Eigentlich wollte ich nichts dazu schreiben. Wenn binnen zwei Stunden Google 2700 Fundsachen zu einem Ereignis ausspuckt, dann ist das meist nichts, zu dem ich mich auch noch zu Wort melden mag.
ABER: Es scheint, als habe diese Affäre um den Rücktritt der Margot Käßmann eine viel größere Bedeutung fürs kollektive Unbewusste dieser Gesellschaft als bloß das Bedauern um den Verlust einer engagierten und kompetenten Frau auf heraus ragendem Posten. Wirklich jeder, mit dem ich Kontakt habe, verliert ein paar Worte darüber – warum?
Es geht um Moral: Soll und darf jemand so ein hohes kirchliches Amt ausüben, der betrunken Auto fährt und dabei erwischt wird? Kann so jemand glaubhaft den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisieren? (Ja warum eigentlich nicht? Ist dieser Einsatz denn ein bedauerlicher „Sündenfall“, der jedem mal passieren kann? Doch wohl nicht!)
Und es geht ums Geschlecht: Warum tritt Frau gleich zurück, wenn doch die allermeisten wünschen, dass sie bleibt? Würde ein Mann das Ganze nicht locker an sich abtropfen lassen? Sollen wir uns wünschen, dass solche Frauen endlich werden wie Männer ?
Hier will ich mal Antje Schrupp ausführlich zitieren, die dazu Denkwürdiges sagt:
„Es gibt eine grundlegende “Inkompatibilität” zwischen Frauen und solchen Ämtern. Ein Mann, der Bischof (oder General oder Bundeskanzler oder sonst ein König) wird, bekommt dadurch eine Bestätigung seiner Männlichkeit. Bischöfe (Kanzler, Generäle etc.) sind sozusagen Super-Männer. Eine Frau, die Bischöfin (Kanzlerin, Generalin) wird, bekommt dadurch aber keine Bestätigung ihrer Weiblichkeit. Sie wird keine Super-Frau, sondern eher so eine Art neutrales Mittelding. Wenn sie sich über ihre Geschlechtsrolle keine großen Gedanken macht, sondern sich in erster Linie als “Mensch” versteht, hat sie damit auch nicht unbedingt ein Problem. Ist sie aber Feministin, will sie also nicht einfach nur auch an die ehemals den Männern vorbehaltenen Fleischtöpfe gelangen, sondern diese im Gegenteil kritisch hinterfragen und verändern – dann schon.
Und das ist der Grund, warum Käßmann nach dieser alkoholisierten Autofahrt tatsächlich nicht einfach so im Amt bleiben konnte. Denn: Sie braucht, um als Ratsvorsitzende das zu tun, was sie tun will, ungleich mehr Autorität und Rückendeckung als andere. Sie kann nichts verändern, wenn irgend etwas an ihr “klebt”. Deshalb ist ihr Rücktritt konsequent: Sicher, sie hätte Ratsvorsitzende bleiben können. Aber sie hätte sich nichts wirklich Systemkritisches mehr erlauben dürfen, sie hätte funktionieren müssen. Und dazu hat sie wohl keine Lust, was ich gut verstehen kann. Einfach nur ein Amt haben um es zu haben – das finden die meisten Frauen eben nicht unbedingt prickelnd.“
Ich bin ein wenig unschlüssig, ob ich mir wünsche, dass das so bleibt. Letztlich sind weder Frauen noch Männer „immer bei den Guten“. Niemand ist perfekt und die meisten Verfehlungen kriegen wir nur nicht mit. Sollen also immer die besten Heuchler vorne stehen? Oder diejenigen, denen ziemlich egal ist, dass sie wegen vielerlei Vergehen in der Kritik stehen?
Auch interessiert mich, mit welchem Recht die Polizei solche banalen Straßenverkehrsvergehen, die alle Tage vorkommen, bei Prominenten gleich mit Namen an die Presse meldet. Der öffentliche „Pranger“ ist heute oft genug eine weit schlimmere Strafe als das, was das Strafgesetzbuch vorsieht. Und es war ja wohl eine private Heimfahrt vom Kino, auf der Käßman erwischt wurde.
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Mehr dazu: Alice Schwarzer im SPIEGEL meint, der Rücktritt war falsch – und erntet jede Menge Widerspruch, z.b. v. Susanne Lang.
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49 Kommentare zu „Zur Käßmann-Debatte: Frau muss ganz besonders GUT sein“.