Anfänglich war ich milde gestimmt: ein Darlehen vom Unternehmerfreund in der Vergangenheit erschien mir als keine sooo gravierende Verfehlung, dass der Bundespräsident gleich zurück treten müsste. Was aber mittlerweile alles geschah, änderte meine Meinung und ich frage mich: wie viele Stunden will sich Wulff eigentlich noch ans Amt klammern?
Wie bescheuert muss man sein, um der BILD-Zeitung Drohungen auf den Anrufbeantworter zu sprechen? Dabei einen „Bruch“ in Aussicht zu stellen, der die Frage aufwirft, welche besonderen Beziehungen da wohl bestanden haben?
Dass Wulff noch nicht zurück getreten ist, muss an einer Scheuklappen-artigen „Blase der Wahrnehmung“ liegen, die ihm erlaubt, zu verdrängen, was nicht mehr zu vermeiden ist: als Präsident ist er jetzt untragbar, weil er nie wieder als halbwegs integre Gestalt gesehen werden wird, sondern als komplett unglaubwürdige Lachnummer.
Erst jetzt verstehe ich richtig, was es mit der Floskel „das Amt nehme Schaden“ auf sich hat. Je unglaubwürdiger und trotteliger sich Wulff aufführt und TROTZDEM im Amt bleibt, desto weniger werden mögliche Kandidaten Lust haben, seine Nachfolge anzutreten. Desto weniger kann er das Amt überhaupt ausfüllen, denn jeder öffentliche Auftritt kann zum Desaster werden, wenn nicht alle Presse-Leute hübsch brav sind und keine unangenehmen Fragen stellen. Was sie gewiss bei Wulff nicht mehr sein werden, doch wird auch der Nachfolger (oder die Nachfolgerin) sehr viel intensiveren Forschungen und Fragen ausgesetzt sein. Wer wird sich das zumuten wollen?
Aus meiner Sicht käme jetzt nur jemand in Betracht, der in der Vergangenheit keine aktiven politischen Ämter bekleidet hat. Ein „Mensch aus dem Volk“, der noch normal reden und zu allem stehen kann, was er in seinem Leben geleistet und verbrochen hat. Auch zu den Fehlern, denn wer macht die nicht?
Ich bin wirklich gespannt, wie lange das Wulff-Drama noch dauert. Allein schon der morgendliche Blick in die Presse müsste eigentlich den Wunsch auslösen, sich in irgend eine Höhle zurück zu ziehen und so schnell nicht wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die „Versorgung“ gegangener Präsidenten ist ja so üppig, dass er es nicht mal nötig hätte, nach einem neuen Arbeitsplatz Ausschau zu halten.
***
Andere Blogs dazu:
- Das Schlusskapitel – Sprengsatz, das Politikblog aus Berlin;
- Der mit dem Wulff tanzt – Hokeys Blog;
- Wulff und der Rubikon – Rurbarone;
- Wozu sich Gedanken machen… Sozialtheoristen;
- Marginalie: Wann tritt Christian Wulff zurück? – Zettels Raum;
- Wulff und Guttenberg: Sex, Lügen und Mailboxtapes – Malte Welding
- Christian Wulff – Das Versteckspiel ist zu Ende – Nachdenkseiten
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
25 Kommentare zu „Wer hat jetzt noch Lust, Bundespräsident zu werden?“.