Warum gilt es als so selbstverständlich, dass Regierungen sich darum zu bemühen haben, Arbeitsplätze zu erhalten? Krassestes Beispiel war die Jahrzehnte lange Kohle-Subventionierung, heute wird der Autoindustrie mit Abwrackprämien und Kurzarbeit dabei geholfen, ihre Überkapazitäten nicht abbauen zu müssen. Und Karstadt / Arcandor hätte zumindest die SPD auch lieber an den Steuertropf gehängt, anstatt den Konzern mit den veralteten Geschäftsmodellen in die Insolvenz gehen zu lassen.
Was ist so toll daran, Menschen in einer Arbeit zu halten, die offensichtlich im Wirtschaftsprozess nicht mehr genug nachgefragt wird? Es gibt heute jede Menge Fachmärkte für Elektronik, Bauen&Basteln, Gartenbedarf – und Kettenläden für Mode, die die Leute weit attraktiver finden als ein Kaufhaus. Hinzu kommt der wachsende Internet-Handel, mit dem ein traditionelles Kaufhaus, das einst durch die Breite seines Sortiments glänzte, einfach nicht mithalten kann.
Verdrängen das all diejenigen einfach, die sich für Staatshilfen einsetzen und das SOZIAL finden? Ich kann nichts besonders Soziales darin erkennen, mittels Steuergeldern ins Wirtschaftsgeschehen einzugreifen, um krepelnde Unternehmen zu retten, deren Zeit gekommen ist. Die Aufgabe des Staates sehe ich darin, ein ordentliches soziales Netz aufzuspannen für alle, die immer mal wieder aus dem Arbeitsprozess heraus fallen, weil sich Wirtschaft nun mal verändert. Um den einzelnen Arbeitslosen könnte man sich ganz anders bemühen, als das derzeit mittels mehr Schikane statt Förderung geschieht. Zum Beispiel ist der Anteil der Selbstständigen hierzulande noch immer niedriger als im europäischen Durchschnitt. Das ließe sich vielleicht noch steigern, würde man die Fixierung auf Angestelltenarbeit bei Großkonzernen aufgeben und die Rahmenbedingungen für die Selbständigkeit verbessern.
Ebenso könnte man aus der stetigen Verbesserung wirtschaftlicher Produktivität durch Technik endlich den Schluss ziehen, dass nicht alle einer Erwerbsarbeit nachgehen MÜSSEN, sondern sich z.B. ehrenamtlich engagieren könnten, auf einem Sektor ihrer Wahl. Der Reichtum einer Gesellschaft sollte sich nicht in marmor-gepflasterten Shopping-Malls und im Sammeln materieller Güter und Status-Symbole zeigen, sondern darin, wie viele Menschen von der Arbeit befreit leben können. Die sind ja nicht etwa nutzlos, sondern im Gegenteil oft genug wichtige Hilfe und flexible „Einspringer“ für diejenigen, die es vor lauter Stress kaum mehr schaffen, sich selbst zu organisieren – und geistig manchmal die reine Erholung, verglichen mit der gestressten Psyche vieler, die sich im Arbeitsprozess und Karriere-Streben aufreiben.
„Der schönste Platz ist der Arbeitsplatz“ – ich hab‘ vergessen, welcher SPD-Politiker diesen abgründigen Spruch verzapft hat, doch steht er aus meiner Sicht für eine leider sehr verbreitete Geisteskrankheit, die den Menschen allein nach seiner Produktivität im kommerziellen Erwerbsleben bewertet. Und dabei machen (fast) alle mit, speziell auch alle, die sich das „Soziale“ auf die Fahnen schreiben. Wie um Himmels Willen soll da das nötige Downsizing in Sachen Energie und Ressourcenverbrauch geschehen, wenn alle so furchtbar gerne arbeiten – und sei es als der sprichwörtliche Heizer auf der E-Lok?
Andere Kulturen erhalten mittels Spenden einen hohen Anteil an Mönchen, Wander-Yogis und Asketen – niemand diskriminiert diese Menschen als arbeitsscheu, im Gegenteil: ihr anderes Bewusstsein dient der Bevölkerung zur Erbauung und Erhöhung, als fortwährende Mahnung, dass das Seelenheil nicht durch Materielles zu gewinnen ist. Böte man ihnen einen Arbeitsplatz bei einem multinationalen Konzern an, würden sie wohl milde lächeln über soviel Unverständnis!
Schon in den 70gern, als ich als Gymnasiastin und dann als Studentin meine Job-Erfahrungen in der Arbeitswelt machte, wusste ich: DAS will ich nicht! Fast überall traf ich auf Menschen, die sich für ihre Arbeit kaum bis gar nicht interessierten, die da ihre Stunden möglichst früh am Tag hinter sich brachten und in deren täglichem Smalltalk vor allem vom Urlaub, vom baldigen Wochenende und von dem, was man sich alles kaufen wird, die Rede war. Es herrschte eine Langeweile in diesen Behörden und Großunternehmen, dass ich fast Ausschlag vor innerer Ablehnung bekam und mich immer wieder fragte: Warum machen die das so mit, noch dazu „lebenslänglich“?
Mittlerweile hat der Stress die Langeweile in der Arbeitswelt abgelöst, es gibt eine Menge „Arbeitsplätze“, von denen man nicht mal mehr leben kann – aber die Grundhaltung hat sich nicht etwa verändert: Nur ein Arbeitnehmer gilt als nützliches Mitglied der Gesellschaft. Und wer da raus zu fallen droht, fürchtet quasi den Abstieg in die Hölle. Kein Wunder, wenn alle so denken!
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27 Kommentare zu „Arbeitsplätze erhalten – warum eigentlich?“.