Claudia am 30. Mai 2010 —

Ölpest, Eurokrise, Oderflut, Gaza und immer wieder Gorleben

Nach der Urlaubswoche ohne Medien ist meine Sensibilität gegenüber den aktuellen Katastrophen-Nachrichten deutlich größer geworden. Alles regt mich weit mehr auf als sonst, was ganz klar zeigt, dass die massive Berieselung mit „News“ üblicherweise etwas Einschläferndes hat.

Oder-Hochwasser: Zuwenig katastrophal für all die Sondersendungen

Am erträglichsten ist mir noch das Oder-Hochwasser: da waltet Natur und der menschliche Eingriff, der so ein Ereignis zur potenziellen Katastrophe macht, zieht sich schon über mehrere Generationen hin. Immerhin gibt es mittlerweile wieder ein paar „Polder“, die man öffnen kann, wenn die Flut kommt. Und derzeit sieht es so aus, als ginge das Ganze glimpflich ab. Sehr zum Missfallen der Medien, denen einfach nicht genug Katastrophe geboten wird: Touristen auf dem Damm und ein Alltag, der einfach so weiter geht – nicht sehr ergiebig!

Free GAZA – die ignorierte Hilfsgüter-Flotte

Dass dagegen eine als Medienspektakel mit immensem Spannungsfaktor geradezu prädestinierte Aktion von unseren Mainstream-Medien weitgehend ignoriert wird, lässt mich so langsam auf die Seite derjenigen wechseln, die genau diese Medien als „gleichgeschaltet“ betrachten. Eine Meinung, die ich lange als zu verschwörungstheoretisch abtat. Dass aber eine mit Hilfsgütern und 800 Aktivisten (darunter der Autor Henning Mankell) derzeit auf GAZA zuhaltende Schiffsflotte nur sehr vereinzelt mal ein paar Zeilen wert ist, finde ich so richtig zum Kotzen! Wer es gewohnt ist, sich auch über den Tellerrand hinaus zu informieren, den gruselt es angesichts der Ignoranz bezüglich dieser spektakulären Hilfsaktion für die sich selbst überlassenen Menschen im größten Gefängnis der Welt. Der Verkaufsstart des IPad ist ja auch soooo viel wichtiger und findet natürlich breiten Raum in der TAGESSCHAU!

Update 31.5.: Jetzt, wo es Tote gibt, wird geschrieben:
*Blutiger Angriff Israels auf Gaza-Hilfsflotte; (SPON)
Israels Militär stürmt türkisches Hilfsgüterschiff (ZEIT);
Türkei: Der Schaden ist nicht wieder gutzumachen (FAZ.net);
Zehn Tote bei israelischer Militäraktion (TAGESSCHAU.de)

An der Grenze des technisch Machbaren: spätes Erschrecken

Die gescheiterte Aktion „Topkill“ und das ganze Öl-Desaster macht mittlerweile überdeutlich, dass die Öl-Konzerne mit solchen Bohrungen in der Tiefe an den Grenzen der technischen Machbarkeit agieren – sich davon aber keinesfalls abhalten lassen. Ja, sie gehen sogar bewusst Risiken ein, um Geld zu sparen. „Es erschreckt uns, dass wir den Ölfluss nicht stoppen können“, sagte laut ZEIT der BP-Topmanager Doug Suttles bei einer Pressekonferenz. Ebenso erschrocken dürfte die OBAMA-Administration gewesen sein, als sie bemerken musste, dass es niemanden gibt, der es besser kann!

BP boykottieren? Wie sollen sie dann die ganzen Entschädigungen zahlen, mal angenommen, das klappt? Ein Artikel in der FTD nennt solchen Polit-Aktionismus scheinheilig: „Jedes Mal, wenn sich die Benzinpreise in Deutschland der Marke von 1,50 Euro nähern, schreien wir Autofahrer auf. Und nun sollen wir BP boykottieren? Nun soll BP allein bluten? So geht das nicht: Auf der einen Seite billiges Benzin haben und Autos fahren wollen, die 10 Liter auf 100 Kilometern schlucken. Und auf der anderen Seite sich nicht die Hände schmutzig machen wollen. Das funktioniert nicht. „

Money makes the world go round…

Und wenn es nicht mehr rund läuft mit der allgemeinen Verschuldung, mit dem Glauben an die endlose Zahlungsfähigkeit der Individuen, Banken und Staaten, dann droht die Schockstarre oder Politiker verfallen in wilden Aktionismus. So schnell, wie kürzlich das Kreditermächtigungsgesetz (!) zur Stützung des Euro, ging bisher nur das Bankenrettungspaket durchs Parlament. Na klar, galt doch beides als „alternativlos“! Und über die Medien erfahren wir nun, was für Sparpakete drohen, wobei es mich diese Woche schwer beeindruckt hat, dass Spanien nach Verabschiedung eines drastischen Sparplans sein Spitzen-Rating (AAA) verloren hat. Mit der Begründung, das Sparen werde die Wirtschaft ausbremsen… irre, nicht? Es scheint kein sinnvolles Verhalten mehr zu geben, denn ein Abweichen von der Völlerei des „weiter so“ wird ebenfalls negativ quittiert. Ich bin gespannt, wie das weiter geht!

