Claudia am 06. September 2010 —

Warum Literatur? Kleine Meditation über das eigene Schreiben

Ich schreibe hier viel zu lange Texte. Nicht nur, weil der Impuls mich so weit trägt, sondern auch deshalb, weil ich verstanden werden will – wenn ich schon mal ‚was sage.

Schon die Themen sind ausschließlich solche, die für mein Empfinden jeden etwas angehen. Und alle sollen meine Sicht der Dinge voraussetzungslos nachvollziehen können – nicht unbedingt meine Antworten und Herangehensweisen, aber zumindest die Fragestellung.

Allein DAS macht einen Text hier schon recht lang. Denn „verstehbar für viele“ ist – aus meiner Erfahrung mit dem Denken und Schreiben – nicht damit getan, dass man allgemein übliche abstrakte Begriffe aneinander reiht. (Freiheit zum Beispiel, wer will die nicht?) Sondern nur, indem man den Weg der persönlichen Betroffenheit in Bezug auf einen Begriff autobiografisch erzählt.

Wer hat aber schon Lust und Zeit, sowas zu lesen? Die Texte werden dadurch zwangsläufig länger, selbst wenn man nicht wirklich in Einzelheiten einsteigt.

Eine andere Art schreibenden Ausdrucks ist das Dichten, die Lyrik, ebenso das explizit literarische Schreiben. Da wirft man die Last des verständlich-sein-wollens ab und geht seiner Wege. Findet durchaus auch Leser, vielleicht Käufer, möglicherweise Bewunderer, Ruhm und Ehre. Aber mich hat das einfach nie gereizt (ohne dass ich vorgeben wollte, so Ego-befreit zu sein, um auf Bewunderung zu pfeiffen! :-)

Mir gehen so viele Themen richtig nahe, dass ich mich nicht einer l’art pourt l’art der literarischen „Verwurstung“ oder auch Ästhetisierung bzw. Heiligung hingeben will. Keine Ahnung, ob ich das könnte, denn ich lasse es gar nicht dazu kommen. Das Leben ist doch viel zu kurz für solche Spielerchen. Wer bin ich, zu glauben, ein Gedicht von mir oder ein warum auch ímmer schöner, aber unverständlicher Text hätte eine Berechtigung angesichts der Nöte der Welt?

Ich bin kein „Gutmensch“ (grusliger Begriff), der sich selbstgerecht als Besserwisser profilieren will. Mir geht einfach vieles nahe und ich möchte vieles ändern. Auch wenn ich nicht immer gleich weiß, in welche Richtung und wie. Dabei scheue ich mich auch nicht, meinen eigenen Anteil an den Täterschaften, am „Bösen“ dieser Welt anzuschauen.(Das kann ich mir leisten, weil ich mit mir befreundet bin.) Das wiederum gibt mir ungemein viel Stoff, viele Ansätze tatsächlicher Veränderung.

Aber keine Zeit für den ästhetischen Text.

Dass ich das überhaupt thematisiere, heißt aber auch, dass da eine Sehnsucht ist. Eben danach, auch mal ohne den Anspruch der Verständlichkeit etwas hinzuschreiben… ja was ?

Schau’n wir mal. Vielleicht braucht es auch dazu ein anderes/neues Blog.

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Diskussion

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15 Kommentare zu „Warum Literatur? Kleine Meditation über das eigene Schreiben“.

  1. Liebe Claudia,
    ich finde, daß man „verständlich“ schreiben muß! Schnelle Entäußerung mag ihren Reiz haben, aber dann muß man auch in Kauf nehmen, daß die Message des Textes nicht durchkommt. Und daß man vielleicht als Leser aus dem bloßen Wortschwall aussteigt.
    Verständlich schreiben setzt m.E. voraus, weit auszuholen und sich auch oft zu wiederholen, weil man eben um den richtigen Ausdruck ringt. Deshalb solltest Du nicht um die Länge eines Textes fürchten – der wird schon Leser finden.

