Die Idee, mir zum Zehnjährigen eine Woche „Bloggen intensiv“ zu gönnen, inspiriert mich schon vorab mehr als ich dachte. Nicht nur, dass mir allerlei Themen einfallen, über die ich lange mal schreiben wollte: der Termin am 24.Februar strukturiert auch meine Zeit, die bisher aus voraussichtlich gleichförmigen Tagen bis hinein in den hohen Frühling bestand. Tage, die angefüllt sind mit alledem, was sich auf der ToDo-List sammelt, manchmal eine Vielfalt, die mich schier erschlägt.
Organisatorisches, Webdesign-Aufträge, das Buch aus den letzten Kurstexten, die fünf Blogs, meine Honorarschreiberei, die Behördenfront, kleine Korrekturen an diesem oder jenem Projekt – und dazwischen mailen, surfen, News konsumieren (Finanzkrise!), hier und da was kommentieren. Nix Besonderes insgesamt, das Gemüt bleibt friedlich, doch ist der Zerstreuungseffekt manchmal schier nicht zum aushalten.
Damals…
Eine Woche NUR bloggen wirkt da wie die Rückkehr ins Paradies, das 1996 bis 98 im Web stattfand, jedenfalls für mich und die damals noch überschaubare Zahl der „Webber & Homepager“: jeder kannte jeden, nicht wirklich, aber im Gefühl. „Da draußen“ hatte noch kaum jemand vom Internet gehört, das uns bereits „Lebensfeld“ geworden war: ein Abenteuerspielplatz ganz ohne die Mühen des Alltags. Vor allem ohne jeden Bezug zu Themen wie „Geld verdienen“, was viele dazu verführte, das Neuland als ganz besonders revolutionär anzusehen. Die Utopien schossen nur so ins Kraut, John Perry Barlow zeigte den „Regierungen der Welt, diesen müden Giganten aus Stahl und Fleisch“ den Stinkefinger und rief die „neue Heimat des Geistes“ aus. Nun ja…. bald stiegen die Start-Ups ein, die Internet-Blase blähte sich auf und das vergeistigte Treiben mit all seinen kreativen Blüten trat in den Hintergrund.
Klar gibt es dahin kein Zurück, doch allein schon die mehrtägige Konzentration auf bloßes „Spass-bloggen“ vermittelt mir ein abenteuerliches Gefühl, wie es in meinem Alltag sonst kaum mehr vorkommt. Ich lerne daraus, dass es wohl angesagt ist, meine übliche Strukturierung der Arbeit neu zu überdenken: statt ToDo-List und halbherzigem Wochenplan mit vielen verschiedenen Tätigkeiten verteilt über den Tag sollte ich lieber „Werktage“ ansetzen. Jeweils ein wichtigeres Projekt am Stück bearbeiten, so dass ich mich da richtig rein vertiefen kann: erst wenn die Gedanken an alles, was sonst noch auf Befassung wartet, definitiv verschwindet, kann der Flow sich entfalten, in dem Arbeit zum beglückenden Spiel wird.
Ich schließe mit einem Zitat des Medienphilosophen Vilém Flusser, das mich in den ersten Jahren sehr inspiriert hat – mal wieder zum nach-denken, ob und was es damit auf sich hat:
„Arbeit,
sei sie Tun oder Leiden, oder sei sie Tun und Leiden,
macht unfrei, weil sie Mögliches verwirklicht.
Nur wenn Tun und Leiden auf Automaten abgeschoben sind,
…, nur im Feld des Potentiellen ist die Freiheit:
nur wenn man projiziert anstatt zu operieren.“***
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
Ein Kommentar zu „Vom Buchstabenglück: 7 Tage bloggen…“.