Kein Endlager im Salz! Schaut Euch den Beitrag von KONTRASTE an!

Vielleicht kommt Euch ja angesichts dieses uralten Themas das große Gähnen? Das Öl im Golf von Mexiko ist in 10, 20 Jahren weg, aber sollte wirklich jede Menge hoch radioaktiver Atommüll im Salz von Gorleben versenkt werden, ist das ein Mega-Verbrechen an der Menschheit!!! Und dafür werden gerade neue Weichen gestellt, wie das Polit-Magazin KONTRASTE meldete: „Bundesumweltminister Röttgen will die Sicherheitsstandards am geplanten atomaren Endlager Gorleben senken. Geplant ist, auf eine Rückholbarkeit des Strahlenmülls zu verzichten. Das Risiko: Es könnte im Salzstock zu chemischen Reaktionen bis hin zu Explosionen kommen.“

Schaut Euch die Sendung an, so lange sie noch in der Mediathek ist. Detailliert wird erklärt, welche Gefahr droht, wenn man (wie hierzulande allen Ernstes geplant!) den Atommüll in nicht weiter abgeschirmte Bohrlöcher im Salz versenkt: Erhitzung der Umgebung des Mülls auf mehrere 100 Grad, Risse im Salz, Eindringen von Wasser – und in der Folge Austritt der Radioaktivität in die Umgebung. Die Bundesregierung ignoriert dieses Risiko und hört weiter auf Dr. Kühn, den ehemaligen Chef von Asse (!) als Berater, der selbst laut KONTRASTE niemals mit hoch radioaktivem Müll Erfahrungen gemacht hat (und was da in Asse gelaufen ist, sollte ihn eigentlich als Berater disqualifizieren!). Andere Länder, sogar die USA, haben sich mittlerweile vom Salz als möglicher Endlagerstätte abgewendet. Aber hierzulande will man den Scheiß einfach möglichst schnell in Gorleben verbuddeln. Bloß keine anderen Optionen prüfen, schließlich will niemand den Atommüll im eigenen Bundesland haben….

Dass Röttgen jetzt auf die „Rückholbarkeit“ verzichten will, geschieht im Dienst der ATOM-Lobby: müsste man den Müll beaufsichtigen und rückholbar lagern, dann würde der Atomstrom unattraktiv teuer – da sei unsere Regierung vor, die ja fortwährend „unser Geld schützen“ will. Was solls, wenn dafür ganze Landstriche in einer nicht berechenbaren Zukunft verstrahlt werden: nach uns die Sintflut bzw. tschernobylisierte Landschaften!

***

Das ist mal wieder ein Artikel, der nicht in die üblichen Formate des Digital Diary passt. Derzeit denke ich verstärkt über ein neues Medium nach: zu Politik und Wirtschaft, aber auch zur Ermunterung und Ermächtigung des in Krisenzeiten zunehmend verunsicherten Individuums, selbständig zu denken und zu leben.

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3 Kommentare zu „Ölpest, Eurokrise, Oderflut, Gaza und immer wieder Gorleben“.

  1. „… zur Ermunterung und Ermächtigung des in Krisenzeiten zunehmend verunsicherten Individuums, selbständig zu denken und zu leben.“

    Das ist ein schönes Ziel und würde die Lebensqualität des Individuums bestimmt verbessern! :)

    Wie aber denkt und lebt man selbständig, wenn man auf Geld vom Arbeitgeber, vom Kunden oder vom Kapitalmarkt angewiesen ist, um seine Bedürfnisse zu erfüllen? Wer für sein Dach über dem Kopf, für sein tägliches Brot und für seine weitergehenden Wünsche, auf das (gerechte) Funktionieren von Geldverteilungssystemen angewiesen ist, wer kein Land, kein Haus, kein Wasser, keine Werkzeuge und keine eigenen Überlebensfertigkeiten mehr besitzt, der ist einfach irgendwie ziemlich unselbständig oder etwa nicht?

  2. Mit selbständig denken/leben meine ich hier nicht völlige Autarkie (die ja auch unsinnig und nur für wenige Idealisten glückbringend wäre), sondern z.B.

    -> den Mut zu eigenen Bewertungen jenseits von Mode, Trend etc. (aber auch jenseits bloßen Dagegenseins);
    -> die Erkenntnis, dass man an den eigenen Bedürfnissen und am gewählten Lebensstil eine Menge mitgestaltet. Schließlich fühlen sich die einen mit Hartz4 + Mini-Zuverdienst ganz ok (gibts, ja!) und die anderen haben mit 9000/Monat verdammten Finanzstress.
    und vieles mehr.

    Ich fühle mich auch selber nicht unselbständig, weil ich Geld von Kunden beziehe – im Gegenteil, es ist eine Existenzweise, in der ich meine Talente sinnvoll anbringen kann. Kunden, die nicht zu mir passen, finden sich auch gar nicht erst ein.. :-)

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