    Ein anderer Punkt ist allerdings auch, daß man beim Schreiben seinen Standpunkt mehrmals wechseln kann. Ich habe das schon oft gemerkt beim Kommentieren. Wenn ich den Text nicht sofort wegschicke, sondern irgendwann eine völlig neue Fassung beginne (einfach, weil ich das erste Schreiben als Art „Entwurf“ empfinden kann), kommt oft etwas anderes heraus. Also ist das Schreiben und Formulieren zumindest in Anteilen ein „zufälliger“ Prozess.
    In diesem Zusammenhang fällt mir rein zufällig Picasso ein, der einst beim Bemalen einer Glasscheibe gefilmt wurde. Kaum war er mit dem Gemälde so gut wie fertig, wischte er seine Komüposition radikal zusammen und begann wieder neu. Das vollzog sich zigmal und ein jedes Mal hätte man rufen wollen: Halt!! Aber der neue Entwurf war dann wieder so prächtig und gehaltvoll, daß man das Alte gehen lassen konnte.
    Gruß
    Gerhard

  2. ich denke, es ist, wie du selbst sagst: das literarische ist einfach eine andere form. das heißt jedoch nicht, daß nicht beides, das analytische und das poetische, hand in hand gehen könnte. vielleicht sollte es das sogar. mitunter ist es eine stimmungsfrage, ein tag ist so und ein anderer eben anders, auch wenn das thema möglicherweise dasselbe ist.

    der blick auf leser und bewunderer, auf ruhm, ehre oder gar erfolg und geld scheint mir im zusammenhang mit literarischem schreiben aber eher hinderlich. zumindest beim schreiben selbst, da steht ein ausgeprägtes ego sicher kräftig im weg herum. nach getaner arbeit geht wohl jeder autor anders mit den folgen seines tuns um. eine branche, in der sich erfolg kräftig auszahlt, ist literatur allerdings nicht gerade.

    mir selbst ist das literarische schreiben inzwischen in erster linie meine art meditation, woran man klar erkennen kann, daß ich auch auf dem gebiet die schönheit von strukturen zu schätzen weiß. die loslösung von allem bemühen um verständlichkeit öffnet übrigens andere bereiche, vor allem den der möglichkeiten. türen öffnen, erlebnis- und erfahrungsräume schaffen und den lesern vertrauen, daß sie schon etwas finden werden. für sich. wenn sie wollen. vielleicht ohne daß ich selbst jemals erfahren werde, was genau das für den einzelnen bedeutet. wie es ausieht, wie es sich fühlt.

    muß wohl etwas mit liebe zu tun haben.

    ja, das ist wertlos in dieser welt, ich weiß. was zählt sind zahlen und analysen, die allein die dinge letztendlich immer nur noch unerträglicher machen. mich zumindest ermüdet das in regelmäßigen abständen. poesie ist dann die einzige rettung. (etwas kitschig ausgedrückt. ;-)

  3. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Bemühen, für andere verständlich zu schreiben, ein sehr hohes Scheiterungspotential besitzt. Denn es bedeutet, dass ich mir vorstelle, wie andere denken. Ich will sie an einem Punkt abholen, an dem sie vielleicht gar nicht sind…
    Autoren, die so schreiben, wie Du es eben nicht willst, machen die Erfahrung, dass jeder Leser sein eigenes Buch liest und sind oft erstaunt, wer alles nicht versteht, was sie (noch viel mehr) mit einem Text sagen wollten.
    Und nun kommt’s: Ich glaube, dass das allen so geht. Dein Text kann und soll verständlich sein, Du sollst Dich darum bemühen, „es“ entsprechend auszudrücken. Und doch wird es Dir immer so gehen. „Die anderen“ lesen ihren Text.

    Deine Gedanken aufgreifend, rate ich Dir daher: Schreibe genau so, wie Du es für richtig hältst. Die Kontrollfrage aber lautet: Bin ich in meinen Gedanken vor mir selber klar? Das Schreiben ist doch vor allem auch ein Waschprozess fürs eigene Gehirn: Wir schaffen vor uns und für uns selbst Klarheit und ordnen unsere Gedanken, auf der Suche nach unserem persönlichen Faden. Ob andere ihm dann folgen, müssen wir diesen anderen überlassen. Denn die werden beim Lesen etwas ganz ähnliches tun müssen: Ihre Gedanken bündeln und Deinen Text darauf los lassen.

