Das Blog „Dornröschen holt die Heckenschere“ macht dicht. Es waren eher private Themen, die „Lilly“ auf emotionale und recht spritzige Art dort seit 2009 verhandelt hat. Aus und vorbei. Warum?
Ich habe mich immer um Authentizität bemüht, wollte nie die Mrs. Perfect vorgeben, aber da ich hier nun mal ein „Gesicht“ habe und (leider) viele von meinem Blog wissen, denen ich freiwillig nichts (mehr) von mir erzählen würde, macht mir das Bauchweh. Großes Bauchweh.
Es ist gegen meine Intention hier nur Kochrezepte, Sockenstrickanleitungen und drollige Kinderanekdoten zu posten. ……. Aber würde ich hier so weitermachen wie bisher, würde ich Euch, und viel schlimmer noch, mich selbst betrügen. Ich würde über Nebensächlichkeiten schreiben, obwohl etwas ganz anderes in mir schreit heraus zu dürfen.
Lillys Blog ist nur ein Beispiel aus vielen, die mir mit diesem Ausstiegsgrund im Lauf der Jahre schon begegnet sind. Oft sind es „anonyme“ Blogs, die keinerlei Realdaten über die Person enthalten, was den Schreiber/innen die Möglichkeit eröffnet, kein Blatt vor den Mund zu nehmen: persönliche Beziehungen und ihre Konflikte, Probleme mit Arbeitgeber und Kollegen, erotische Details, Launen, Leiden, Krankheiten – und genau dieser Stoff ist es, der dem Unterhaltungsbedürfnis vieler Lesenden entgegen kommt. Man nimmt quasi Teil an einer realen Daily Soap und ist gespannt auf die Fortsetzung. Bis es eines Tages der Autorin zuviel wird: Zu vielen Menschen aus dem eigenen „realen Leben“ hat man das Blog irgendwann gezeigt, so dass das freie Schreiben angesichts der vielen Mitwissenden zunehmend unmöglich wird.
Irgendwann ist also Schluss: es folgt ein Abschied, oft versehen mit dem Hinweis, dass diejenige durchaus weiter schreiben wird – irgendwo anders, wieder „richtig anonym“.
Wie finde ich das? Einerseits lese ich selbst mit Interesse das eine oder andere derartige Blogs (das „Dornröschen“ hab‘ ich allerdings erst an dessen Ende entdeckt). Andrerseits könnte und wollte ich selber so niemals bloggen: Was ich den jeweiligen Personen nicht auchins Gesicht sagen kann, bzw. schon gesagt habe (!), schreibe ich auch nicht ins Netz. Über Beziehungen blogge ich nur in großem zeitlichen Abstand, in verallgemeinerter Form oder MIT ERLAUBNIS der Person, die ich (auch ohne Namensnennung) erwähne.
Meiner Authentizität tut das keinen Abbruch – im Gegenteil, ich fühle mich nur so wirklich integer, denn ich muss mir keine Gedanken machen, ob irgendwer vielleicht an dem Anstoß nimmt, was ich schreibe. Das kann natürlich auch bezüglich der Inhalte, die ich hier zum Besten gebe, passieren – es handelt sich dann aber immer um Dinge, zu denen ich rundum und gegenüber jedem stehen kann. Wogegen detailreiche Ausführungen über mein reales Erleben mit konkreten Mitmenschen immer auch ein Übergriff auf DEREN LEBEN darstellen würde. Schließlich würde ihre Sicht der Dinge NICHT mitberichtet – und selbst wenn, würden sie es nicht unbedingt schätzen, „öffentlich diskutiert“ zu werden.
So ist Anonymität (für deren Verteidigung im Netz ich jederzeit eintrete!) immer ein zweischneidiges Schwert. Wobei „Blog-Hopping“ vermutlich noch der geringste Schaden ist, der die Betreffenden ereilen kann.
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Zu diesem Thema hab‘ ich schon öfter gebloggt, z.B. 2003:
Reflexionen in der ersten Person:
Von sich schreiben – Webdiarys und mehr
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13 Kommentare zu „Blog-Sterben: Anonymität ist ein flüchtiger Schutz“.