In der ARD-Themenwoche geht’s diesmal – passend zum November – um Tod und Sterben. „Sie werden sterben. Lassen Sie uns drüber reden“ heißt es im Trailer. Und so ging es gestern bei „Hart aber fair“ um die Frage, ob Ärzte beim Sterben helfen dürfen sollten: also nicht nur Leiden lindern, sondern auch beenden, wenn der Patient das wünscht.
Zu Gast war der Arzt Uwe-Christian Arnold, der seit vielen Jahren Menschen beim Sterben hilft. Jedoch nicht so, wie es gerne hingestellt wird: auf Bestellung vorbei kommen und den Cocktail anrühren, womöglich gegen einen stattlichen Geldbetrag. Arnold ist oft Jahre lang in Kontakt mit seinen Patienten, schöpft alle anderen Möglichkeiten aus, vermittelt palliative, psychotherapeutische und sogar seelsorgerische Betreuung und nimmt auch Kontakt zu den Angehörigen auf. So kommt es, dass nicht alle ihren Vorsatz wahr machen – einige aber doch, nämlich dann, wenn ihnen ihr weiteres Leben nurmehr als Last und Leiden erscheint.
Menschen, die nicht mehr leben wollten
Wie so ein Sterben verläuft, wurde dann in Einspielern gezeigt: der Querschnittsgelähmte, der nach 10 Jahren Unbeweglichkeit endlich gehen will, die Krebskranke, die drei Jahre „gekämpft“ hat, nun aber keinen Sinn mehr darin sieht, die finale Phase noch erleben zu sollen. Und Walter Bolinger, Schweizer Unternehmensberater, erzählte von seiner Frau, die mit EXIT aus dem Leben ging, da sie die fortschreitende Alzheimer-Krankheit mit extremer Hilfsbedürftigkeit nicht ertragen mochte.
Dem Kapuzinermönch Bruder Paulus, Gegner jeglicher Form von Suizid-Hilfe, wurde es wie er sagte „ganz kalt“ bei diesen Geschichten. Was ich ihm nicht abnehme, denn sein Statement, Bollinger hätte seiner Frau doch auch die Rasierklingen reichen können, zeugt aus meiner Sicht weit eher von Herzenskälte als die Einstellung jener Angehörigen und Ärzte, die den Wunsch, zu sterben, respektieren und unterstützen.
Palliativ-Medizin: nicht überall zugänglich, nicht immer wirksam
Dr. Barbara Schubert, Leitende Oberärztin am St. Joseph-Stift Dresden, brachte die üblichen Argumente der Palliativmedizin: Mit entsprechenden Behandlungen könne man das Leiden lindern und das Sterben erträglich machen. Dass diese Versorgung trotz Rechtsanspruch bei weitem noch nicht flächendeckend zur Verfügung steht, also derzeit noch immer viele Menschen einen üblen Todeskampf erleben müssen, ist aus dieser Sicht bedauerlich, ändert aber nichts.
Aber mehr noch: Sie musste zugeben, dass es Leiden gibt, die am Ende nicht mehr „aufs erträgliche Maß“ herunter medikamentiert werden können. Dann bleibt für Frau Schubert nur das „dabei bleiben“ – schließlich gehöre das Leiden zum Leben und müsse also akzeptiert werden.
In diese Kerbe haute auch Bruder Paulus, der zum Besten gab, dass die menschliche Seele in extremen Situtationen durchaus über sich hinaus wachsen könne. Als Beispiel diente ihm ein jugendliches Unfallopfer, das beide Beine verlor und es dennoch schaffte, dieses Schicksal anzunehmen und das Beste daraus zu machen.
Was für ein absurder Vergleich! Es kommt schließlich darauf an, welchen SINN man als Betroffener einem Leiden noch beimessen kann. Ist keine Besserung mehr in Aussicht, sondern nur immer mehr Leiden bis endlich der Tod eintritt: Warum zum Teufel soll man das aushalten?
Was ich mir zumute, will ich selbst bestimmen
An der Stelle nervt und ärgert mich die Übergriffigkeit der religiös Motivierten: Ich möchte selbst entscheiden, was und wieviel ich meiner Seele am Ende noch zumute! Und kein Staat und kein Priester hat das Recht, mir da hinein zu reden. (Dass kein Arzt dazu GEZWUNGEN werden darf, gegen seine persönliche Ethik solche Sterbehilfe zu leisten, sehe ich als selbstverständlich an. Es geht hier darum, ob Ärzte es DÜRFEN sollen.).
Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister von Bremen, verwies natürlich auf die deutsche Euthanasie-Geschichte und warnte davor, dass wir da wieder „hinein rutschen“ könnten. Ich sehe das nicht so, denn nicht der Staat soll darüber befinden, wann „genug gelitten“ ist, sondern jeder Mensch für sich. Und da die Ärzte nun mal die einzigen sind, die den Zugung zu entsprechenden Medikamenten haben, braucht es sie für einen angenehmen Tod.
Warum nicht sich und anderen die Bürde abnehmen?
Dass Angehörige nicht nur altruistische Motive haben könnten, wenn sie dem Suizid zustimmen, kam auch kurz zur Sprache. Wobei schon die „Befreiung von der Last der Pflege“ bzw. das nicht mehr ertragen können der Leiden des Sterbenden als problematisch dargestellt wurde. Es dürfe doch nicht sein, dass der Sterbende deshalb gehe, weil er dem Umfeld nicht mehr weiter zur Last fallen wolle.
Ja warum eigentlich nicht? Wir sind nicht total voneinander getrennte Menschen und die Last der Pflege spielt selbstverständlich eine Rolle: sowohl für die Angehörigen und Pflegenden, wie auch für den Sterbenden. Warum sollte ich noch Tage und Wochen dahin vegetieren und allen eine Bürde sein, wenn es doch nicht mehr besser wird? Oder, mal krass gesagt: Warum abwarten, bis ich als Demente meine Exkremente an die Wände schmiere? Will ich das irgend jemandem zumuten? Lieber nicht!
Aber bei allen Varianten einer möglichen Suizid-Entscheidung in der Vorschau auf schmerzliches oder unwürdiges Sichtum halte ich es für eine wesentliche Unterstüzung, zu wissen: ich KÖNNTE gehen, wenn ich will. Das hilft nämlich auch dabei, Leiden besser zu ertragen und vielleicht auch „über sich hinaus zu wachsen“.
Das Publikum war – wie immer in dieser Frage – in überwältigender Mehrheit für das Recht auf ärztlich begleiteten Freitod. Die Politik und die Institutionen werden diesem Trend auf Dauer nicht widerstehen, da bin ich mir relativ sicher.
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9 Kommentare zu „Zum Recht auf einen medizinisch betreuten Freitod (Hart aber fair)“.