    Dessen ungeachtet: Ich wäre gespannt auf ein solches, von Dir angedeutetes Blogexperiment. Und kenne die Gedanken, die dazu gehören, sehr gut aus eigenem Empfinden.

  4. Ich würde es einfach mit einer eigenen Kennzeichnung durch eine eigene Rubrik versuchen. Denn ich denke schon, daß man auch einfach mal das Recht sich nehmen darf, etwas „zügiger“ und knapper zu äussern, ja sogar „unreflektierter“, denn damit nähmst Du Dir nur das Recht auch mal für Dich heraus, das umgekehrt sich die Kommentatoren ja so lässig laufend nehmen. (Deswegen bin ich auch (aber nicht nur!) lieber ein Kommentierer denn ein Blogschreiber…)

    Antje Strupp zum Beispiel hat so etwas, wenn ich Dich überhaupt richtig verstanden habe, und nennt das

    [Ihr Blogtitel] (im Kleinen)

    http://antjeschrupp.tumblr.com/ und streamt das dann auch ab und an in facebook hinein fürs Echo.

  5. Wie meist, Claudia, ist auch mein Kommentar nicht als Antwort auf deinen Beitrag zu sehen, sondern der Versuch einer eigenen Positionsfindung. Und so ist es auch glaube ich für die meisten Kommentare zu sehen, wo in der Summe deines Beitrages und der Kommentare dann jeder vielleicht ein kleines Stückchen für sich wieder weitergekommen ist.

    Der Anspruch eines literarischen Leckerbissens ist gut nachvollziehbar. Die Antwort ob, überhaupt und warum, weshalb und für wen – die beantwortet jeder selbst für sich aus anderen Wertigkeiten.

    1983 bin ich in meiner Selbstständigkeit mit dem festen Ziel angetreten, BAYER-Leverkusen kauf ich in 20 Jahren auf. Das das nicht geklappt hat, lag natürlich an den faulen und imkompetenten Mitarbeitern :)
    Nach dem Erkennen der Welt, die sich gegen mich verschworen hatte, fand ich eine „klitzekleine Marktlücke“ in der ich mich zu den Besten, oder vielleicht zum Besten, entwickelt habe. Parallelen sehe ich zu deinem blog.

    Oder auch: Bis 1987 habe ich Musik gemacht, triviale Tanzmusik, als Autodidakt mit spärlichem Können. Ich habe in großen Besetzungen mit excellenten Berufsmusikern gespielt, da hat noch nicht mal der Fuß der Zuhörer im Takt gewippt. Ich habe am Schluß mit einem genau so mittelmässigen Schlagzeuger wie ich in einer 2-Mann Formation gespielt – aber wir waren immer randvoll ausgebucht. Wir haben den Menschen viele schöne Stunden, Spaß und Freude geben können, auch uns, und ohne ein Menuhin oder Pavarotti zu sein. In unserem Segment, auf unsere Art.

    Es ist also auch ohne größte Perfektion möglich, Menschen etwas Wertvolles zu geben. Das wäre das Plädoyer für diese, deine Seite.

  6. Danke für Eure interessanten Resonanzen, Tipps und Ermunterungen!!! (Und für die explizite Wertschätzung.. ist ja glatt zum Erröten ;-))

    Wenn ich wirklich Lust drauf habe, werde ich mich gewiss irgendwo „literarisierend“ ausleben. Hier aber bleibe ich auf der bekannten Spur: so klar wie mir halt selber möglich!

  7. @Gerhard (und auch alle)

    „Also ist das Schreiben und Formulieren zumindest in Anteilen ein ‚zufälliger‘ Prozess.“

    Aber ja. Ich sehe darin keine Last, sondern Freiheit und daher Lust. Im Geschriebenen sind Millionen Andere und Woanderes das Ich und Hier. Das ist sehr einfach, finde ich, weswegen ich das ‚Arbeitsame‘, was manche Schreibende gerne um sich verbreiten, nicht verstehen kann. (Was nicht heißt, daß es für sie gilt, ich sehe es nur nicht für mich).

