Da man im Internet äußerst unterschiedliche Einschätzungen zur weiteren Entwicklung lesen kann (bis hin zu Untergangspropheten, die allen Ernstes zur Bewaffnung raten), frage ich immer mal wieder mir persönlich bekannte Menschen aus anderen Ecken der Welt nach ihrer Sicht der Dinge.
Zum Beispiel Peer, meinen lieben Freund in Phnom Penh, der in Kambodscha an der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mitarbeitet. Ich wollte wissen, ob er vielleicht Gründe sieht, meinen nächsten Besuch bei ihm vorsichtigerweise ausfallen zu lassen. Mit seinem Einverständnis zeige ich hier seine Antwort auf meine Mail, in der ich ihm auch allerlei besonders „katastrophische“ Webseiten, die sich fast genüsslich dem Ausmalen zivilisatorischer Zusammenbrüche widmen, zeigte.
„Es ist ja wirklich grauenhaft, welche Mengen dummes Geschwätz durch den offenen Zugang zu den Medien entstehen. Früher kannte man den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Zeitung, heute glaubt die Mehrheit jeden Unsinn, nur weil er im Internet steht. Die Panikmache und das Jammern sind zwei Leidenschaften der reicheren Nationen geworden und verinnerlichen sich dort immer mehr.
Darf ich dich an letzten Sommer erinnern, als ein Barrel Öl über 100 US$ kostete? Da wurden monatelang die finstersten Gespenster an die Wand gemalt und bereits mit konkreten Zahlen hochgerechnet, wie viele Menschen im Winter in Deutschland erfrieren werden. Und dann? Wer spricht heute vom Erdölpreis? Wo sind all diese hochkarätigen „Fachleute“ und „Experten“ vom letzten Sommer? Hast Du schon mal jemanden gehört, der seine Fehleinschätzung zugegeben hätte?
Was ist denn eigentlich passiert, wie sieht ein solcher „Zusammenbruch“ aus und wen betrifft er? Unsere Finanzmärkte, wie sie so schön heißen, haben ein System kreiert, wie man ohne zu arbeiten reich werden kann, indem man Geld permanent verschiebt (verleiht). Erstens ist Gewinn ohne Arbeit gegen jede Lebensregel, weil die schlicht besagt, dass man für sein Überleben was tun muss. Schau ins Tierreich! Zweitens sind durch mangelnde Aufmerksamkeit und geringe moralische Grundsätze Schneeball-Systeme im Finanzwesen entstanden. Du kennst das: ich werbe 10 Leute, die 100 Euro in die Kasse zahlen und 1000 Euro kriegen, wenn sie jeweils 10 neue geworben haben, die dann wieder 1000 Euro kriegen, wenn sie 10 neue geworben haben – und so weiter. Jeder weiß, dass dieses Spiel einmal krachend und mit Verlust für die meisten Beteiligten endet. Und solche Systeme hatten sich mehr und mehr in die internationale Finanzwelt eingeschlichen. Einige haben auch bombig daran verdient: der aufgeblähte Aktienmarkt und die Menge der riskanten Hedge Fonds sprachen eigentlich eine deutliche Sprache. Aber in dieser Situation, wo alles zwar höchst riskant, aber doch noch gut läuft, sind die Warner oder gar die Panikmacher eher stumm. Die kommen erst, wenn’s zu spät ist. Und Gambling macht ja vielen auch Spass, die Hoffnung auf (unverdienten) Gewinn und dann das große Jammern, wenn man alles verloren hat.
Aber wen betrifft es letztendlich? In erster Linie die, die aktiv gegambelt haben. In zweiter Linie aber auch Wirtschaftskreisläufe, die sehr stark (und manchmal bis zu unseriös) von Krediten abhängig sind, wie etwa die Bauwirtschaft. Und natürlich haben aufgeblähte Finanzmärkte auch einen erhöhten Konsum und dadurch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum zur Folge. Denn die Individuen, die daran teilhaben, investieren hauptsächlich in drei Bereiche: man kauft sich ein Haus, ein neues Auto oder macht eine tolle Reise. Und genau diese Branchen brechen jetzt konsequenterweise ein, mit Wirtschaftswachstum ist es erstmal vorbei. Ist ja auch klar, weil vieles davon gar kein richtiges, sondern aufgeblähtes Wachstum war! Die Blase ist nun leider geplatzt. Musste sie aber sowieso irgendwann.
Trotz der vielen Horrormeldungen, Claudia: kein Grund zur Panik! Wir werden nicht verhungern, wir werden lediglich unseren Konsum etwas einschränken müssen und das war ja schon lange fällig. Wird aber vermutlich noch nicht einmal lange dauern. Verglichen mit den Armen hier in Kambodscha werden wir weiter im Luxus leben.“
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11 Kommentare zu „Finanzkrise – müssen wir uns fürchten?“.