Das Folgende hab‘ ich grade als Resonanz auf den Artikel „Einigung in Athen scheitert an Rentenfrage“ auf SPIEGEL ONLINE gepostet. Die Kommentare dort sind zum Teil äußerst ignorant bezüglich der Lasten, die Rentnern und Arbeitnehmern für die „Rettung“ abverlangt werden, während die Reichen ihre 200 Milliarden längst außer Landes gebracht haben. Was mich vor allem wundert, ist die Meinung vieler, man könne und solle Griechenland locker pleite gehen bzw. aus dem Euro austreten lassen. Da wird ein „Ende mit Schrecken“ präferiert, ohne dass auch nur einer der vielen Kommentatoren etwas zu dem sagt, was droht, WENN das so gemacht würde.
Ich behaupte nicht, dazu eine eigene Meinung zu haben, denn natürlich überblicke ich die Folgen ebensowenig in voller Gänze wie unsere Politiker. Die Ignoranz und Beschränkung aufs Geschimpfe auf die Griechen wundert mich aber schon!
Alsdenn, hier mein Kommentar (ob er dort frei geschaltet wird, weiß ich noch nicht);
Ich hätte nicht gedacht, dass SPIEGEL-Leser so einen verengten Blick auf das europäische Drama haben! In den Kommentaren lese ich mehrheitlich Statements, die ganz locker Griechenland fallen lassen wollen – so nach dem Motto: ist ja ein Fass ohne Boden, da ändert sich eh nichts etc.
Vor dem Hintergrund der (noch!) recht komfortablen deutschen Verhältnisse (Brüderle: „wir sind gewappnet!“) meinen viele, das „Ende mit Schrecken“ könnte UNS ja nicht viel anhaben.
Dabei wird komplett vergessen, was droht, wenn Griechenland seine Schulden nicht mehr bedient: schon bei einem Haircut von 70% wird es sehr schwer, dies NICHT als „Zahlungsausfall“ zu definieren, bei 100% bzw. bei einer offiziellen Pleite wird es unmöglich!
Wer definiert, was ein Zahlungsausfall ist und was wären die Folgen eines solchen?
Hierzu lese man mal dás Interview mit Jim Sinclair (so ein Börsenmensch, 50 Jahre im Geschäft), das die ansonsten kostenpflichtige „Metallwoche“ wegen seiner Implikationen lesbar für alle gestellt hat:
Jim Sinclair: Die drohende, nicht erklärte Insolvenz von fünf systemrelevanten US-Banken
Demnach kontrollieren fünf amerikanische „systemrelevante“ Großbanken 97% der Ausfallversicherungspolicen (CDS) für griechische Staatsanleihen. Träte der „Ausfall“ ein, wären die fällig, doch haben sie bei weitem nicht das Kapital, das zu bezahlen.
Es müssten dann also fünf Großbanken „gerettet“ werden, bzw. es droht laut diesem Herrn Sinclair eine Finanzkrise weit schlimmer als 2008/2009. Und das im amerikanischen Wahljahr? Das will dort natürlich niemand!
Den „Ausfall“ definiert (zum Glück?) eine von diesen Großbanken kontrollierte Institution, nämlich die ISDA (International Swaps and Derivatives Association), die natürlich alles versuchen wird, KEINEN TOTALAUSFALL feststellen zu müssen.
Das mag bei 70% Haircut gerade noch klappen, aber bei 100% oder gar bei einer offiziellen Pleite (die hier viele empfehlen) geht es sicher nicht mehr.
Deshalb wird Zeit geschunden, wenn schon sonst nichts geht.
Vor diesem Hintergrund ist es also durchaus verständlich, dass die EU-Politiker, die EZB (und der IWF) alles tun, um den totalen Ausfall zu vermeiden. Denn eine weitere Mega-Finanzkrise würde wohl deutlich teurer als das Griechenland-Retten – auch wenn keiner so genau weiß, was genau passieren würde (Domino-Effekte etc.).
Ich beneide niemanden, der zur Zeit damit befasst ist, dieses Risiko zu verantworten – ich wunder mich nur, dass es hier so gar nicht zur Sprache kommt. Als wären das Problem NUR die Griechen und die Frage nach Solidarität ja oder nein!
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5 Kommentare zu „Warum Griechenland nicht offiziell pleite gehen darf“.