Claudia am 19. März 2013 —

Zypern: Schon wieder kein Crash…

[update: die aktuellen News lassen es wieder fraglich erscheinen, ob in Zypern überhaupt ein Beschluss zustande kommt. Das ändert aber nichts am Tenor dieses Postings].

Vermutlich zum Ärger einschlägiger Demagogen und Polemiker folgt dem beschlossenen Zugriff auf die Bankguthaben zyprischer Anleger und Sparer kein Europa-weiter Bankrun, sondern eine Nachbesserung, die Kleinsparer verschont. Damit die benötigte Summe Eigenanteil am Banken-Desaster zusammen kommt, müssen nun die Reicheren, einschließlich der russischen Oligarchen mehr beitragen. Ist das noch etwas, worüber man sich aufregen muss?

Mein Bedauern hält sich in Grenzen. Zyprische Anlagen brachten das doppelt- und dreifache hiesiger Zinsen, noch dazu ganz ohne Quellensteuer, die bei uns 25% ausmacht. Das ganze „Geschäftsmodell“ des Landes Zypern basiert auf Finanzgeschäften zugunsten der Wohlhabenden, vornehmlich aus Russland und Großbritannien.

Soooo geil auf Katastrophe…

Was mich ärgert, ist die Desinformation, die gerne dort verbreitet wird, wo sich der Protest gegen den „Tabubruch“ versammelt. So wird etwa behauptet, die Zyprioten kämen tagelang nicht an Bargeld, weil „die Banken geschlossen“ haben. Dass das nicht stimmt, konnte man aus seriösen Nachrichtenquellen entnehmen: die Bankautomaten waren und sind durchaus aktiv und geben Bargeld bis zum Tageslimit aus.

Auch der Vorwurf, man hätte doch anstatt der Anleger die Eigentümer/Gläubiger der Banken heran ziehen sollen, geht mangels Masse ins Leere. Die Banken auf Zypern lebten vom Geschäft mit den Einlagen und nicht von Anleihen. Die Alternative wäre wohl die Banken- und damit auch Staats-Pleite, wie alle (meines Wissens unwidersprochen) schreiben. Wäre das für die Anleger etwa besser?

Unglaublich dreist empfand ich auch die Katastrophengeilheit der Medien, die unbedingt eine heftige Reaktion der „Märkte“ herbei reden wollten. Ich hab‘ deshalb gestern den Dax und den Euro-Verlauf selber gecheckt: ja du lieber Himmel, der Dax zeigte eine kleine Delle zum Tagesbeginn, die danach locker wieder aufgeholt wurde. Und der Euro? Hier eine typische Meldung:

„Auch für den Euro ist das beschlossene „Zypern-Rettungspaket“ ein Belastungsfaktor. Die Gemeinschaftswährung fiel in einer ersten Reaktion bis auf 1,2881 Dollar und damit den tiefsten Stand des Jahres. Die Beteiligung der Sparer am zyprischen Schuldenschnitt schürte die Furcht vor einer Kapitalflucht aus der Eurozone. Nachdem Zypern angekündigt hat, die Pläne zu überarbeiten, erholt sich der Euro auf 1,2955 Dollar.
finanznachrichten.de

Dass der Euro letzten Juli ganz ohne Tabubruch bei 1,21 stand, relativiert diese Art Nachricht ebenso wie der Fakt, dass es doch „gut für unsere Wirtschaft“ ist, wenn der Euro schwächelt.

Das „dumme Volk“ gerät NICHT in Panik

Dass der lange erwartete große Crash vor der Tür steht, wird nun seit Jahren verkündet. Auch diesmal wird er auf sich warten lassen, weil die „breite Masse“ nicht ganz so blöd ist, wie viele Truther und andere Krisen-Beschwörer meinen. Wenn ich immer wieder lese, jetzt würden die schlafenden Schäflein wohl endlich erwachen und unser Schuldgeldsystem begreifen, zeigt mir das vor allem, was diese Menschen über den großen Rest der Welt denken, in welcher Filter-Bubble sie leben. Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber ich hab das Geldsystem (inkl. Bretton Woods, Geldschöpfung der Geschäftsbanken etc.) als Teil des Lehrplans in der Schule mitbekommen. Dass das Geld nicht auf den Banken zur Abholung bereit liegt, sondern diese damit „arbeiten“, konnte man auch immer wieder mittels vieler populärer Filme mitbekommen und sogar in den Mainstreammedien lesen, die seit 2008 tatsächlich keinen Aspekt der Finanzkrise ausgelassen haben!

Vielleicht ist das Volk einfach nicht so dumm, zu glauben, ein „Bankrun“ würde irgend etwas bessern?

Mit alledem will ich nicht sagen, es gäbe keine Krise! Ganz im Gegenteil beobachte ich deren Entwicklung seit Jahren und hab‘ nie geglaubt, sie sei zwischenzeitlich weg gewesen. Die aktuelle Aktien-Blase ohne jeden Bezug zur Wirtschaftsentwicklung erscheint mir da allerdings katastrophenträchtiger (wenn sie dann platzt!) als die Beteiligung reicher Zyprioten an der zyprischen Bankenrettung.

Für alle Fälle werd‘ ich aber mal wieder meinen Dosen- und Kerzenvorrat ergänzen. Man weiß ja nie….

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Übrigens: Berlin hat mehr als dreimal soviel Einwohner wie Zypern. Schon eigenartig, dass so ein Mini-Land so einen Mega-Finanzsektor aufbaut.

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Ein Kommentar zu „Zypern: Schon wieder kein Crash…“.

  1. […] liste ich hier mal vielerlei Reaktionen auf die Zypern-”Rettung” auf. Im ersten eigenen Artikel zum Thema “Zypern” war ich zu schnell mit einer – entsprechend oberflächlichen – Meinungsbildung. […]