Grade finde ich aus einem Arbeitstunnel heraus, der mein Leben online und offline mehr als eine Woche sehr verengt hat. Es waren Verwaltungsarbeiten rund um Steuer 2008, deren Ergebnisse rechtzeitig vor Jahresende bei der Steuerberaterin ankommen mussten: gut, dass es ‚rum ist, ich fühl‘ mich schwer erleichtert!
Wenn ich denn wollte und mir mehr Arbeitsverdichtung und Disziplin (= weniger surfen, kommunizieren, im Garten arbeiten) auferlegen würde, könnte ich mehr Geld verdienen, hätte dann aber keine Zeit mehr, es auch zu genießen. Und ich kenne Menschen, die krisenbedingt gerade von Kurzarbeit betroffen sind, dies aber alles andere als unangenehm empfinden: endlich mehr Zeit für alles, was sonst noch Freude macht! (Dass es auch weniger Geld gibt, stört dann nicht, wenn es sich um ein „ordentliches Gehalt“ handelt, das nun halt ein wenig reduziert ist und man nicht auf Kredit gelebt hat).
Gerade diejenigen, die in ihrer Arbeit aufgehen und sie gerne tun, sind oft gefährdet, daneben gar nichts mehr zu kennen. Mir ist das nicht fremd, doch bin ich Gott sei Dank von diesen zehrenden Arbeitstrips wieder ‚runter gekommen und kann heute die Muße schätzen: Zeit, in der man GAR NICHTS macht, Zeit zum Entspannen, zur Verarbeitung des Erlebten und – wichtig! – zum Abgleich all dessen, was man tut und erfährt mit den eigenen Werten und Wünschen. Wer immer nur „in Äktschn“ ist und versucht, jede Minute möglichst effektiv und produktiv zu sein, verengt das eigene Leben aufs Ökonomische. Dass genau das mehr und mehr zum Leitbild dieser Gesellschaft wird, ist ein Elend, gegen das leider nur wenige Widerstand leisten. Wie konnte es nur passieren, dass Arbeit mehr und mehr zum Selbstzweck wurde – und dass das so viele fraglos mitmachen ?
Liebe
Mit dem Verschwinden der Muße verschwindet auch die Liebe. Nicht die begehrende Liebe mit den „Schmetterlingen im Bauch“, die sich nahtlos ins allgemeine Stress-Geschehen eingliedern lässt, sondern die Liebe als Zustand, als Staunen, als Dankbarkeit für das, was ist, OHNE dass wir erst groß „was machen“ müssten.
Thinkabout hat ihr in seinem wunderschönen Artikel „Mehr Liebe für das EINE Thema“ eine Stimme gegeben:
Und es gibt Liebe, die keine Ansprache braucht, sich nicht mitteilen muss, die stillen Dank sagt, im Augenblick, in dem eine Schönheit wahr genommen, eine Blüte bewundert, die Glasscherbe vom Boden aufgehoben, zu reflektieren beginnt im Sonnenlicht. Eine Liebe, welche Gefühle nicht von sich weist, sich nicht lustig macht, nur weil etwas peinlich berührt. Es gäbe sehr viel mehr Liebe, die sich zeigen dürfte, wenn wir nicht so ein verklemmtes Verhalten an den Tag legen würden, je sorgloser wir leben können und je weniger wir an unseren Tod denken. Jede Generation tut es ein bisschen weniger. Und erfindet stattdessen den Enthusiasten, den Naiven, die Phantasten, den Gutmenschen. Ihn vor allem, Ausbund und Inkarnation, Abbild einer Lächerlichkeit, womöglich von selbstsüchtigen Motiven geleitet oder zumindest zu einem Scheitern verurteilt, das man sich doch selbst bitte besser gleich erspart.
Und ich glaube, in dieser allgemeinen Tendenz, der Liebe jenseits von romantischen Teenager-Blogs keine wirkliche Stimme im Netz mehr zu geben, liegt das virtuelle wie reale Elend: Wir wagen sie eigentlich gar nicht mehr. Selbstlos kennen wir sie nicht, und einem Partner zugewandt trauen wir ihr nicht zu, in der Trägheit der relativen Langeweile und Sorglosigkeit zu bestehen. Das Leben ist ohne die Ewigkeit eh immer kürzer geworden: Wir haben mehr Jahre als je zur Verfügung, um mit dem Leben anzufangen, und kommen doch viel weniger weit als je. Wir denken nicht mehr hinter das Ende, wir denken es gar nicht.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
5 Kommentare zu „Arbeit, Muße, Liebe“.