    Viel schwerer erscheint mir, was Claudia unternimmt: im schwankenden Boot den Horizont im Auge zu behalten und ruhig zu sagen: hört mal, Leute, da hinten ist das Ufer, guckt doch bitte hin! Das könnte ich nie und nimmer und wäre auch nie so ausgleichend oder konsequent.

    Ich sehe das nicht als Resultat einer Tagesform, wie engl es formuliert. Oder möchte es nicht so sehen, weil ich, was immer wir tun, als Emanation eines Seienden und nicht nur Zufälligen sehen möchte. Naja, einfacher ausgedrückt: am Freitag sähe ich nicht gerne häßlicher aus als am Montag. Eher im Gegenteil.

    Ob ein Text anderen Menschen etwas geben kann, gar etwas Wertvolles, wie Menachem es sich wünscht, wage ich nicht anzunehmen. Menschen sind Maschinen in Bewegung. Was sie hemmt, wird übergebügelt, was sie befördert, wohlwollend verstaut. Die Schienen aber liegen bereits aus, lange bevor sie ihre Kessel anheizten und Dampf auf machten.

    Wie auch immer, diese Website von Claudia gefällt mir, auch wenn ich hier nicht immer gefalle. Sie ist wie ein Luftballon vor dem Gewitter – dreist, frech und das Dritte kann sich jeder selbst hinzu denken…

  8. @Susanne, heute habe ich auf dem mona lisa blog gelesen:
    “ So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein.“ (Schlingensief). Ich lese diesen Satz und meine, auf einmal vor einen anderen Tür zu stehen und aus einem anderen Winkel in den Raum zu sehen. Mir gibt das viel und wird mir auch nicht so schnell aus dem Kopf gehen.

    Und auch was du schreibst, „.. Die Schienen aber liegen bereits aus..“ Das lese ich und mich durchfährts. Ein Gefühl sagt mir, das hört sich nicht gut aber wahr an, da gehe ich mal lieber langsam dran. Aber verlassen wird auch dieser Satz mich nicht so schnell.

    Vielleicht ist auch alles eine Frage des Anspruchs.

    Und was den „Kessel anheizen“ betrifft, so ist es eine alte Weisheit: Von deinen Feinden lernst du, nicht von deinen Freunden:)

  9. @Menachem

    Die „alte Weisheit: Von deinen Feinden lernst du, nicht von deinen Freunden“ ist eher eine alte Dummheit.

    Was willst du von deinen Feinden lernen außer, wie mit Feinden umzugehen? Und wer das kann, der braucht Feinde, um zu tun, was er kann. Das gefällt mir nicht. Lieber versage ich, habe ich Feinde. Und versage nicht mit Freunden.

    Alt ist nicht immer gleich gut (wie umgekehrt). Und Menschen, die zu wissen glauben machen wollen, wie es im Himmel sei, kann ich leider nicht ernst nehmen, welche Meriten ihnen das Volk auch immer zu schenken beliebt.

  10. Na, Schlingensief wollte damit wohl seine große Liebe zum Leben ausdrücken – nicht behaupten, er wisse, wie es „im Himmel ist“. :-)

    Den Spruch mit den Feinden verstehe ich nicht, vermutlich, weil ich meines Wissens keine habe. Bevor jemand mir persönlich feind wird, verliert er einfach das Interesse, weil ich nicht in den Clinch gehe. (Und wenn mich wirklich mal jemand blöd anmacht, kommts mir immer so vor, als ob das mehr über ihn aussagt als über mich).

    So ein negatives Menschenbild („Maschinen in Bewegung“) teile ich nicht. Klar hat jeder seine Vergangenheit, seine Prägung und all das – aber auch die Möglichkeit, aus diesem „Material“ ganz Unterschiedliches zu machen.

    Und um die Biege zum Thema zu kriegen: ich hab offenbar ein starkes Kontrollbedürfnis in Bezug auf nieder zu schreibende Inhalte. Beim Schreiben entsteht mehr Klarheit im eigenen Kopf, ja – und die will ich dann auch teilen.

