Auf das Thema bin ich heut‘ früh gestoßen, weil grade mal wieder ein „revolutionär anderes“ Dating-Portal seine virtuellen Tore öffnet. Das Berliner Startup „Loverty“ wirbt mit einem voll nutzbaren, kostenlosen Basis-Account, der im Unterschied zu anderen Anbietern alle nötigen Features für die Partnersuche ohne Zwang zum Premium-Upgrade ermöglichen soll.
Ok, ich finde es immer sympathisch, wenn jemand eine ganze Branche mit eingefahrenen Gewohnheiten (wie etwa das möglichst hochpreisige Abkassieren suchender Singles) aufmischen will. Deshalb die Erwähnung und der Link. Viel Glück den Machern und allen, die da suchen!
Bis zu sieben Millionen Menschen sollen es sein, die sich in DE in die Niederungen der Dating-Sites begeben, um dort einen Partner fürs Leben, für eine Affäre oder einen Seitensprung suchen, andere Quellen zählen 15 Millionen registrierte Nutzer. Zusammen bescheren sie den Portalen einen Umsatz von 179,5 Millionen Euro – eine stattliche Summe.
Was mich bezüglich der expliziten „Partnersuche im Internet“ immer schon wundert, ist die Bereitschaft der vielen, sich wie eine Ware per Profil anzupreisen und auch selber in solchen „Profil-Katalogen“ zu stöbern, in der Hoffnung, man finde so „den Richtigen“. Auch das „Matching“ per Programm über anzugebende Vorlieben und Anforderungen verschärft den Warentausch-Charakter eigentlich nur noch: dies und das habe ich zu bieten, jenes will ich dafür haben. Wie erfolgreich sind wohl solche „passgenauen“ Suchvorgänge? Darüber gibt es leider keine Zahlen.
Prüfendes Abchecken statt Flirten
Obwohl ich ein „Internet-Urgestein“ bin und seit 1996 im Web publiziere und kommuniziere, hat mich die Partnersuche im Netz nie gereizt. Für mich ist es der Tod der Erotik bzw. die Verunmöglichung echten Flirtens, wenn ich ganz genau weiß: der Andere ist auf der Suche und checkt mich jetzt ab, ob ich auch ins Beuteschema passe. Da fühl‘ ich mich – mal angenommen, der „gedatete“ Mann würde mir auf den ersten Blick gefallen – eher wie bei einer Prüfung oder in einem Bewerbungsgespräch als in einem unverhofft (!) in aufregendes Flirten übergehenden Normalkontakt. Und im sehr viel wahrscheinlicheren Fall des Nicht-Gefallens wär es öde und peinlich, dies dem Aspiranten höflich beizubringen…
Wie aussagekräftig sind schon ein paar Daten und ein gefotoshoptes Bild? Wieviel Lebenszeit müsste ich auf Treffen mit Interessenten verschwenden, die vielleicht daten-technisch „passen“, mich aber leider „per Chemie“ so gar nicht reizen? Es wäre ungefähr so wahrscheinlich, so einen Partner zu finden, wie wenn ich in die Berliner S-Bahn steige und mir alle im passenden Alter anschaue: normalerweise ist da keiner dabei, der in Betracht käme.
Der Richtige ist oft ganz anders als man denkt
Wenn ich auf die mehrjährigen glücklichen Beziehungen in meinem Leben zurück schaue, muss ich auch feststellen: Über ein „Matching“ hätte ich keinen dieser Männer freiwillig kontaktet! Falsches Studium, falscher Beruf, falsche Körpergröße, unpassende Hobbys und Musik-Vorlieben, konträre bzw. gewöhnungsbedürftige Ansichten und Weltbilder, falsches Alter, falsches Gewicht – nicht einer davon hätte Gnade vor meinen virtuellen Ansprüchen gefunden! Welch ein Glück, dass ich nicht übers Netz suchen musste…
Eine Suche über den Abgleich der „Beuteschemata“ ist die konsequente Ausdehnung technisch-wissenschaftlichen Machbarkeitsdenkens auf das letzte intime Refugium menschlichen Miteinanders. Das Unverfügbare plötzlich herein brechende Begehren und Verlieben soll verfügbar gemacht und in den Griff genommen werden – und immer mehr Menschen finden das normal und in Ordnung. Stellt sich heraus, dass der Erwählte doch nicht so toll ist, gibts ja noch viele andere, die besser passen könnten. Man entwickelt sich nicht aufeinander zu, sondern tauscht halt um.
Tipp für ähnlich Empfindende
Würde ich heute einen Partner suchen, würde ich überall hin gehen außer dahin, wo man EXPLIZIT Partner sucht. Also in Foren und Communities, die meinen Interessen entsprechen, seien es Hobbies oder die weite Welt meiner kreativen Arbeit. Das kann auch mal im erotischen Sektor sein: Vor ein paar Jahren hab‘ ich da mal jemanden gesucht, der mit mir „interaktiv“ erotische Geschichten schreibt. Und peng!!!! Ganz ohne weiteren Daten-Abgleich ergab sich alsbald eine spannende Affäre – prickelnd, romantisch, höchst erotisch. Und der Mann ist mir heute noch ein guter Freund.
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8 Kommentare zu „Partnersuche online: Sich selbst zur Ware machen“.