Das wollte gestern eine Fern-Bekannte per Spontan-Chat von mir wissen. Wie sich schnell heraus stellte, meinte sie es nicht ökonomisch, sondern fragte danach, wie ich ausbleibende Resonanz verkrafte: „Was ist, wenn du etwas schreibst, das dich tief bewegt, und niemand sagt etwas dazu?“
Tja, der letzte Beitrag hier (zum Thema „Gemeinsinn“!) hat auch grade niemanden interessiert, obwohl er auf Wunsch von Stammlesern zustande kam. Aber gerade das ist es wohl, was zur bisherigen Null-Resonanz beiträgt: im Grunde hab‘ ich dazu schon alles gesagt, nicht nur in einem Artikel, sondern auch im längsten Kommentargespräch aller Diary-Zeiten. Für mich also kein Anlass, in Blogger-Depression zu verfallen. :-)
Bei der Fragerin hatte es sich jedoch anders dargestellt. Ihr Thema war „aus dem Herzen geschrien“ und dass es keine Reaktionen gab, hat‘ ihr das Bloggen verleidet. Was ich verstehen kann, denn nichts wirkt so ausgrenzend und vereinsamend wie komplett ignoriert zu werden, wenn man sich inmitten einer persönlichen Krise mit allem, was auf der Seele liegt, schreibend einer Öffentlichkeit anvertraut. Kommen dann womöglich auch noch Negativ-Kommentare oder Spötteleien, wird das Ganze leicht zum persönlichen Kommunikations-GAU.
WER ignoriert?
Aber: WER ist es, der ein Herzblut-Posting ignoriert? Um diese Frage zu beantworten, muss man das ganze Blog und die gesamte Webpräsenz einer Person betrachten. Eine Leserschaft, die auch reagiert und kommentiert, muss sich nämlich erst einmal einfinden, bevor man von „ignoriert werden“ sprechen kann. Dafür reicht ein einziger Text nicht aus, der in einem Blog erscheint, das bis dahin nur sehr sporadisch kühle Infos aus der Berufssphäre zur Ansicht brachte.
Selbstdarstellung alleine erweckt im günstigen Fall vielleicht Bewunderung, aber reizt nicht zur Beteiligung.
Für letztere muss man kontinuierlich und nicht nur einmal (wenns brennt…) sein Inneres nach außen kehren: die eigenen Ängste, Sorgen, Wünsche und Motive entlang an einem Thema schreibend erforschen. Und zwar nicht mit besorgtem Blick auf die Außenwirkung, sondern in ehrlichem Bemühen, sich selbst auf den Grund zu gehen.
Auf diesem GRUND trifft man dann – quasi automatisch – auch die Anderen. Denn so wahnsinnig unterschiedlich sind die menschlichen Ängste und Träume nicht: Was mich wirklich bewegt, berührt und umtreibt, berührt allermeist auch die Leser. Und das umso mehr, je weniger ich beim Berichten darauf achte, welches „Bild“ ich wohl abgebe.
Jedoch: einmal genügt nicht! Erst mit dem wiederholten Erscheinen bestimmter „Textsorten“ bildet sich eine Leserschaft, die dann auch Erwartungen hat, dass es SO weiter geht – ab und zu wenigstens. Enttäuscht man diese Erwartungen nicht, erfährt man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Anteilnahme und beglückende Resonanz, wenn man selber mal psychisch „im Keller“ ist und es richtig nötig hat.
15 Jahre schreibe ich jetzt ins Web, seit 11 Jahren im Digital Diary, neben dem im Lauf der Zeit noch fünf andere Blogs entstanden. Immer entlang an meinen persönlichen Interessen, die sich im Lauf der Zeit verändern. Das Digital Diary ist trotz seiner vielen gesellschaftlichen und politischen Themen das persönlichste meiner Web-Medien. Es wird existieren, so lange ich noch Tastatur und Maus bedienen kann – und vielleicht lerne ich irgendwann im Bett der finalen Pflegesituation ja noch das Diktieren! :-)
Die Frage nach dem „Überleben als Bloggerin“ stellt sich mir so nicht, denn ich empfinde die Befriedigung bereits im Schreiben. Etwas, das mich berührt, „auf den Punkt gebracht“ zu haben, es in klare Worte gefasst und meine Haltung dazu konkretisiert zu haben, beglückt mich schon ungemein. Ein lebendiges Kommentargespräch ist dann natürlich toll, liegt als „Benefit“ aber schon auf einer anderen Ebene.
Überleben? Ist mir nicht genug….
Die Freude am Selbstausdruck und am Austausch mit anderen ist wundervoll und kann ein Blogger-Leben tragen. Selber nehme ich allerdings länger schon wahr, dass mir das nicht mehr genügt. Je älter ich werde, desto wichtiger wird es mir, über das Reden und Schreiben hinaus auch etwas zu bewirken. Das geschieht manchmal bloggend, manchmal im persönlichen Kontakt, oft genug mittels beidem.
In der lezten Woche hab‘ ich z.B. zwei Menschen mit Weizenfleisch beköstigt und so die „frohe Botschaft“ weiter gegeben: es gibt einen richtig guten Fleischgenuss ohne jegliches Tierleid, ohne Massentierhaltung, ohne vergleichbare Umweltbelastung – und noch dazu so spottbillig, dass es eigentlich jeder Hartz4er sofort begeistert in den Speiseplan aufnehmen sollte.
Solche Entdeckungen mit großem Veränderungspotenzial zu verbreiten, bzw. daran mitzuwirken, sie aus ihren vorurteilsbehafteten Nischen heraus zu holen, macht mir heute die größte Freude. Wenn ich dann lese, dass es jemand selber ausprobiert und für gut befunden hat, dann ist mir das mehr wert als 300 Unique-User-Klicks, die nur sagen: auf dieser Seite war ich kurz drauf!
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30 Kommentare zu „Wie ich als Bloggerin überlebe“.