    Wenn ich aber was aus einem bloßen Gefühl heraus schreiben will, dann hakt es gleich – dann wär ich nämlich nicht „ausführlich und klar“, sondern drastisch und kantig, traurig und jammernd, schimpfend und wütend oder oder oder… und das gönn‘ ich mir nicht. Bzw. denke mir: warum das Übel noch durch gefühlige Beschreibungen vermehren?

    In 20 Jahren Kreativ-Schreiben-Workshops (offline als Teilnehmerin und online als Veranstalterin) ging das durchaus – aber das war für mich eben immer eher „Spaß und Spiel“… wogegen „hier draußen“ der echte Ernst des Lebens dräut… oder so… :-))

  11. @Claudia, wobei wir wieder beim Thema wären. Zu dem, was ich mit den beiden Aussagen mitteilen wollte, wäre vielleicht ein weiteres Ausholen notwendig gewesen, um den von mir empfundenen Inhalt klarer aufzuzeigen. Doch so, wie es von mir im kurzen geschrieben wurde, gibt es jedem die Möglichkeit seiner eigenen Interpretation, ohne Wegführung.

    Der Satz von Schlingensief, geschrieben Angesicht des Todes, mag für jeden etwas anderes aussagen, vielleicht sogar etwas über den Himmel. Mich erinnert es daran, das danach nichts mehr kommt, ein Gläubiger mag das anders sehen. Es ist wie ein Rütteln an mir, das meint, vergiß das nicht in deinem täglichen Trott.

    Die zweite Aussage ist vielleicht nicht richtig übersetzt, da sie aus einem anderen Sprachraum kommt und auch der Kontext fehlte. Besser wäre vielleicht: Von deinen Gegnern lernst du, was so gemeint ist, wie es schon gestern abend Berti Vogts im Fußballspiel gegen Deutschland meinte: Da erhalten wir eine kostenlose Lernstunde in Sachen europäischen Fußball.
    Diese Aussage schließt aber auch gleichzeitig ein, das kuschenln schön ist und das ich beides brauche.

  12. @Menachem und Claudia und Susanne:
    Vielleicht mag Susanne einfach nicht „übernommene Sätze“, Sätze, die so mir nichts Dir nichts „nachgebetet“ werden. Wenn sie so etwas riecht, steigt sie auf die Barrikaden.
    Auch nur eine Interpretation, ok! Susanne wird das richtigstellen, wenn sie will und sie Wert darauf legt.

    Schlingensiefs Satz klingt für mich sehr nach Lust – und Lust kann einem manchmal recht leicht abhanden kommen.
    Gruß
    Gerhard

  13. @Gerhard
    stimmt, da habe ich eine empfindliche Stelle und werde leicht etwas unsinnig schroff.

    Aber was den Satz des Herrn Schlingensief angeht: der Herr war ja kein Fliesenleger, der bei der Arbeit auch mal vor sich hin brabbelte. Weswegen ich seine Sätze, läse ich sie überhaupt, genauer lesen würde.

    Ich habe nichts gegen solche Sätze, weil sie gefühlig sind, und das mag ich. Ich habe etwas dagegen, aus ihnen heraus allzu viel zu lesen, nur weil der Namen des Sagenden das motiviert.

  14. hi claudia, nach langer zeit wieder ein besuch
    sehe es geht dir gut:)
    nach wie vor gefällt es mir hier, stöbere
    und lese, verfolge mit und nehme teil:)
    weisst du noch?
    —-> :)23:40—>
    ——————–
    Vorwort

    »Langeweile? eMailen und Chatten mit AOL und Internet.«

    Kann »das Interaktive« der Spaßfaktor bei Kunst im Netz sein?

    Ich denke, es ist nicht »das Interaktive«, sondern das »Interagieren« – nämlich mit realen anderen Menschen. Deshalb der Erfolg der Chats und Foren und Mailinglisten. Deshalb aber auch der Mißerfolg interaktiver Kunstwerke, wo ich als User mit einem Automat spielen soll und mit mir selbst…. !

    Schaut man bloß auf die Werke, findet man wahrscheinlich keine »Internetliteratur« in dem, was hier so herumkreist: die verschiedenen Gemeinschaftsprojekte, die Weiterreichtexte, Kollektiv-Stories und Sammlungen. Immer ist der Einwand richtig: das könnte man auch auf Papier machen….

