Das ich zu einem ordentlichen Politiker-Bashing nicht so richtig komme, liegt vermutlich auch daran, dass ich derzeit gleich wegzappe, wenn ich in eine Diskussionsrunde mit den „üblichen Verdächtigen“ gerate. Je mehr Parteipolitiker in so einer Runde sitzen, desto sicherer kann man sein, dass die Sache selbst in den Hintergrund tritt und statt dessen die Selbstdarstellung und der „Kampf ums Wort“ dominiert. Zudem sind an allem Übel immer die anderen schuld und die eigene Partei wird selbstverständlich alles richten – wie öd!!
So tagte kürzlich eine Runde mit den Parteivorsitzenden der Oppositionsparteien in einem öffentlichrechtlichen Sender. Ein lieber Freund, der sich das Gespräch zu Gemüte führe, meinte, es sei irgendwie seltsam gewesen, dass auf eine Frage zu den Themen Bankenrettung und AKW-Laufzeiten zunächst Künast und Gysi ihre Antworten gaben – und dann Herr Westerwelle kommentarlos dasselbe sagte, was Künast und Gysi gerade zum Besten gegeben hatten. So ganz als „eigene Position“, als wären „die Anderen“ gar nicht da bzw. hätten nicht soeben genau dasselbe gesagt.
Das eine harmlos wirkende Variante von Parteien- und Personenkonkurrenz, da die Stimmung „harmonisch“ bleibt – schließlich ist es für Künast und Gysi nix Böses, wenn der FDP-Vorsitzende ihrer Meinung ist. Doch gerade dieses Ignorieren der Gesprächsteilnehmer, das bereits mit dem Ausschni aus der Sendung rechnet, auf dem man dann ganz alleine mit seinem Statement kolportiert werden wird, ist für mich ein klarer Missbrauch des Formats „Gesprächsrunde“, da Westerwelle sich gar nicht an die Anderen und die aktuellen Zuschauer wendet, sondern an diejenigen, die später den „Ausschnitt“ sehen werden – irgenwo in den Nachrichten oder auf Youtube.
Dergleichen in zig Varianten ist nicht Ausnahme, sondern die Regel – und für mich einer unter vielen Gründen, weiter zu zappen. Am angenehmsten als Redner und Diskutierer ist – ganz abgesehen von den Ansichten, die ich wahrlich nicht alle teile – Gregor Gysi. Bei ihm hat man nämlich das Gefühl, er halte seine Zuschauer und Zuhörer durchaus für intelligent genug, auch komplexeren Zusammenhängen zu folgen und sich länger als eine halbe Minute zu konzentrieren. Allein das macht vermutlich einen Großteil seines Erfolges aus.
20 Millionen schauen auf Merkel und Steinmeier
Das „Duell“ morgen guck ich mir aber trotz Politiker-Verdrossenheit an: schon allein, weil mit 20 Millionen Zuschauern gerechnet wird. Es wird also eines der fast nicht mehr vorkommenden medialen Ereignisse sein, bei denen man davon ausgehen kann, dass auch x, y und z sie gesehen haben werden. Ein virtuelles Massenerlebnis, ohne dass man (wie beim „Lange-Nacht-Format“ im realen Leben) dafür aus dem Haus gehen und den Massen leibhaftig begegnen müsste. Zudem interessiert mich, wieviel Kontroverse die beiden überhaupt schaffen werden: beiden liegt so etwas wie ein „Duell“ eher nicht – und das find‘ ich eigentlich ganz gut so!
Denn diese Menschen werden uns vermutlich weiter regieren. Nach der Wahl wird es für schwarz-gelb nicht reichen, rot-rot-grün wird auch dann nicht machbarer erscheinen – und binnen kurzer Zeit werden sich CDU und SPD auf die Verantwortung für Deutschland in der Krise besinnen und eine neue alte große Koalition vereinbaren.
Trotzdem finde ich die Zeiten spannend!
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