Dass es unter Umständen sehr schnell gehen kann, zu einer weitgehend hilflosen, pflegebedürftigen Person zu werden, musste ich gestern schmerzlich erleben. Auf dem Weg vom Garten nach hause, den ich wie immer mit dem Fahrrad zurück legte, rutschte ich auf einer Straßenbahnschiene aus und landete wuchtig auf dem Pflaster.
Ein paar Momente lang war ich von Schmerzen wie benebelt, registrierte nur am Rande die hilfreich herbei geeilten Friedrichshainer, die mir wieder auf halfen. „Geht schon wieder, alles ok!“, konnte ich noch murmeln, nachdem ich mich wieder aufgerappelt hatte und spürte, dass mir zwar alles weh tat, aber offenbar nichts gebrochen war. Noch während ich auf den Boden lag, realisierte ich mit Schrecken, dass hinter mir ja eigentlich das nächste Auto sein könnte – doch dem war nicht so, welch ein Glück!
Oberflächlich hatte ich nur eine „Kinderwunde“ davon getragen: aufgeschürfte Knie, durch die Klamotten hindurch. Doch das Laufen geriet äußerst schmerzhaft, ich bestieg also das Rad wieder und schaffte es, bis nach Hause zu fahren, dort die Treppen hoch zu kommen und dann humpelnd das Essen zu bereiten, wobei mein Liebster mir half.
Momentaufnahme: Ans Bett gefesselt
Heute morgen jedoch erwachte ich und meinte, mich gar nicht mehr rühren zu können. Das linke Knie angeschwollen, jede Bewegung der reinste Horror. Was jetzt? Vorausschauend hatte ich mir abends das Handy neben das Bett gelegt, um im Fall des Falles nicht ganz aufgeschmissen zu sein. Erstmal blieb ich jedoch einfach liegen und ließ die Situation auf mich wirken: ich bin allein, liege im Bett und kann mich nicht aus eigener Kraft erheben. SO ist es also, behindert und pflegebedürftig zu sein, angewiesen auf andere, die vielleicht kommen, mir einen Kaffee machen, mich waschen, mir aufs Klo helfen.
Es ist ja nicht ganz unwahrscheinlich, die letzte Zeit des Lebens so zubringen zu müssen. Wie würde ich das verkraften? Wie lebt man „vom Bett aus“? Im Grunde müsste – um mal das Optimum zu benennen – dauernd jemand da sein, der Hilfe leistet, wenn ich irgend etwas brauche. Was würde das kosten?
Meine Gedanken wanderten gänzlich ungewohnte Pfade, ich dachte meinen aktuellen Zustand weiter, scherte mich nicht um Institutionen und Gesetze, sondern setzte locker einen Mindestlohn von zehn Euro/Stunde (auf die Hand) an: 16 Stunden in zwei Schichten sind 160 Euro/Tag x 30 = 4800 Euro. Also unfinanzierbar, selbst ohne Nachtwache! Mit einem Mal war mir das Pflegedilemma hautnah präsent: Na klar, sowas ist nur in den viel gefürchteten Pflegeheimen halbwegs organisierbar. Und dass bei der zunehmend gewünschten ambulanten Pflege die Leute viele Stunden in Windeln zubringen, ist auch nicht verwunderlich. Wir sind nun mal stoffwechselnde Wesen…
Internet im Bett?
Gruslig, das alles! Ich tröstete mich damit, dass es ja noch nicht wirklich soweit ist. Ein geschwollenes Knie bessert sich auch wieder, ein paar Prellungen und Zerrungen machen noch keine Pflegebedürftigkeit. Sehr, sehr langsam schaffte ich es, mich aus dem Bett zu wälzen, zunächst auf allen Vieren die Beweglichkeit zu testen, um dann langsam und auf ein Schränkchen abgestützt, die Vertikale wieder zu gewinnen. Warum hab‘ ich keine Krücken für den Notfall, verdammt! Das wär jetzt das Richtige zur Entlastung des lädierten Knies. Vorsichtig humpelnd bewegte ich mich dann doch erfolgreich ins Bad, packte das Kaffee-Kochen in der Küche und sitze nun vor dem PC, meinem „Fenster zur Welt“.
Zumindest DAS muss in Zukunft zur Not auch vom Bett aus funktionieren – man weiß ja nie! Ein Netbook oder kleiner Notebook, dazu das passende Beistellmöbel mit Schwenkarm und kippbarem Tablett, so dass ich das Gerät immer in der richtigen Position halten kann, egal, wie ich gerade liege. Dann kann ich surfen, schreiben, kommunizieren, Webseiten bauen – und nicht mal Windeln würden mich dabei behindern!
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11 Kommentare zu „Von jetzt auf gleich: Behindert und pflegebedürftig“.