    Und doch: man kann es NICHT auf Papier machen. Nicht mit DIESEN Menschen, die wir uns im Netz getroffen haben – und mit Anderen in der Printwelt oder lokal im Kreativ Schreib-Workshop wäre es etwas ganz anderes!

    Ich vermute, daß der Prozeß zwischen Menschen (verteilten Systemen ;-) der Kick ist und die spezifische Form der Zeit-Nutzung (remote feedback) – Also ginge es darum, gemeinsam kreativ zu sein. Das ist leider im Web nicht leicht, weil es schwer ist, einen Leitgedanken für ein gemeinsames »Schaffen« von solcher Leuchtkraft zu entfalten, daß mehrere dem auch folgen und ihre eigene Interpretation/Weiterentwicklung in einer Form beitragen, die die Anderen nicht negiert, sondern bereichert.

    Claudia Klinger, am 11.11.97 in der Mailingliste Netzliteratur
    ———————
    xxx
    ———————
    ein vergleich:

    die kurze form:

    asbestbelastete Hochhäuser
    unbezahlbare Entsorgungskosten
    Al quida

    —————
    die lange form
    :

    zeitenwende
    wortwandern, es ist elf . immer elf , immer september , die jahreszeiger sind stehengeblieben, es ist zweitausendund. und die lungenuhr tickt ,
    leise wie der strom blut in den adern der verdammten. es bleiben ihnen dreissig jahre ,in denen ihre fresszellen nicht mit den zwanzigmillionen fasern pro kubikmillimeter
    fertig werden koennen, zeit genug fuer ein langes gebet .

    Sie

    sind ein naturprodukt, in einer stadt, asbest, im tagebau aus der erde gerissen, in gleichmaessiger konsistenz auch in schutzfarbe vermengt, schutzfarbe gegen feuer .

    sie waren ueberall in den tuermen die nicht mehr sind. sie dienten ohne bemerkt zu werden, wurden uebertuencht als ihre gefaehrlichkeit bekannt wurde und lauerten lange unter neuen anstrichen. dreissigtausend von ihnen pro kubikmillimeter reichen aus ein gebauede von der baupolizei schliessen zu lassen. sie sind gefaehrlich, sie sind winzig und sie sind nicht zu vernichten.
    und sie haben zeit.

    und sie wurden befreit von der last der gebauede, hinausgeschleudert in die umgebung , schweben noch heute dort, sie sind zu winzig um von irdischer schwerkraft wirklich angemacht zu werden, sie sind dessinteressiert an kepplers gesetzen, gallileo haette lange warten muessen, sie fallen zu sehen .

    sie wurden heiss abgerissen von den waenden, die sie vor flammen schuetzen sollten, sie gingen auf in dieser unendlichen staubwolke zertruemmerter traeume. und sie wurden eingeatmet, millionenfach. fuer sie steht die zeit still, fresszellen in lungen versagen und nach dreissig jahren bleibt die lungenuhr in der regel stehen, still das blut. und sie werden verschwiegen, verschwinden in den sendungsbewussten aeusserungen der krieger, sie, die einzig wirklichen massenvergiftungsmittel sind schon in ihnen, warten auf ihre zeit und haben keine eile .

    zweitausendzweiunddreissig wird eine welle aufbranden und wieder erloeschen, mit ihnen gehen sie hinueber auf schwankenden schiffen, in schiffen und mit einer muenze auf den augen. der lohn des lebens heisst tod. nicht nur dort, hier, ueberall.
    es ist zweitausendzehn, zeit vergeht

    ———–
    gruss aus sz
    ingo

  15. @Ingo: schön, dich wieder mal zu lesen!! Und danke für das Zitat (meine Güte, wie lang das her ist… ) und die Gedanken zu 11/9. Ich hab das Thema „ausgelassen“, wie auch manchen kollektiven Mega-Aufreger der letzten Zeit. Ist mir aber recht, wenns „beiläufig“ zur Sprache kommt… noch dazu zu einer SOLCHEN Sprache!