wirre L. Ron Hubbard ist der Prophet des Zeitalters. Der Rufer des Es, des Es Geschafft.

    Leider kann man keine Geschichten daraus spinnen. Dass einer es geschafft hat, ist bloß langweilig. Man ahnt, dass der Erinnerung vom Es nichts bleibt. So erzählen, die es geschafft haben, gedruckt, gesendet zu werden, erfolgreiche Stimmen, vom Scheitern als Gegenstand oder Phantasie.

    (Die Odyssee berichte, meinte ein Lehrer, von den Erfolgen des Odysseus, erst gegen Troja, dann gegen die See, zuletzt gegen die Freier auf Ithaka. Dass der Held allein kam, bemerkte er durchaus: so überrage er alle. Seine Schüler lernen, was sie brauchen, um es zu schaffen, später. Kein Zweifel.)

  3. oh claudia, tut gut, diese deine gedanken zu lesen. stimme dir voll zu….aus dem vollen schöpfen….und das herz als arbeitgeber…alles liebe m.

  4. Was ist Erfolg? Z.B. als Gast-Leser gute und niveauvolle Aufsätze zu finden – so wie hier – aus denen ich wirklich etwas mit nach Hause nehmen kann. Als einen Erfolg bezeichnen auch z.B. meine Frau und ich unsere Ehe: Seit 28 J. erfolgreich und glücklich verheiratet.

    Ein Kind, welches zum ersten Male alleine loslaufen kann – sieht man in seinem Gesicht, so kann man den Erfolg genau sehen!

    Erfolge wären, wenn wir Menschen es endlich (wieder) lernen würden, einander zu respektieren, zu tolerieren und einander richtig zuhören können;  wenn wir unsere (deutsche) Sprache wieder so einsetzen, dass ein jeder sie versteht.

    Sicher – im Berufsleben gibt’s Erfolge. Früher durch Eigenleistung – heute meist über Beziehungen (ich meide absichtlich Fremdwörter). 

    Meine 56 Jahren Erdenleben empfinde ich pers. eigentlich als relativ erfolgreich: Ich bin gesund, habe einen guten Job, eine liebe Familie, meine alltäglichen Probleme (wie jeder sie hat) und ein Dach über dem Kopf. OK – ich hatte auch Glück – dennoch – wie heißt es treffend bei wikipedia:

    Erfolg bedeutet, dass man im richtigen Augenblick die richtigen Fähigkeiten hat.

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
    Ein Gastleser

  5. Was ist schon genau Erfolg. Es muss ja nicht immer das große Geld sein. Auch eine Familie zu haben, die funktioniert und glücklich ist, hat auch schon viel mit Erfolg zu tun. In diesem Sinne. Noch einen schönen Feiertag.

  6. Braucht Erfolg das Streben nach Zielen?…

  7. Also das mit den höheren Zielen finde ich schön und gut, aber im Prinzip finde ich auch, das das häufig SchnickSchnack ist und man eigentlich von den schönen Momenten des Tages lebt. Ein nettes GEspräch, ein guter Gedankenaustausch. Vielen Dank für diesen Text…

  8. Ich finde schon, dass es funktioniert: wenn man sich ein Ziel setzt und daran arbeitet, dann erreicht man das Ziel. Vorausgesetzt, man ist überzeugt davon, dass man es erreichen kann. Natürlich bringt es nichts, wenn man sich als Bauarbeiter das Ziel setzt, Direktor bei einem Hightech-Konzern zu werden. Die Ziele müssen realistische sein. Andernfalls wird man nicht davon überzeugt sein können.
    Ich habe diese Technik des öfteren praktiziert – bis jetzt mit Erfolg. Ich will nicht sagen, dass man Erfolg nicht auch anders erreichen kann. Aber die Methode des Zielsetzens und Daran-Arbeiten scheint mir eine funktionierende Art zu sein. Ich habe dadurch ein eigene Tanzschule gründen können und dadurch meine Berufs- und Lebensstellung schaffen und festigen können.