Angeregt durch das kürzlich hier gezeigte Revolutionsvideo (Über Binsenweisheiten, Totschlagargumente und Demokratie) sprach Relax Senf, einer meiner geschätzten Stammleser, in einem Kommentar vom Krebsgeschwür der Arbeitslosigkeit:
„Die Arbeitslosigkeit ist bereits ein Problem und wird fortschreitend zu einem bösartigen Krebsgeschwür. Wobei zu beachten ist, dass sowohl der Mangel an High Potentials als auch der Überfluss an “nur sich selbst = nur Arbeitskraft” Anbieter zunehmen wird. Der Weg zum persönlichen Glück wird schwieriger, ist aber noch immer durch Eigenleistungen beeinflussbar.“
Schon vor über 20 Jahren hörte ich die Botschaft, „die Wirtschaft“ könne perspektivisch locker mit 30% der arbeitsfähigen Menschen auskommen, um die Welt mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen. Der Rest werde dann nicht mehr gebraucht.
Für mein Empfinden stellt dieser Gang der Dinge durchaus die Systemfrage – ABER eben nur in dem Fall, dass die 70% nicht zu ihrer gefühlten Zufriedenheit mitversorgt werden (Transferleistungen, Grundeinkommen). Denn um ARBEIT, definiert als Mitwirkung im Produktionsprozess, geht es doch eigentlich nicht – sondern darum, ob man genug vom zu verteilenden Kuchen abbekommt.
Ich halte es lange schon für eine absolut verrückte und verzerrte Darstellung der Verhältnisse, wenn alle immer so tun, als sei die Mitwirkung am Produktionsproszess unverzichtbar fürs persönliche Glück. An der Stelle scheint leider Interessen-geleitete Indoktrinierung bei vielen recht erfolgreich das Gehirn gewaschen zu haben und immer noch weiter zu waschen.
Es gibt doch so viele Formen, sich sinnvoll und glückbringend zu beschäftigen! Man sucht als Mensch natürlich Gelegenheiten, die eigenen Talente zu entwickeln, sucht Selbsterfahrung und Anerkennung von Anderen. Aber das alles könnte auch in freier Selbstorganisation geleistet werden: bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenarbeit, Kunst & Kultur machen…
Dass die Arbeitslosigkeit forschreitet, ist so gesehen kein bösartiges Krebsgeschwür – sondern nur dann, wenn „Arbeitslose“ (an sich schon ein unzutreffender Begriff!) diskriminiert und auf vielerlei Weisen marginalisiert werden.
Wäre dem nicht so, wäre Arbeitslosigkeit die Erfüllung eines alten Menschheitstraums vom Schlaraffenland: man könnte auch einfach nur so rumlümmeln und trotzdem wäre an gebraten Tauben kein Mangel!
Wie KRANK, dass heute statt dieser sympathischen. über Jahrtausende geteilten menschlichen Vision von Freiheit (bei deren Realisierung ja kaum jemand nur rumliegen würde!) ein Arbeitsbienenbewusstsein herrscht, nach dem ein Mensch fast kein Lebensrecht hat, der nicht in irgendwelchen meist gar nicht nachhaltigen und oft ziemlich überflüssigen Produktionsprozessen mitschwitzt.
In meiner wilden Jugendzeit (70ger, 80ger) war das mal anders. Mittlerweile aber betet man das Laufrad gar noch an, in dem man sich im Extremfall mit bis zu drei schlecht bezahlten Jobs gleichzeitig dem Tod entgegen strampelt!
Zum Schluss dieser spontanen kleinen Brandrede recycle ich mit Freude eines meiner Lieblingszitate vom „Medienphilosophen“ Vilém Flusser zum Thema Arbeit:
„Arbeit, sei sie Tun oder Leiden,
oder sei sie Tun und Leiden,
macht unfrei, weil sie Mögliches verwirklicht.
Nur wenn Tun und Leiden auf Automaten abgeschoben sind, …,
nur im Feld des Potentiellen ist die Freiheit:
nur wenn man projiziert anstatt zu operieren.“Vilém Flusser
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13 Kommentare zu „Ist Arbeitslosigkeit zwangsläufig ein Krebsgeschwür?“.