Mit der materiellen Welt, die uns im richtigen Leben umgibt, hat es eine Bewandnis, die sie von den virtuellen Welten, die ich per Computer und Bildschirm betrete, drastisch unterscheidet. Gestalte ich eine Webseite oder bearbeite ein Bild, geschieht nichts, was ich nicht will. Zwar kann ich etwas falsch machen und sehe dann ein falsches Ergebnis, doch nichts passiert ohne mich.
Auch Webseiten und die Ströme der Nachrichten in sozialen Medien sind weitgehend auf mein steuerndes Maus-klicken und neuerdings „drüber wischen“ angewiesen: Was ich nicht anschauen will, ignoriere ich, was ich auswähle, zeigt sich brav in voller Schönheit – und verschwindet wieder, wenn ich weiter surfe. Alles ist zu jeder Zeit „da“ – und zwar prinzipiell unverändert, es sei denn, die jeweiligen Administratoren oder ihre willfährigen Algorithmen haben etwas hinzugefügt oder weggenommen.
Ganz anders die Gegenstände und Lebewesen der physischen Welt: da herrscht eine natürliche Eigendynamik, die Menschen immer schon zur Weißglut treiben konnte. Unwetter verhagelt die Ernte, Materialien werden brüchig und zerfallen, unser eigener Körper schwächelt und wird krank, Essen verschimmelt, die Milch wird sauer. Und die Räume, in denen ich lebe, verdrecken ebenfalls, ganz ohne dass ich etwas dazu tue. Zwar laufe ich zuhause in Strümpfen herum, um keinen Straßendreck zu verteilen, trotzdem ist irgendwann Putzen unvermeidlich. Ätzend!
Wachsen und Werden, Sterben und Zerfall
In der Kleingartenanlage, in der ich einen Garten habe, erleben es wohl manche Neumitglieder als Schock: Der Garten ist nicht nur ein schöner Ort, der nach Belieben zu Erholungszwecken zur Verfügung steht, sondern vor allem ein sehr dynamisches Biotop, dass sich ganz ohne menschliches Zutun entwickelt – ziemlich schnell sogar und meist nicht in die Richtung, die man gerne sieht.
Im richtigen Leben herrscht Wachsen und Werden, Sterben und Zerfall. Seit Menschengedenken arbeiten wir dagegen an, obwohl wir selbst demselben Gesetz unterworfen sind. Die medialen Welten, mit denen wir immer häufiger umgehen, lassen weitgehend vergessen, was der Fall ist. Das Bild des T-Shirts im Online-Shop ist auch nach einem Jahr noch immer sauber und die Passform super, wogegen das erworbene Exemplar nach ein paar Wäschen die Farbe verliert, ausleihert oder einläuft.
Wie wunderbar dagegen die virtuellen „Gegenstände“: Digital gespeicherte Musik bekommt keine Kratzer (Platte) oder Aussetzer und Hängeschleifen (CD). Digitale Texte vergilben nicht und müssen nicht abgestaubt werden. Daten kann ich in der Wolke speichern und von wechselnden Geräten aus abrufen – wow, das ist doch mal was Anderes! Ein echter Sieg gegen den Zerfall… :-)
So stand ich also gestern vor dem Regal neben meinem Bett, in dem die in den letzten Jahren angesammelten CDs, DVDs, etliche Bücher und mehrere Stapel Zeitschriften vor sich hin verstauben. Die Mini-Anlage funktioniert schon lange nicht mehr, den DVD-Player nutze ich vielleicht einmal im Jahr. Musik höre ich, wenn überhaupt mal, online – und die Magazine lese ich meist gar nicht, hab‘ sie nur aus Sympathie abonniert. Das meiste, was drin steht, ist auch online zu erkunden, wenn ich es brauche – warum also weiter diese Stapel anwachsen lassen?
Besitz belastet – weg mit dem Zeugs!
Bücher haben noch eine kurze Schonfrist: ich sortiere wieder mal alle aus, die ich vermutlich nicht noch einmal lesen werde und gebe sie weg. Der kleine Rest kann bleiben, bis ich mich an einen E-Reader gewöhnt habe. Die Zeitschriften werde ich verschenken und entsorgen, die Anlage fliegt raus genauso wie die paar ungenutzten Filme, die mal „irgendwie“ zu mir gekommen sind. Das Sortieren der CDs ergab ganze 15 Stück, deren Musik ich nicht missen will: die werde ich „rippen“, sie digitalisieren, auf dass ich sie künftig auf PC oder mit dem kleinen Tablet abspielen kann, wenn ich denn möchte. Zum Nexus 7 hab‘ ich mir extra einen Mini-aktiv-Lautsprecher gekauft, der macht für so ein kleines, ca. fünf Zentimeter hohes Teil einen verdammt guten Sound. Und für mehr gibts ja Kopfhörer. Was für ein ungeheurer Gewinn an Platz und Übersichtlichkeit!
Wenn ich dann fortfahre mit dem Aufräumen, dann wird von allem, was zur Zeit noch drei weitere Regale und zwei Schreibtisch-Unterschränke in meinem Wohn-Arbeitszimmer füllt, nicht mehr allzu viel übrig bleiben. Vielleicht 3 x 80 cm Bücher, ebenso soviele Aktenordner und ein paar Büro-Materialien. Ich freu‘ mich schon drauf! Die Zeit der physischen Medien neigt sich in meinem Wohnbereich dem Ende zu. Nurmehr die Geräte werden bleiben, die mir sowieso Zugang zu viel mehr ermöglichen, als ich je in meinen Zimmern hätte unterbringen wollen.
So entlastet wird dann auch das Putzen sehr viel schneller und leichter, denn wo nichts ist, kann auch nichts verstauben. Statt verfallender Medien mag ich lieber lebendige Pflanzen, gemütliche Teppiche und bequeme, nicht allzu raumgreifende Möbel jenseits vergänglicher Moden. Der große Rest steht in der „digitalen Ewigkeit“ ohne Raumansprüche und gänzlich zerfallsfrei zur Nutzung bereit.
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7 Kommentare zu „Vom Aufräumen und der Entwöhnung von der Welt des Materiellen“.