Es ist kurz vor 11, vor mir steht die übliche Kanne Milchkaffee, alles ist wie immer – fast. Es fehlen die Tabakkrümel auf der Tastatur, die Blättchen und Drehfilter, der Aschenbecher und die mittlerweile sündhaft teuren Tabakbeutel der Marke „Javaanse Jongens“, die ich viele Jahre fast ausschließlich rauchte.
Es tut gar nicht weh…
Was zu meiner Verwunderung ebenfalls fehlt, sind drastische Entzugserscheinungen. Ab und zu meldet sich eine plötzliche Erinnerung an das vermeintlich „gute“ Gefühl, wenn der mit ca. 4000 verschiedenen Schadstoffen belastete Rauch durch die Lunge strömt. Dann atme ich einmal tief ein und freue mich drüber, dass der Atem „nach oben hin“ schon nicht mehr so anstößt wie noch vorvorgestern. Und ich spüre meinen Körper, der sich plötzlich nicht mehr anfühlt wie eine Last, die man „von Stuhl zu Stuhl“ durchs Leben schleppen muss, sondern irgendwie leichter, lustvoller, durchaus geneigt, sich auch mal ein bisschen zu bewegen. Sogar die Nase ist dabei, zu einem „nächsten Leben“ zu erwachen – ich kann den Kaffee schon wieder ein bisschen riechen, bevor ich ihn trinke.
Sollte es doch dazu kommen, dass mich der „Schmacht“ überfällt, nehme ich gleich bei den ersten Anzeichen eine viertel Nikotin-Tablette. Gestern und vorgestern hab‘ ich zusammen insgesamt vier solcher Miniportiönchen konsumiert. Im Ergebnis also EINE Nikotin-Tablette, die mengenmäßig etwa dem entspricht, was pro vier Zigaretten ins Blut gelangt. Sauwenig, wenn ich bedenke, wie gut es mir geht.
Kein Vorsatz, nur Leiden
Anders als bei vorherigen Versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, hatte ich jetzt keinen entsprechenden Vorsatz. Ich habe es lange schon aufgegeben, mir aus Angst vor dem frühen Krebstod immer neue, dann doch bald scheiternde „Gesünder-leben-Programme“ zu verordnen. Der letzte Stand meiner Auseinandersetzung mit alledem und mir selbst, steht im Beitrag „Die Geste des Anlaufs: Ab morgen wird alles anders?“ vom April 2006. Natürlich hab‘ ich es damals NICHT geschafft, länger rauchfrei zu bleiben. Nur mein Selbstbild hatte sich ein weiteres Mal verändert, indem ich noch viel weniger als bisher an die Kraft rational begründeter Selbstveränderungsbeschlüsse glaubte: Etwas in mir ist VIEL VIEL stärker als die Vernunft – und lässt mich locker „umdenken“, wenn ich ihm nicht gebe, was es braucht.
Seitdem sind weitere fünf Jahre vergangen, in denen ich grob geschätzt 8400 Euro für Tabak, Blättchen und Filter ausgegeben habe. Dabei bin ich trotz Gartenarbeit, Yoga, Rad fahren und Kiesern auch immer kurzatmiger geworden: mittlerweile muss ich nach dem zweiten Stock eine Pause machen, bevor ich die letzte Treppe in den 3. Stock schaffe. Ätzend! Ich komme mir vor wie 80….
Auch sonst leidet die Gesundheit: Lange erlebte ich gar keine Erkältungen. Doch in diesem April erwischte mich auf der Re:Publica schon die zweite im Jahr 2011. Und es zieht sich hin bis zur Gesundung: das Husten, die spürbar verschleimte Lunge bleiben deutlich länger als normal. Wodurch ich mich noch schwächer fühle als gewöhnlich.
Feste feiern, wie sie fallen
Am Samstag dann ein Walpurgisnacht-Fest: ich feierte mal wieder richtig mit, konsumierte etliche Biere und allen mitgeführten Tabak, dazu geschnorrte Zigaretten, als die Packung alle war. Tags drauf gab’s die Rechnung: Matschbirne und Nachwirkungen bis zum Nachmittag. Und einen absoluten Ekel beim bloßen Gedanken ans weiter rauchen.
Das hab‘ ich natürlich schon öfter erlebt und weiß, dass die Sucht nur allzu schnell wieder kommt – bisher jedenfalls. Und doch: Warum nicht die Gelegenheit wahrnehmen, zumindest eine RAUCHPAUSE einzulegen? Ein „Moratorium“ sozusagen, das der Lunge eine gewisse Regenerationszeit gönnt und mich erleben lässt, wie schlimm oder eben nicht schlimm der Ausstieg sich derzeit anfühlt ?
Tja, im Moment geht es erstaunlich locker. Und ich werde den Teufel tun und große Zukunftspläne machen! Viel wichtiger ist es, hier und jetzt zu bemerken, wieviel BESSER ich mich fühle ohne die Last der täglich 20 bis 30 Zigaretten…
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38 Kommentare zu „Punkt-Schluss: Zufällig rauchfrei, dritter Tag“.