Was bedeutet für dich Verantwortung? Die Frage stellt Frank vom Feel-better-Blog in Form einer „Blogparade“, zu der ich gerne ein paar Gedanken beitrage.
Sinnt man auch nur ein wenig über „Verantwortung“ nach, nimmt das Thema gleich Dimensionen an, die Stoff für ein halbes Jahr bloggen abgäben, mindestens. Da hilft nur, ganz eng am Persönlichen entlang zu schreiben: was heißt FÜR MICH Verantwortung? Wo bin ich verantwortlich und wo nicht?
Mein Tun und Lassen zu verantworten bedeutet zunächst mal, dass mir die Folgen meiner Handlungen nicht egal sind, unabhängig davon, wen sie außer mir noch betreffen. Einem Webdesign-Kunden drehe ich keine Seiten an, die zwar optisch in Ordnung sind, aber „unter der Haube“ Mängel aufweisen, die er nicht erkennen kann. Wäre ich Banker, würde ich keine risikoreichen Anlagen an Menschen verkaufen, die ihr Geld für ihr Alter sicher anlegen wollen. Mache ich Versprechungen, versuche ich, diese zu halten – so weit, so einfach.
Was aber ist mit der Verantwortung beim Einkaufen, beim Verbrauch von Energie, bei der Müll-Entsorgung? Inwiefern bin ich für die miesen Arbeitsbedingungen der dritten Welt verantwortlich, bloß weil ich Produkte kaufe, die mir im Supermarkt begegnen? Und was ist mit der Kassiererin, die nur einen prekären 400-Euro-Job hat? Ist das alles meine Schuld, weil ich nicht im Feinkost-Laden einkaufe oder die „Öko-Kiste“ aus dem Umland kommen lasse?
Macht und Verantwortung
Verantwortung sehe ich in Abhängigkeit von Macht: Wo ich keine Macht habe, bin ich auch nicht verantwortlich, denn da kann ich „nichts machen“. Da gilt der berühmte Spruch: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!“
Hilft das weiter angesichts der gestellten Fragen? Ja und nein. Ich habe keine Macht, die Arbeitsbedingungen der am Produktionsprozess Beteiligten zu verändern, wohl aber verfüge ich über die „Macht der Verbraucher“, kann also zwischen verschiedenen Produkten wählen und oft auch ganz verzichten.
Handle ich also nur dann verantwortlich, wenn ich „politisch konsumiere“ und mir stets aller Folgen und Rahmenbedingungen bewusst bin? Wieviel Verzicht muss ich mir dafür zumuten? Und wie komme ich überhaupt dazu, für den ganzen „Rest der Welt“ zu wissen, was jeweils „verantwortbar“ ist? Meine Reisen nach Kambodscha haben mir gezeigt, dass Menschen in Arbeitsverhältnissen richtig glücklich sein können, die wir hierzulande niemandem zumuten würden. So einen Arbeitsplatz zu verlieren, weil z.B. die Nachfrage wegbricht, wäre für diese Menschen ein Unglück – will und kann ich das verantworten, indem ich hier Konsumverzicht übe, um „bei den Guten“ zu sein?
Verantwortung und Arbeitsteilung
Unsere Welt funktioniert arbeitsteilig, in diesen Zeiten der Globalisierung ist die Arbeit sogar über die ganze Welt verteilt, so dass politische Kontrolle nur noch sehr begrenzt möglich ist. Es liegt nahe, nun einfach einem jeden, der irgendwo Gestaltungsmacht ausübt, auch die entsprechende Verantwortung zuzuordnen: Wer in Nigeria mit seinen Öl-Leitungen die Umwelt versaut, handelt ganz klar verantwortungslos (und gehört zu den Bösen!).
Wo keine Regeln das Handeln begrenzen, weil keine übergeordnete Macht sie setzt, berufen sich die Akteure zur Rechtfertigung ihres Tuns auf die „Macht der Märkte“: Wenn wir es nicht tun, sind wir schnell draußen, die Konkurrenz steht immer bereit, uns zu ersetzen! Und schon ist der Ball wieder beim Autofahrer, beim Pendler, der gar keine Wahl hat, anders zum Arbeitsplatz zu kommen als mit Hilfe des Benzins, das an den Tankstellen angeboten wird. Und wer wollte es ihm verdenken, dass er dort tankt, wo es ein paar Cent billiger ist?
Im Ergebnis leben wir also in einem System fluktuierender Verantwortunglosigkeit, in dem nahezu jeder Akteur einiges zu seiner Rechtfertigung anführen kann. Erst recht, wenn man es ganz aufs persönliche Leben herunter bricht: da müssen ja immer noch Familien ernährt werden, wofür Jobs angenommen und Geschäfte gemacht werden, die man ohne Not-Wendigkeit lieber nicht machen würde. Wie könnte ich als Kinderlose das verurteilen?
Annäherungen an verantwortliches Handeln
Wie halte ich es angesichts all des Gesagten also mit der persönlichen Verantwortung? Einerseits kann ich nicht die ganze Welt auf meinen Schultern tragen, andrerseits nicht darüber hinweg sehen, dass ich Teil des Ganzen bin und meine Wünsche und Bedürfnisse bzw. die Art, wie ich sie mir erfülle, am „System der Verantwortungslosigkeit“ ursächlich mitwirken. Es ist mir einfach nicht mehr möglich, schlichte Feindbilder zu pflegen und mich dabei „auf der richtigen Seite“ zu fühlen. Und an „persönliche Verantwortung“ kann ich mich letztendlich immer nur annähern: sehr weitgehend, wo ich eine beliebige Sache rundum selbst bestimme, deutlich weniger dort, wo ich eine unter vielen bin, die (z.B. mit dem Impuls, das preiswertere Produkt zu wählen) an dem, was statt findet, beteiligt sind.
Egal wie sehr ich mich bemühe, ich werde immer mitschuldig an irgend etwas, das ich so „eigentlich“ nicht verantworten will. Zudem muss ich sogar zugeben, dass ich mich nicht durchweg an allen denkbaren Fronten dauernd extrem bemühe: das schwankt nach Tagesform, Stimmung und aktueller Problemlage. Geht’s mir finanziell grade gut, bin ich eher geneigt, mich um den Rest der Welt zu kümmern als wenn ich um die nächste Miete fürchten muss.
Aus dem christlich-religiösen Kontext (aus dem ich schon als Kind ausgetreten bin) kenne ich den Begriff der „Erbsünde“. Wie er mir einst vermittelt wurde, fand ich ihn total absurd. Heute verstehe ich besser, was damit gemeint sein könnte: Auch wenn man sich noch so anstrengt, immer alles gut und richtig zu machen, um es verantworten zu können, findet sich doch immer auch eine „böse Folge“ – irgendwo, irgendwann, bei irgendwem.
Gegen die nicht gerade ermunternden Folgen dieser Erkenntnis im eigenen Fühlen hilft schon immer das „Opfern“. Heute empfiehlt es sich allerdings, nicht den Göttern zu opfern, sondern den Bedürftigen zu spenden: zum Beispiel einen Trinkwasser-Brunnen, wo er noch fehlt.
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14 Kommentare zu „Annäherungen an persönliche Verantwortung“.